Der Mainzer Stadtrat beschäftigt sich in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch auch mit den Problemen mit der neuen Mainzelbahn, die CDU fordert in einem Antrag umfangreiche Nachbesserungen bei der Technik und eine gründliche Überarbeitung des Fahrplans. Und genau dazu erreichte uns nun ein offener Brief des Studentenwohnheims am Kisselberg: „Hier sind 3.500 Leute mal eben nicht an die Straßenbahn angeschlossen“, kritisieren die Studierenden – und fordern, die Mainzelbahn müsse auch an der ohnehin gebauten Haltestelle Kisselberg halten. Derzeit seien hingegen Buslinien gekappt worden, blieben Rollstuhlfahrer stehen und komme man nachts gar nicht mehr in das Gebiet.

Gewerbegebiet Kisselberg und FH
Das Gewerbegebiet Kisselberg von oben, die Saarstraße verläuft hier oberhalb – damals noch ohne Mainzelbahn – Foto: GVG Mainz

Der Kisselberg ist das Gewerbegebiet von Gonsenheim, gleich mehrere Großfirmen wie etwa die Coface, früher Namensgeber des 05er-Stadions, aber auch die Bundesbank haben hier große Geschäftshäuser. Rund 2.500 Beschäftigte habe das Gewerbegebiet, sagt Matthias Zürbig, dazu kommt das 2013 eröffnete Studentenwohnheim mit rund 800 Bewohnern. All das aber lasse die neue Mainzelbahn einfach links liegen, klagt Zürbig. Der Student gehört zur gewählten Hausvertretung der Studentenwohnanlage Kisselberg, in einem offenen Brief wandte sich die Hausvertretung nun an die Stadtratsfraktionen und Mitglieder des Stadtrats.

Bahnsteig da, Bahn fährt vorbei – Busse nachts komplett eingestellt

„Zweieinhalb Jahre haben wir mit Baustellen und Dreck gelebt, sind durch den Matsch zu unserer Anlage gewatet“, berichtete Zürbig nun Mainz&: „Dann kam der neue Fahrplan, und voller Erstaunen und Schreck stellten wir fest: die Bahn hält hier gar nicht.“ Dabei habe die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) doch genau vor dem Haus eine Haltestelle gebaut, wundert sich Zürbig, und Busse würden da ja auch halten: „Da hier der Bahnsteig da ist, verstehen wir nicht, warum die Bahn hier nicht hält.“ Ein Stopp der Bahn würde doch „eine Minute mehr Zeit“ brauchen für den Fahrplan, die Infrastruktur sei vorhanden – „das ist ein enormer Schildbürgerstreich“, sagt Zürbig.

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Zumal die Busanbindung des Kisselbergs seit Inbetriebnahme der Mainzelbahn deutlich schlechter geworden sei, sagt Zürbig: „Es fahren insgesamt weniger Linien“, die Taktung habe sich von zehn Minuten auf 15 Minuten ausgedehnt – und zum Gutenberg-Center und auf den Lerchenberg gebe es jetzt gar keine direkte Verbindung mehr. Auch die Campuslinie, die früher bis zum Kisselberg gefahren sei, fahre jetzt nur noch bis zur Fachhochschule, direkt ins Gebiet Kisselberg führen die Busse aber erst ab dem Mittag. Tatsächlich wird die Haltestelle „Isaac-Fulda-Allee“ seit dem Fahrplanwechsel von der Linie 55 in Richtung Hauptbahnhof erst ab 12.24 Uhr und nur bis 19.27 Uhr angefahren.

Mainzelbahn Haltestelle Kisselberg kleiner - Foto gik MVG
Die Mainzelbahn rollt derzeit am Kisselberg einfach vorbei – obwohl dort eine Haltestelle ist. Und Busse dort halten – Foto: gik/MVG

 

Rollstuhlfahrer stehen gelassen, Campuslinie gekürzt

Zudem seien Rollstuhlfahrer schon öfter einfach an der Haltestelle stehen gelassen worden, weil Busse nicht kamen oder zu voll waren, um sie mitzunehmen, berichtet Zürbig. Mehrfach hätten Busse der Linie 55 den Umweg in die Isaac-Fulda-Alle ausgelassen und die Haltestelle nicht bedient. Zudem werde „nachts der Busverkehr in den Kisselberg hinein ganz eingestellt“, berichtet Zürbig weiter, „dann muss man bis zur Haltestelle Plaza fahren, da läuft man eine Viertelstunde bis hierher über offenes Feld.“

Die Haltestelle Kisselberg war von Seiten der MVG ursprünglich nur als Ersatzhaltestelle geplant, allerdings halten hier bei Heimspielen des Bundesligisten Mainz 05 zahlreiche Busse – und auch die Mainzelbahn. Das Argument, die Haltestelle sei zu gefährlich, könne deshalb doch nicht gelten, sagt Zürbig: „Die Busse halten da ja auch.“ Das übrigens täten sie auch ohne die geplante Fußgängerbrücke, die eigentlich längst schon gebaut sein sollte. Für die Studenten macht all das wenig Sinn, sie fordern, das größte Studentenwohnheim von Mainz sowie das Gewerbegebiet an die Mainzelbahn anzubinden – einfach durch Öffnung der Haltestelle Kisselberg. Zudem solle die Campuslinie wieder bis „Kisselberg“ oder „Isaac-Fulda-Allee“ verlängert werden und die Linie 55 morgens und vormittags wieder am Kisselberg halten.

Linke fordert, Kisselberg anbinden, CDU gründliche Überarbeitung des Fahrplans

Die Forderungen hat die Linke aufgegriffen und in einem Antrag für den Stadtrat gestellt. Dort heißt es, die Isaac-Fulda-Allee müsse von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr angefahren werden – und die Mainzelbahn auch an der Haltestelle Kisselberg halten. Die zusätzlich benötigte Zeit für einen Stopp am Kisselberg sei „geringfügig“  in Relation zu dem Nutzen für die Beschäftigten und die Wohnbevölkerung auf dem Kisselberg. Der Haltesteig befinde sich zudem in der Nähe einer Kurve, in der die Straßenbahnen ohnehin abbremsen müssten. Und schließlich verweist die Linke darauf, dass die MVG ihren Fahrplan von und zum Lerchenberg sowieso gerade anpassen muss – die geplanten Streckenzeiten waren einfach nicht zu halten, die Mainzelbahn fuhr mit permanenter Verspätung.

Mainzelbahn Hindemithstraße mit Wendekreis
Quietschende Gleise an der Wendeschleife auf dem Lerchenberg: Warum wurde hier keine automatische Schmieranlage eingebaut? – Foto: gik

Umfassende Änderungen fordert auch die CDU-Opposition: Der Fahrplan müsse „hinsichtlich der Taktung, der Verbindungen und der Haltestellen gründlich überarbeitet“ werden, heißt es in einem Stadtrats-Antrag, dazu müssten dringend die Ampelschaltungen verbessert werden und ein umfangreiches, neutrales Körperschallgutachten in Mainz-Bretzenheim in Auftrag gegeben werden. Dort klagen mehr als 40 Anwohner entlang der neuen Strecke über massive Probleme seit dem Start der neuen Strecke – Mainz& berichtete über wackelnde Betten, klirrende Gläser und Risse in Wänden. Die MVG hat Gutachten zugesagt, will aber ihren eigenen Mainzelbahn-Gutachter entsenden – die Anwohner hingegen fordern einen neutralen Experten.

CDU fragt nach still gelegter Wendeschleife am Hechtsheimer Schinnergraben

Die CDU warnte unterdessen, das Projekt Mainzelbahn dürfe durch die Probleme mit der neuen Strecke nicht in Misskredit geraten, der ÖPNV drohe durch ausgedünnte Buslinien zugunsten der Mainzelbahn an Attraktivität zu verlieren: Die Menschen führen nun wieder mehr Auto… In einer Anfrage im Stadtrat will die CDU denn auch wissen, warum die Mainzelbahn vor Kurzem in Bretzenheim aus den Gleisen sprang, warum keine automatische Schmieranlage in der Wendeschleife auf dem Lerchenberg eingebaut wurde und wie lange noch Weichen per Hand verstellt werden müssten – wie etwa an der Saarstraße.

Zudem fragt die CDU, wo laut Planung Rasen- und Flüstergleise hätten eingebaut werden sollen, wo inzwischen elastische Gleis-Tragplatten eingesetzt wurden und wieviele noch fehlten. Und auf noch ein Problem macht die Opposition aufmerksam: Im Hechtsheimer Ortskern wurde die Wendeschleife am Schinnergraben einfach still gelegt, die Bahnen halten nun davor, die Passagiere müssen auf unebenem Boden aussteigen. Warum die Wendeschleife still gelegt wurde und wann hier eine Instandsetzung stattfindet, möchte die CDU nun ebenfalls wissen.

MVG meldet Fahrgastrekord: schon 17.000 Fahrgäste auf der Mainzelbahn

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Rappelvolle Mainzelbahnen gibt’s nicht nur hier bei der Eröffnung: Die MVG meldet ersten Fahrgastrekord – Foto: gik

Die MVG meldete unterdessen einen Tag vor der Stadtratssitzung einen Fahrgastrekord für die Mainzelbahn: An einem durchschnittlichen Werktag hätten im Januar mehr als 17.000 Fahrgäste eine der Straßenbahnen auf dem Weg vom oder zum Lerchenberg genutzt. „Damit kann die Mainzelbahn-Strecke bereits im zweiten Monat ihres Betriebs die eigentlich erst für Ende 2018 avisierten Fahrgastzahlen auf der neuen Strecke klar übertreffen“, freute sich MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof. Das sei „umso bemerkenswerter“, da man sich noch „in der Anlaufzeit“ befinde, er sei sich deshalb sicher, „dass die Mainzelbahn ihr volles Potential und ihre starke Attraktivität für die Fahrgäste in den nächsten Monaten noch weiter steigern wird, wenn die Anfangsschwierigkeiten im Fahrablauf und bei der Pünktlichkeit komplett beseitigt sind.“

Laut MVG gab es dabei rund 2.600 Ein- und Aussteiger auf dem Lerchenberg, 1.700 Ein- und Aussteiger in Marienborn sowie rund 4.800 Ein- und Aussteiger an den Bretzenheimer Haltestellen. Das zeige, dass die Bahn in den Stadtteilen sehr gut angenommen werde, betonte Erlhof, die Mainzelbahn also keinesfalls nur eine Straßenbahnverbindung von der Innenstadt zur Universität sei. Etwa 5.000 Fahrgäste hätten laut der Statistik zudem die Mainzelbahn für eine Fahrt zwischen den drei Stadtteilen oder bis zu einer der Hochschulen genutzt, das zeige, dass der Binnenverkehr in und zwischen den Stadtteilen beispielsweise zum Einkaufen oder zu den Schulen sehr hoch sei.

Visualisierung MVG Mainzelbahn in der Marienborner Straße
Schöne, neue, heile Mainzelbahnwelt? Noch nicht ganz…. – Foto: gik

Kommentar& auf Mainz&: Die Passagierzahlen für die Mainzelbahn sind stark, aber keineswegs überraschend: Es war klar, dass die Bahn eine hohe Attraktivität haben würde. So hoch ist die, dass die ersten Leser auf Mainz& schon über komplett überfüllte Bahnen zwischen Hauptbahnhof und Universität klagen. Doch die Jubelmeldungen, so verständlich sie sind, sind auch mit Vorsicht zu genießen: Die handfesten Beschwerden über die Ausdünnung des Busnetzes häufen sich seit Jahresbeginn – und sie kommen aus allen Stadtteilen. Ebersheim, Altstadt, Gonsenheim und Finthen, jetzt auch noch der Kisselberg: Ganze Gebiete einfach abzuhängen, das kann nun wirklich nicht der Sinn der neuen Mainzelbahn gewesen sein. Und dem größten Studentenwohnheim von Mainz mit knapp 800 Bewohnern nachts den Busverkehr zu kappen und tagsüber die Bahn vor dem Fenster vorbei fahren zu lassen, aber ohne Halt? Soll das ÖPNV im Jahr 2017 sein?

Abwiegeln und Schönreden? Da sagt der Bürger „Vielen Dank auch“

Gerade in Bretzenheim haben sich die Busverbindungen mit der Streichung der Linie 6 so massiv verschlechtert, dass vielen Bretzenheimern gar nichts anderes übrig bleibt, als die Mainzelbahn zu nehmen. Und noch immer klagen MVG-Nutzer und Bretzenheimer Anwohner, Antwort, nein Antwort bekomme man von der MVG nicht. Da droht gerade ein zentral wichtiges Unternehmen, viel Kredit zu verspielen – ein gefährliches Spiel in Zeiten, in denen Städten Dieselfahrverbote wegen zu hoher Abgaswerte drohen. Die Mainzelbahn droht nicht, Schaden zu nehmen, weil Leute „meckern“ – sie droht Schaden zu nehmen, weil Gleise quietschen, Bahnen rumpeln und sehr viele Menschen erheblich schlechtere Busverbindungen haben als vorher. So schafft man Verdruss – und fördert den Autoverkehr.

Die Stadtpolitik droht dabei übrigens gleich mit Schaden zu nehmen, höchste Zeit, dass sich SPD, Grüne und FDP von wachsweichen Solidaritätsbekundungen zur Mainzelbahn verabschieden – und endlich Klartext reden: Die Mainzelbahn hat einen Start mit Problemen, der Fahrplan gravierende Mängel. Beschwichtigungen und Schönreden werden da nicht weiterhelfen – so zeigt man Menschen, dass man sie nicht ernst nimmt. Jetzt muss gehandelt werden, müssen Infos auf den Tisch: Wann werden Mängel behoben, wo wird nachgebessert, wem wird wie geholfen. Dann klappt’s auch mit den Nachbarn der Mainzelbahn – und wir können uns uneingeschränkt über hohe Nutzerzahlen freuen.

Tipp: Schreibt der MVG!

Info& auf Mainz&: Die MVG bietet übrigens jedem an, der ein Problem mit dem neuen Fahrplan hat, ihm werde persönlich geholfen. Also: Meldet Euch bitte bei der MVG direkt! Einen direkten Button gibt es auf der MVG-Internetseite leider nicht, die Mobilitätsberatung erreicht Ihr aber per Telefon unter 06131 – 12 77 77 (und zwar 24 Stunden lang!) oder per Email unter verkehrscenter@mvg-Mainz.de. Oder Ihr hinterlasst Kommentare oder Beschwerde auf der MVG-Facebookseite. Aber bitte: tut es auch! Schreibt der MVG! Wir als Presse bekommen nämlich immer nur zu hören: „Also bei uns hat sich deswegen noch niemand gemeldet.“ Ihr könnt das ändern 😉

 

 

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