Es ist die Nacht der Geister, aber auch das Fest, mit dem der Verstorbenen gedacht wird: Halloween ist längst auch bei uns angekommen. Der Einzelhandel feiert inzwischen das Zusatzeinkommen, Traditionalisten schütteln irritiert die Köpfe – dabei ist Halloween eigentlich ein ur-typisches Fest auch dieser Region: Die Ursprünge liegen in der Religion der Kelten, und die siedelten einst auch zwischen Rhein, Main und Taunus. Dazu kommen die katholischen Feste Allerheiligen und Allerseelen und der Reformationstag: Ein Fest von Freiheit und Widerstand. Also, was immer Ihr feiert: Happy Halloween!

Die Sitte, Halloween zu feiern, ist ja aus den USA nach Europa geschwappt, Unsitte nennt sie mancher. Dabei ist Halloween ursprünglich ein zutiefst europäisches Fest: Ein Fest der Kelten, das mit irischen Einwanderern nach Amerika kam. Keltischen Ursprungs aber waren auch die Stämme hier am Rhein wie etwa die Chatten, und so dürfen wir mit Fug und Recht annehmen, dass auch Mainzer Vorfahren einst Halloween gefeiert haben. Samhain hieß bei den Kelten die Nacht am Wendepunkt zum Winter, in der der Toten gedacht wurde.
Denn in dieser Nacht an der Schwelle zum Winter steht, so erzählen es die Legenden, die Tür zwischen der Welt der Toten und der Lebenden weit offen. Die verstorbenen Seelen kehren dann noch einmal zurück, um mit den Lebenden zu speisen, sie noch einmal zu berühren, sie zu trösten. Und so war es bei den Kelten Brauch, den Toten Laternen anzuzünden, um ihnen den Weg zu weisen, Teller mit Essen für sie bereit zu halten. Dass die Geister der Unterwelt in den seltsamsten Gestalten zurückkehren, daran erinnern heute die Skelette und Geister, Hexen und Gruselfiguren, auch wenn Letztere natürlich eine Erfindung von Hollywood sind.
All Hallow’s Eve, die Nacht der Heiligen, Geister und Hexen
Denn eigentlich kommt „Halloween“ von „All Hallow’s Eve“, und das bedeutet der Abend aller Heiligen, und nicht der Untoten. Das Faszinierende daran? Auch die heutigen Katholiken gedenken just an diesen Tagen ihrer Toten, doch sie tun es an Allerheiligen auf den Friedhöfen, an Gräbern – fern der Häuser und irgendwie auch fern des Lebens. Die Kelten aber gedachten ihrer Toten in ihren Häusern, an ihren Herden, ehrten sie mit Speis‘ und Trank, hießen sie in der Mitte der Lebenden willkommen. Eine wunderbare Form, der verstorbenen Lieben zu gedenken und sich gleichzeitig zu vergewissern, dass das Leben weiter geht.

Der ausgeschnittene Kürbis vor der Tür soll genau dazu den Weg weisen, die bösen Geistern fern halten, den guten Seelen aber Heim leuchten. Wer Halloween als rauschende Party feiern will, sich dabei verkleidet als Hexe oder Gruselgestalt – warum nicht? Die schaurigen Masken waren einst das Zeichen dafür, dass die Finsternis eben keine Macht über uns hat.
Und es ist natürlich kein Zufall, dass dieses Fest genau an der Wende zur dunklen Jahreszeit und kurz vor dem Winter gefeiert wird: Halloween ist ein Fest der Jahreszeitenwende. Ein Fest mit den Schätzen der Ernte wie Kürbis, Kartoffeln, Nüssen, Wein – ein Fest, um uns im Angesicht der Dunkelheit der schönen Dinge des Lebens zu erinnern. Und so gedenken die Menschen in der Zeit, wenn die langen, dunklen Nächte beginnen, eben auch ihrer Lieben, die ihnen voraus gegangen sind in das Land des Todes.
Allerheiligen und Allerseelen als kirchliche Feste
Die Katholischen Kirche hat für das Gedenken an die Toten den 1. November auserkoren, seit dem 9. Jahrhundert wird Allerheiligen an diesem Datum gefeiert, weiß man beim Bistum Mainz. Eigentlich ist der 1. November der Tag zum Gedenken an alle Heiligen, bereits im vierten Jahrhundert ist bei Johannes Chrysostomos von Antiochien ein „Herrentag aller Heiligen“ bezeugt. Am 2. November wiederum ist Allerseelen, das auf den Abt Odilo von Cluny zurückgeht, der 998 einen Gedenktag für alle verstorbenen Gläubigen der Cluny unterstehenden Klöster anordnete.

Zusammen mit dem Volkstrauertag zum Gedenken an die Toten der Weltkriege und dem Totensonntag (auch: Ewigkeitssonntag), mit dem das evangelische Kirchenjahr am Sonntag vor dem ersten Advent endet, machen Allerheiligen und Allerseelen den November zum Monat des Totengedenkens. In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag – nur die Hessen bekommen an diesem Wochenende keinen Feiertag ab. Wer also vergessen hat einzukaufen, oder am Samstag shoppen gehen wird, kann nach Wiesbaden ausweichen.
Die Katholische Kirche hat übrigens ein Problem mit Halloween und kritisiert es als „Problemanzeige“: „Mit der seichten Oberflächlichkeit immer neuer Events wird in einer Spaß- und Erlebnisgesellschaft die Auseinandersetzung mit ernsten Lebensfragen nach Leben und Sterben oder Tod überlagert“, klagt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf. Die Tradition des Monats November als Totenmonat habe aber „nach wie vor ihre Berechtigung.“
Tod und Gedenken aber sind im Wandel, eine moderne Gesellschaft sucht zunehmend nach anderen Gedenkformen – das zeigt gerade auch das neue Bestattungsgesetz für Rheinland-Pfalz: Das Gesetz hebt Friedhofszwang und Sargpflicht auf, und ermöglicht künftig auch Bestattungen in Flüssen oder auch im heimischen Garten. Auch das kritisierte Kohlgraf, das Gesetz verstärke „Tendenzen, Trauer zu privatisieren“ – man darf aber schon fragen: Ist Trauer nicht ohnehin eine private Angelegenheit?
Reformationstag: Mehr als 500 Jahre Kampf für Reformen und Freiheit
Der Mainzer Hauptfriedhof ist ungeachtet dessen übrigens ein toller Spiegel der Mainzer Stadtgeschichte, zahlreiche Persönlichkeiten sind hier begraben – am 1. November g9ibt es traditionell Führungen des Vereins „Geographie für Alle“ dazu. Die sind meist aber schnell ausgebucht, wer es trotzdem versuchen will, findet hier Informationen dazu im Internet.

Und dann ist da ja noch der Reformationstag, das wollen wir natürlich auch nicht vergessen: Heute vor 508 Jahren, schlug am 31. Oktober des Jahres 1517 der Mönch Martin Luther 95 Thesen zum Zustand der katholischen Kirche an die Kirchentür zu Wittenberg. Luther kritisierte scharf den Zustand der Kirche mit Ämterkauf und Ablasshandel, sowie die Ferne der Bischöfe von dem realen Leben der Menschen sowie ihren abgehobenen Reichtum.
Aus Luthers Thesenanschlag wurde eine Revolution, die der christlichen Kirche allerhand Spaltungen bescherte und in die Gründung der protestantischen Glaubensrichtung(en) mündete. Die Protestanten fanden viel Zuspruch gerade auch in Mainz und Rheinhessen, die Christuskirche auf der Kaiserstraße ist sichtbares Zeichen dafür, dass in Mainz die evangelische Kirche beinahe gleichstark wurde wie die katholische.
Happy Halloween: Freiheit, Selbstbestimmung und Widerstand
Und es war auf dem Reichstag zu Worms in Rheinhessen, dass Luther sein legendäres „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ sprach – und damit einen Widerruf seiner Thesen ablehnte. „Menschen stark zu machen – stark dazu, Freiheit zu leben und Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst, für andere und für diese Welt“, das sei auch heute noch Aufgabe des Glaubens und der evangelischen Kirche, sagte Volker Jung, Kirchenpräsident der evangelischen Kirche in Hessen-Nassau vor ein paar Jahren dazu, und mahnte: „Freiheit ist ein großes Wort des Glaubens und Freiheit ist ein großes Wort in der Politik“– und diese Freiheit sei heute so bedroht, wie lange nicht mehr.

Jung rief dazu auf, sich für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit einzusetzen und sich „an die Seite derer stellen, die wegen ihrer Religion oder ihren Meinungen bedroht und verfolgt werden.“ Und er wies angesichts der politischen Entwicklungen in der Welt darauf hin, wie leicht verführbar Menschen seien, ihre eigene Freiheit zugunsten egoistischer Interessen aufzugeben. Martin Luther habe dazu einmal gesagt: Neben den Kirchen, in denen die Freiheit durch Christus verkündigt werde, „baut der Teufel eine Kneipe, um die Menschen von der Freiheit wegzulocken.“
Wir halten uns da lieber an den Wein, der ja bekanntlich aus dem „Weinberg des Herrn“ stammt – und greifen zu der Freiheit, für die gerade Hexen stehen: Kostüme, um die Geister des Unfriedens und der Unfreiheit zu vertreiben. Wir bei Mainz& feiern Halloween als Wendepunkt-Fest zur dunklen Jahreszeit und als Fest der Erinnerung an Mut, Glaubensstärke und die Kraft des Widerstandes. Wir feiern es fröhlich-farbenfroh und trotzdem nachdenklich, gedenken unserer Verstorbenen, aber genießen mit Kürbis, Wein und dem Bewusstsein, welchen Schatz an Genuss, Leben und Freiheit wir hier auf Erden haben, solange wir ihn haben.
In diesem Sinne: Euch allen da draußen Happy Halloween!
Info& auf Mainz&: Mehr zum Mainzer Hauptfriedhof und seinen prominenten Toten erzählen wir Euch hier bei Mainz&.






