Die Grünen ziehen mit einem Mann in den OB-Wahlkampf in Mainz: Christian Viering, 38 Jahre alt und Betriebsrat bei Boehringer Ingelheim, soll für die Grünen den Amtssessel im Mainzer Rathaus erobern. Viering wurde in Kirn an der Nahe geboren und war zehn Jahre lang Mitglied im Mainzer Stadtrat sowie fünf Jahre lang Kreischef der Mainzer Grünen. Als seine wichtigsten Ziele nannte Viering bei seiner Vorstellung eine soziale Politik für die Schwächsten sowie die Bekämpfung des Klimawandels.
Damit treten nun gleich fünf Kandidaten für die Neuwahl des Oberbürgermeisters am 12. Februar 2023 an. Die Neuwahl wird nötig, weil der bisherige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am 13. Oktober überraschend zum Innenminister von Rheinland-Pfalz ernannt wurde – als Nachfolger des wegen des Miss-Managements der Flutkatastrophe im Ahrtal zurückgetretenen Innenministers Roger Lewentz (SPD).
Seither hat in Mainz eine eifrige – und recht hektische – Suche nach Kandidaten für den wichtigsten OB-Sessel von Rheinland-Pfalz begonnen, als erste nominierte die CDU-Opposition ihre Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). Nur einen Tag später gab der parteilose Nino Haase seine Kandidatur bekannt – Haase steigt damit zum zweiten Mal nach 2019 ins Rennen um die Mainzer OB-Wahl ein. Die SPD tat sich deutlich schwerer und nominierte schließlich vergangenen Dienstag ihre Mainzer Kreischefin Mareike von Jungenfeld.
Am Freitag dann präsentierte auch noch der kleinste Ampel-Koalitionspartner, die FDP, mit Marc Engelmann einen eigenen OB-Kandidaten – am Samstag nun folgten die Grünen. Die größte Fraktion im Mainzer Stadtrat hatte sich die meiste Zeit gelassen: Gut zwei Wochen brauchten die Grünen, um einen geeigneten Kandidaten zu finden, nachdem unter anderem Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne) abgesagt hatte.
„Wir haben in den vergangenen vierzehn Tagen intensiv beraten“, räumte Kreischef Jonas König ein, schließlich sei das eine Frage, „wer das Amt übernehmen kann, und wer es möchte – und ich bin froh, dass Christian Viering es will.“ Nun ziehen ausgerechnet die Grünen mit einem Mann in den OB-Wahlkampf, der gelernte Chemiekant arbeitete mehrere Jahre im Wechselschicht-Betrieb und ist seit 2014 freigestellter Betriebsrat beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim.
Zehn Jahre Stadtrat, vier Jahre Kreischef
Viering ist seit 2007 Mitglied der Grünen, von 2009 bis 2019 war er Mitglied des Mainzer Stadtrats, immerhin zehn Jahre lang, darunter drei Jahre als Fraktionsvize. Von 2017 bis 2021 war er Kreisvorsitzender der Grünen in Mainz, seither war es allerdings still um den Grüne geworden, dem nachgesagt wird, dass er 2021 gerne für den Bundestag kandidiert hätte. „Du bist das Gesicht der Grünen in Mainz gewesen“, schwärmte König von seinem Vorgänger: Viering habe eine ganze Serie erfolgreicher grüner Wahlkämpfe in der Landeshauptstadt organisiert, nun werde die Partei für ihn kämpfen.
Tatsächlich haben sich die Grünen in Mainz in den vergangenen Jahren ein erhebliches Wählerpotenzial aufgebaut: Zwei Mal seien die Grünen bei den vergangenen Kommunalwahlen in Mainz stärkste Kraft geworden, zwei Ortsvorsteher-Posten habe man errungen, in Mainz das erste Direktmandat der Partei bei einer Landtagswahl in Rheinland-Pfalz geholt, zählte Integrationsministerin Katharina Binz auf: „Das ist auch das Verdienst von Christian Viering.“
Betriebsrat bei Boehringer Ingelheim
Viering sei einfach der richtige Kandidat „für die Zeit, die Mainzer Grünen und für Mainz“, betonte Binz weiter, die bei eben jener Landtagswahl als erste das Direktmandat holte. Der 38-Jährige bringe „wahnsinnig viel politische Erfahrung mit“, habe alle drei Koalitionsverträge der Grünen in Mainz mit verhandelt. Zudem wisse er als Betriebsrat „, wie es ist, Interessen zu vertreten, Organisationen zu strukturieren und Personal zu führen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, betonte Binz weiter – ein Unternehmen oder gar eine größere Verwaltung hat aber auch Vierung bisher nicht geleitet.
„Ich kenne es, in unterschiedlichen Welten unterwegs zu sein“, sagte Viering bei seiner Vorstellung selbst: Vom Chemiebetrieb in den Stadtrat zu pendeln, das seien oft zwei völlig verschiedenen Welten gewesen. „Es gibt zwei Themen, die mir die wichtigsten sein werden“, kündigte er denn auch an: „Das ist die soziale Frage in dieser Stadt – und wie gehen wir mit der Voraussetzung des Klimawandels um.“
Derzeit hätten viele Menschen in Mainz Angst vor einem sozialen Abstieg, vor einer Verdopplung des Gaspreises, stünden vor „existenziellen, Existenz bedrohenden Fragen“, sagte Viering. Er wolle diesen Menschen zuhören, mit Mitarbeitern und Kunden der „Tafeln“ reden und „ihnen das Gefühl geben, Ihr werdet gesehen.“ Eine Stadtgesellschaft „kann nur dann stark sein, wenn wir die Schwächsten in unserer Stadt nicht zurück lassen“, betonte er. Auch die Beteiligung von Migranten wolle er in Zukunft mehr stärken.
Sein zweites großes Thema aber werde der Klimaschutz sein, hier müsse Mainz „ein paar Gänge zulegen“, kündigte Viering an: „Wir müssen endlich die Stadt nach der Frage ausrichten: wie können wir diese Stadt erhalten, so liebenswert und lebenswert, wie sie ist.“ Er wolle mehr Grün in den Betonschluchten der Innenstadt, die Themen Fassadenbegrünung und Dachbegrünung angehen.
Als weitere Themen nannte Viering, die Verwaltung zu einer „guten Dienstleistungsverwaltung“ für Mainz zu machen, eine bessere Besoldung für Erzieherinnen sowie uneingeschränkten Einsatz für Toleranz und Demokratie und gegen jede Hass und Hetze von Rechts. Die Verwaltung einer Großstadt wie Mainz mit ihren 4.000 Mitarbeitern sei „eine Mammutaufgabe“, räumte Viering zudem ein, auch er habe sich gefragt: „Kann der das?“ Er sehe sich aber aus seiner Arbeit als Betriebsrat gut gerüstet, denn auch dort habe er „täglich mit der Anpassung großer Organisationen“ und mit der Mitnahme der Menschen bei diesen Prozessen zu tun.“
„Christian Viering ist ein Brückenbauer“, lobte Binz zudem, „er kann egal mit welchen Menschen umgehen, sie überzeugen und begeistern.“ Gerade mit seiner Vita aus der Arbeiterschaft sei er „einfach der richtige Mann an der richtigen Stelle.“ Viering, der mit seiner Frau Catrin Müller und zwei Foxterriern in der Mainzer Neustadt lebt, und als Fanbeauftragter beim Fußball-Bundesligisten Mainz 05 im Aufsichtsrat sitzt, „steht für die Geselligkeit und die Offenheit, die diese Stadt ausmacht“, fügte Binz hinzu.
Der 38-Jährige wurde vom Kreisvorstand sowie der Stadtratsfraktion der Mainzer Grünen am Freitagabend einstimmig nominiert und muss nun noch von einer Mitgliederversammlung der Grünen formell aufgestellt werden – das soll am 19. November geschehen. Der erste Wahlgang bei der OB-Wahl für Mainz soll dann am 12. Februar 2023 stattfinden, Viering dürfte bislang den meisten Mainzer unbekannt sein – viel Zeit, sich bekannt zu machen, hat also auch er nicht. Bei gleich fünf Kandidaten wäre alles andere als ein zweiter Wahlgang eine dicke Überraschung: Die Stichwahl ist für den 5. März 2023 angesetzt – eine Woche nach Fastnacht.
Info& auf Mainz&: Alles zur OB-Wahl in Mainz, alle (bisherigen) Kandidaten, Themen und Entwicklungen findet Ihr ab sofort in unserem Mainz&-Dossier zur OB-Wahl, genau hier.