Mitten im grauen November mit seinem Teil-Lockdown wirft das Mainzer Pharmaunternehmen BioNTech einen hell leuchtenden Hoffnungsstrahl in die Corona-Pandemie: Der vom Mainzer Unternehmen maßgeblich mit entwickelte Impfstoff gegen das Coronavirus habe einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor einer COVID-19 Erkrankung gezeigt, teilte das Unternehmen am Montag mit. Damit wäre der neue Impfstoff deutlich wirksamer als alle Grippe-Impfstoffe bisher, ein Impfschutz könne 28 Tage nach der Impfung erreicht werden, heißt es weiter. BioNTech rechnet damit, noch im November eine Notzulassung beantragen zu können. Das könnte der Durchbruch im Kampf gegen die Corona-Pandemie sein.

Ein Corona-Impfstoff rückt in großen Schritten näher. - Foto: Bundesgesundheitsministerium
Ein Corona-Impfstoff rückt in großen Schritten näher. – Foto: Bundesgesundheitsministerium

Der Kampf gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 läuft auf Hochtouren, weltweit wird derzeit an rund 200 Impfstoffen gegen das neue Virus geforscht – eine beispiellose Kraftanstrengung von Medizin und Pharmaindustrie. Ganz weit vorne dabei: das Mainzer Unternehmen BioNTech. Schon im Januar stellte dessen Chef Ugur Sahin in seiner Firma die Weichen für die Entwicklung eines Impfstoffs, BioNTech hat durch seine Krebsforschung besonders gute Voraussetzungen dazu. Konsequenterweise war BioNTech auch die erste Firma in Deutschland, die eine Impfstoffstudie mit Patienten in Sachen Covid-19 anmeldete und genehmigt bekam – das war im April 2020.

Am 27. Juli wurde der erste Patient mit dem Impfstoff behandelt, seither wurden weltweit an mehreren Standorten 43.538 Probanden in die Studie eingeschlossen. BioNTech arbeitet mit dem US-Pharmakonzern Pfizer zusammen, der auch bei der Produktion des Impfstoffs sowie vor allem beim weltweiten Vertrieb helfen soll. Bereits im September zeigte sich Sahin optimistisch, was die Entwicklung anging: Der Impfstoff sei „gut verträglich“ und in der Lage, die Bildung von spezifischen Antikörpern und für die Immunabwehr wichtigen T-Zellen zu generieren. Man rechne damit, den Impfstoff noch in diesem Jahr beantragen und gemeinsam mit Pfizer bis zu 100 Millionen Dosen zu produzieren und im Genehmigungsfall auch auszuliefern – BioNTech kaufte dafür eigens ein zusätzliches Werk in Marburg.

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Durchbruch in der Impfstoffforschung: BioNTech meldet hochwirksamen Corona-Impfstoff. - Foto: Biontech
Durchbruch in der Impfstoffforschung: BioNTech meldet hochwirksamen Corona-Impfstoff. – Foto: Biontech

Am Montag dann der Paukenschlag: Man erwarte in der dritten Novemberwoche das Erreichen eines „Meilensteins“ bei der Erprobung des Impfstoffs – gelinge das, werde man umgehend bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eine Notzulassung beantragen. Der Impfstoffkandidat BNT162b2 habe einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor einer COVID-19 Erkrankung gezeigt, es seien keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet worden. Die Daten basieren den Angaben zufolge auf der ersten Zwischenanalyse, die von einem externen, unabhängigen Data Monitoring Committee (DMC) am 8. November 2020 im Rahmen der laufenden Phase-3-Studie durchgeführt wurde.

Es könnte nichts weniger als der Durchbruch im Kampf gegen die Corona-Pandemie sein, die Ergebnisse sind in mehrere Hinsicht bemerkenswert: BioNTech testet den Impfstoff derzeit in der Phase 3, damit wird das Präparat auf Herz und Nieren an realen Patienten geprüft – der große Unterschied zum russischen Impfstoff, der nur in zwei Phasen, nicht aber in der wichtigen Phase 3 an Patienten erprobt wurde. Bei BioNTech und Pfizer wurde die Evaluation durch die amerikanischen Behörden nun auf der Grundlage einer auswertbare Fallzahl von 94 Fällen durchgeführt.

Das Mainzer Pharmaunternehmen BionTech könnte das rennen um den Corona-Impfstoff gewinnen. - Foto: gik
Das Mainzer Pharmaunternehmen BionTech könnte das rennen um den Corona-Impfstoff gewinnen. – Foto: gik

Das Ergebnis: Ein Impfschutz gegen eine Covid-19-Erkrankung wurde nach 28 Tagen erreicht, die Daten der Patienten der Impfgruppe wiesen nach der zweiten Dosis auf eine Impfstoff-Wirksamkeitsrate von über 90 Prozent hin. Damit wäre der Corona-Impfstoff von BioNTech erheblich wirksamer als jeder bisher angewandte Grippe-Impfstoff: Die Influenzaimpfung kommt laut Robert-Koch-Institut auf eine Wirksamkeit von maximal 80 Prozent, bei älteren Erwachsenen beträgt sie gar nur 41 bis 63 Prozent. Im Winter 2018-2019, als es besonders viele Influenzatote gab, hatte der Grippeimpfstoff gar nur eine Wirksamkeit von 21 Prozent.

Auch muss man sich gegen die echte Influenzagrippe jedes Jahr neu impfen, weil jedes Jahr andere Virenstämme akut werden – so dürfte das bei Covid-19 auch werden: Die Wirksamkeit ihres Impfstoffs schätzt BioNTech auf etwa ein Jahr, dann müsste die Impfung wiederholt werden. BioNTech entwickelt dabei einen Impfstoff auf neuartige Weise, der nicht – wie bei anderen Impfungen – darauf setzt, den Körper mit dem Virus selbst zu infizieren, um so eine Immunabwehrreaktion hervorzurufen.

Der Corona-Impfstoff von BioNTech setzt an den Krönchen des Coronavirus an. - Foto: Wikipedia
Der Corona-Impfstoff von BioNTech setzt an den Krönchen des Coronavirus an. – Foto: Wikipedia

Bei BioNTech handelt es sich um einen sogenannten RNA-Impfstoff, den menschlichen Zellen wird dabei eine Art Bauplan zur Bildung eines Abwehrproteins eingeimpft. Erregerbestandteil sind in diesem Fall die Krönchen-artigen Erweiterungen des Coronavirus-Erregers, die dem Virus seinen Namen – „Corona“ – gegeben haben. Dank des Bauplans des Impfstoffs baut der Körper die Krönchen nach und lernt so den Erreger erkennen und bekämpfen: Es wird eine schützende Immunantwort gegen den Erreger aufgebaut, die im Falle einer Infektion die Erkrankung verhindert oder ihren Verlauf zumindest abmildert.

Der Impfstoff wird in zwei Dosen verabreicht, bis zum 8. November hätten bereits 38.955 der Probanden die zweite Dosis erhalten, teilte das Unternehmen weiter mit.  Die Studie werde weitere Probanden einschließen und wie geplant fortgesetzt, bis insgesamt 164 bestätigte COVID-19-Fälle aufgetreten seien. Auch werde weiter das Potenzial des Impfstoffkandidaten untersucht, solche Personen zu schützen, die bereits mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind. Weiterer Teil der Forschung ist zu ergründen, ob der Impfstoff auch vor einem schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung schützen kann. Der Langzeitimpfschutz sowie die Sicherheit in allen Studienteilnehmern nach der zweiten Impfung werde noch über die folgenden zwei Jahre überwacht.

Die Erprobung der Corona-Impfung läuft auf Hochtouren. – Foto: Thinkstock/obs/BKK Mobil Oil/Sven Hoppe

„Die erste Zwischenanalyse unserer globalen Phase-3-Studie weist darauf hin, dass ein Impfstoff COVID-19 verhindern kann“, betonte Ugur Sahin, und genau das hätten er und sein Team zu Beginn der Reise vor zehn Monaten erreichen wollen: „Dies ist ein Sieg für die Innovation, Wissenschaft und weltweite Zusammenarbeit.“ Gerade jetzt, wo sich „alle mitten in einer zweiten Welle befinden und viele von uns im Lockdown sind, wird dieser Meilenstein für uns umso bedeutsamer auf unserem Weg zur möglichen Adressierung dieser Pandemie und Rückkehr zur Normalität“, betonte Sahin. Die abschließende Analyse werde erfolgen, wenn insgesamt 164 bestätigte COVID-19-Fälle aufgetreten seien – dann planen BioNTech und Pfizer, eine erste Notzulassung zu beantragen.

„Heute ist ein ganz besonderer Tag für die Wissenschaft und die Menschheit“, sagte denn auch Pfizer-Chairman Albert Bourla: „Wir erreichen diesen wichtigen Meilenstein in unserem Impfstoffprogramm zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt einen Impfstoff am dringendsten braucht, mit Infektionszahlen, die neue Höchststände erreichen, Krankenhäuser, die an Kapazitätsgrenzen stoßen und der Wirtschaft, die sich bemüht, wieder zu öffnen.“ Mit der heutigen Ankündigung komme man dem Ziel näher, die globale Gesundheitskrise zu beenden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Impfstoff "ermutigendes Signal". - Foto: gik
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Impfstoff „ermutigendes Signal“. – Foto: gik

Passenderweise veröffentlichte just am Montag die Ständige Impfkommission des Bundes ihre Empfehlungen für eine nationale Impfstrategie in Sachen Corona. Danach sollten zuerst ältere Menschen und andere Risikogruppen sowie Beschäftigte im Gesundheitswesen geimpft werden, auch Beschäftigte in „Schlüsselpositionen“ wie Polizei, bei Gesundheitsämtern und an Schulen sollten dazu gehören, heißt es in dem Positionspapier, das gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina erarbeitet wurde – wir zitieren hier aus dem Bericht von Tagesschau.de. Eine allgemeine Impfpflicht soll es aber nicht geben. Laut Bundesgesundheitsministerium gehören in Deutschland bis zu 40 Prozent der Menschen in Deutschland in der Corona-Krise zur Risikogruppe, entweder weil sie älter sind, oder weil sie Vorerkrankungen haben.

Virologen betonten am Montag, ein wirksamer Schutz gegen die Corona-Pandemie wäre schon in der Bevölkerung gegeben, wenn 60 Prozent der Menschen entweder geimpft wären oder schon Immunität entwickelt haben, weil sie die Krankheit bereits durchgemacht haben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lobte die Vorschläge, der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, die Ergebnisse könne man „ohne Übertreibung einen Durchbruch nennen.“ Er habe „nie daran gezweifelt, dass uns Impfungen gelingen werden“, betonte Lauterbach auf seinem Facebook-Profil, „jetzt muss man hoffen, dass auch sehr schwere Verläufe verhindert werden“ könnten – das gäben die Daten der Probanden bislang noch nicht her.

Übersicht über die Kernpunkte einer nationalen Impfstoffstrategie im ZDF. - Quelle: ZDF
Übersicht über die Kernpunkte einer nationalen Impfstoffstrategie im ZDF. – Quelle: ZDF

Spahn warnte zudem im ZDF am Abend vor zu hohen Erwartungen: Der Prozess sei noch nicht abgeschlossen, die Studien noch nicht fertig – es könne auch noch jetzt zu Rückschlägen kommen. Das ändere aber nichts daran, dass dies ein „sehr ermutigender und zuversichtlich“ machender Tag sei: „Wir werden – Stand heute – so schnell einen Impfstoff haben bei einem neuen Virus wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte“, betonte Spahn. Es mache ohne auch „ein Stück stolz zu sehen“, dass dabei ein deutsches Unternehmen so weit vorne mitspiele. Jetzt gelte es erst einmal, „gemeinsam die Infektionszahlen runterbringen, aufeinander aufpassen, das Gesundheitswesen vor der Überlastung schützen und dann gemeinsam durch den Winter“, sagte Spahn. Die Hoffnung auf den neuen Impfstoff ist dabei durchaus hilfreich.

Info& auf Mainz&: Mehr zu BioNTech und der Entwicklung des neuen Impfstoffs haben wir schon hier bei Mainz& berichtet. Das Interview mit Jens Spahn im Heutejournal könnt Ihr Euch selbst hier ansehen und nachlesen. Pfizer und BioNTech haben ihr aktualisiertes Studienprotokoll veröffentlicht, Ihr könnt es Euch unter diesem Link im Internet selbst ansehen.

 

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