Der Drususstein auf der Mainzer Zitadelle war ein Ehrengrabmal für den in Mainz verstorbenen römischen Feldherren Drusus – das galt als sichere Erkenntnis der Wissenschaft. Doch nun wartet Landesarchäologin Marion Witteyer mit einer faustdicken Überraschung auf: Der Drususstein sei womöglich gar kein Ehrengrabmal für den Feldherren gewesen – sondern vielleicht eher eine Siegessäule zum Triumph über die Germanen. Die neuen Erkenntnisse gewannen die Archäologen bei den Sanierungsgrabungen rund um den Drususstein, eine Entwertung für das antike Denkmal wäre das nicht: Das 20 Meter hohe Steinmal wäre dann womöglich noch bedeutender.

Der Drususstein auf der Mainzer Zitadelle: Ehrengrabmal für den Feldherren oder Siegessäule über die Germanen? - Foto: gik
Der Drususstein auf der Mainzer Zitadelle: Ehrengrabmal für den Feldherren oder Siegessäule über die Germanen? – Foto: gik

Die Entdeckungsreise begann im Jahr 2018: Damals gab die Stadt Mainz den Startschuss für eine Aufwertung des Drusussteins samt seines Umfelds auf der Zitadelle. Der Drususstein sollte besser freigelegt werden, davor ein kleiner Platz entstehen, der das antike Grabmal besser erlebbar macht. Dafür sollte dann auch ein Teil der Böschung neben dem Denkmal entfernt und die Fundamente erforscht werden – 4,50 Meter wollte man in die Tiefe graben, so die Pläne damals. Doch die Arbeiten zogen sich hin, der Drussustein drohte zeitweise gar zum schiefen Turm zu werden, denn die Archäologen gruben tiefer und tiefer.

Fünf Meter tief legten die Archäologen am Ende die Fundamente frei – und was sie dabei fanden, warf immer mehr Rätsel auf: „Wir können nicht erklären, warum das Denkmal so weit in den Boden reicht“, sagte Landesarchäologin Marion Witteyer nun bei der Vorstellung der Ergebnisse, doch das war es nicht allein: Erstmals wurde auch eine vollständige Schadenskartierung des Denkmals durchgeführt, und die ließ die Experten staunen. Da fanden sich Quadersteine im Sockel, Sandsteine in der Fassade, die nicht aus der Antike stammen konnten – und eine dicke Mörtelschicht im Sockelbereich.

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Präsentierte überraschende neue Erkenntnisse zum Drususstein: Landesarchäologin Marion Witteyer. - Foto:; gik
Präsentierte überraschende neue Erkenntnisse zum Drususstein: Landesarchäologin Marion Witteyer. – Foto:; gik

„Der Drususstein ist seit der Antike zu sehen, man müsste meinen, man weiß alles über ihn – aber das ist nicht so“, sagte Witteyer. Denn tatsächlich können die Experten den Drussusstein bis heute weder richtig datieren, noch eindeutig zuordnen. Etwa 20 Meter hoch ragt das Steinmonument am Rande der Mainzer Zitadelle in die Höhe, etwas versteckt hinter dem Stadthistorischen Museum. Errichtet wurde er irgendwann im 1. Jahrhundert nach Christus – so viel glaubte man jedenfalls bisher zu wissen.

Im Jahr 13 vor Christus gründete der Feldherr Drusus, Stiefsohn des römischen Kaisers Augustus, gegenüber der Mainmündung am Rhein ein Kastell gründete – Mogontiacum, das heutige Mainz. Die Stadt und das Feldlager wurden schnell zu einer der bedeutendsten Siedlungen der Römer am Rhein, von hier aus startete Drusus zur Eroberung der germanischen Gebiete auf der rechten Rheinseite – und stürzte dabei im Jahr 9 vor Christus vom Pferd. Drusus starb an den Folgen des Unfalls, begraben werden musste er als Mitglied der Kaiserfamilie in Rom, in Mainz aber wurde Drusus irgendwann nach seinem Tod ein monumentales Ehrengrab auf dem Hügel oberhalb der Stadt errichtet, an dem fortan jährlich Feiern zu Ehren des Feldherrn stattfanden – so jedenfalls nahm es die Wissenschaft bisher an.

Neue Rätsel rund um den Drususstein: War es ein Ehrengrabmal - oder doch etwas anderes? - Foto: gik
Neue Rätsel rund um den Drususstein: War es ein Ehrengrabmal – oder doch etwas anderes? – Foto: gik

Das Problem an dieser Deutung: Es gibt kaum Belege dafür. Der Drususstein präsentiert dem Beobachter heute nur seine rudimentären Innenmauern, die einstige prachtvolle Verkleidung, die Ummantelung mit Marmor und glatten Steinen samt Zierabsätzen und schmückendem Beiwerk, all das ist schon seit dem Mittelalter verloren. Vor allem aber fand sich nie eine Inschrift an dem Bauwerk, die seinen Zweck eindeutig zugeordnete hätte. „Die Überlieferung spricht von ‚Tumulus'“, eröffnete Witteyer nun überraschend, in den Quellen sei also von einem „Hügel“ die Rede – und keineswegs von einem Monument oder Ehrengrabmal. Es spreche zwar „aus vielen Gründen alles dafür, dass es sich hier um ein Ehrengrab von Drusus handelt“, es gebe aber auch noch eine andere Deutung.

„Es gibt noch einen Bautyp, der dazu passt: ein Siegesmonument“, sagte Witteyer – der Drussusstein wäre dann eigentlich ein Staatsmonument gewesen, mit dem die Römer den Sieg über die unterworfenen Germanen feierten. Vergleichbare Monumente habe es im Alpenraum gegeben, sagte Witteyer weiter. Unlogisch wäre das nicht: Vor dem Bau der Mainzer Zitadelle ragte der damals bis zu 30 Meter hohe Drussusstein auf der Anhöhe über Mainz wie ein Fingerzeig in den Himmel, weithin sichtbar, gerade auch von der rechten Rheinseite.

Römische Münze aus dem 3. Jahrhundert, gefunden am Drususstein. - Foto: gik
Römische Münze aus dem 3. Jahrhundert, gefunden am Drususstein. – Foto: gik

„Das Mysterium dieses Monuments ist nicht gelöst“, betonte die Expertin deshalb nun, auch die Deutung als Drususstein sei „nicht vom Tisch.“ Die entscheidende Rolle spiele nun die genaue Datierung des Steindenkmals, und dafür sollen nun Steine und Fassade sowie weitere Fundstücke weiter intensiv untersucht werden. In den Erdschichten um das Denkmal herum fanden die Ausgräber ganz unten zwei antike römische Münzen aus dem dritten Jahrhundert nach Christus. „Wir haben gerätselt: kann das eine original römische Schicht sein“, berichtete Witteyer weiter, das sei allerdings unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher sei, dass die beiden Münzen durch umgelagertes Baumaterial an die Stelle gelangten – doch wann genau wurde denn nun das Denkmal errichtet? „Wir scannen Mörtelbrocken für Mörtelbrocken“, sagte Witteyer, die Archäologen hoffen vor allem darauf, Holzkohlereste an den alten Mauern zu finden, die eine eindeutige Datierung zulassen würden. Bislang ist das nicht geglückt, Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) sicherte indes den Forschern zu: „Wir nehmen uns alle Zeit, die wir brauchen.“ Rund 1,6 Millionen Euro hat die Konservierung und Erforschung bislang schon gekostet, auch die Gestaltung des Umfelds wird weiter geplant – doch erst sollen die Forschungsarbeiten abgeschlossen werden.

So sollte der Drususstein ursprünglich teilweise rekonstruiert werden. - Skizze: Stadt Mainz, Foto: gik
So sollte der Drususstein ursprünglich teilweise rekonstruiert werden. – Skizze: Stadt Mainz, Foto: gik

Eine „Abwertung“ des römischen Denkmals wäre die Neudeutung als Siegessäule indes in jedem Fall nicht, betonte Witteyer noch: „Wenn es kein Ehrenmal ist, dann stehen wir vor einer noch wichtigeren Entdeckung“, sagte sie. Das Steindenkmal bleibe das größte Monument in Form eines Grabbaus oder Siegesdenkmals nördlich der Alpen. Und auch als Siegessäule wäre der Drususstein „ein imperiales Monument, das Mainz direkt mit der Zentrale in Rom verbindet.“

Info& auf Mainz&: Wenn Ihr heute, am Tag des Offenen Denkmals, am Drussusstein vorbei kommt, könnt Ihr das antike Grabmal ja mit ganz neuen Augen betrachten – am Römischen Theater findet Ihr zudem Experten des römischen Mainz zu Führungen, dort wird sicher über das Thema ebenfalls debattiert. Mehr zu dem Mainzer Programm des Denkmalstages am Theater und an der Zitadelle findet Ihr hier im Internet. Mehr zur Erforschung des Drusussteins könnt Ihr auch hier bei Mainz& nachlesen.

 

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