Das Mainzer Gutenberg-Museum soll bleiben, wo es ist: Das in die Jahre gekommene Weltmuseum der Druckkunst soll an seinem jetzigen Standort bleiben, aber einen Neubau bekommen – und eine neue Trägerschaft. Das beschloss die vor zwei Jahren eingesetzte Arbeitswerkstatt Gutenberg-Museum. Der Beschluss sei der Auftakt zu einem echten Neustart für das Museum, betonte die Teilnehmerrunde einhellig, das Motto sei nun: „Neues wagen am alten Standort.“

Gutenberg bleibt am Dom: Das Gutenberg-Museum soll einen Neubau am alten Standort bekommen. - Foto: gik
Gutenberg bleibt am Dom: Das Gutenberg-Museum soll einen Neubau am alten Standort bekommen. – Foto: gik

Der Streit um einen Neubau am alten Gutenberg-Museum hatte vor zwei Jahren die Stadt beinahe zerrissen: Ein Bibelturm sollte das in die Jahre gekommene Museum am alten Standort aufwerten und erweitern, so wollte es die Stadt unter der Führung von Kultur- und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) – die Mainzer lehnten das im April 2018 mit der klaren Mehrheit von 77,3 Prozent ab. In dem historischen Bürgerentscheid wurden gleich mehrere Dinge deutlich: Die Ablehnung eines von oben aufgesetzten Projektes, dessen Konzept und Finanzierung bis zum Schluss unklar blieben – und die hohe Identifikation der Mainzer mit dem Gutenberg-Museum.

Der Konsens der Debatte war denn auch schon damals deutlich sichtbar: Die Mainzer wollen ein neues, modernes Gutenberg-Museum als echtes Aushängeschild der Stadt. Doch das Gebäude am Liebfrauenplatz ist stark marode, das Gelände direkt am Mainzer Dom eng und nur begrenzt erweiterbar. Die Arbeitswerkstatt beschäftigte sich deshalb in ihren insgesamt 19 Sitzungen vorrangig mit der Suche nach einem geeigneten Standort, 23 Flächen und Orte in Mainz wurden unter die Lupe genommen und teils intensiv auf eine Eignung abgeklopft. Am Ende blieben zwei Standorte im engeren Rennen: der heutige Platz und das Allianzhaus an der Großen Bleiche.

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Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt zum Gutenberg-Museum. - Foto: gik
Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt zum Gutenberg-Museum. – Foto: gik

Am Freitag stellte die Arbeitswerkstatt nun das Ergebnis ihrer zweijährigen Tätigkeit vor: Man empfehle dem Mainzer Stadtrat, das Gutenberg-Museum am alten Standort durch einen Neubau weiter zu entwickeln, so das mehrheitliche Votum der Arbeitswerkstatt. „Ja, der Schellbau wird abgerissen und es wird einen Neubau geben, so ist die Empfehlung an die Gremien“, sagte Kulturdezernentin Grosse am Freitag bei der Vorstellung der Ergebnisse. Grundlage dafür solle eine Kostenprognose von 71 Millionen Euro für einen Neubau sein, die bereits vorhandenen fünf Millionen Euro sollten als Planungsmittel genutzt werden, sagte Grosse weiter. Bei der Bibelturm-Debatte hatte die Dezernentin den Neubau für fünf Millionen Euro realisieren wollen und alle Kritik an der Kostenschätzung stets zurückgewiesen.

Damit setzt die Arbeitswerkstatt aus Vertretern der Stadt, der Fraktionen im Mainzer Rat sowie der beiden Bürgerinitiativen nun gemeinsam auf einen Neuanfang am alten, bisherigen Standort. Mit intensiven Debatten sowie einer externen Standortanalyse „konnten wir die Pro- und Contrapunkte der Standorte sehr dezidiert untermauern“, sagte Grosse weiter. Für den Standort „Allianzhaus“ sprach demnach vor allem, dass dort ein neues Museum auf deutlich mehr Fläche hätte realisiert werden können, das hätte Raum für großzügige Architektur geboten. Gemeinsam mit dem Mainzer Landesmuseum hätte an der Großen Bleiche ein neues Museumsquartier entstehen, das Gebiet stark aufgewertet werden können.

Die Lage am Mainzer Dom gilt als Premiumlage, das Gutenberg-Museum zurzeit aber zu versteckt. - Foto: gik
Die Lage am Mainzer Dom gilt als Premiumlage, das Gutenberg-Museum zurzeit aber zu versteckt. – Foto: gik

Für den alten Standort sprach hingegen die Premiumlage am Mainzer Dom: Das Museum werde hier problemlos von Touristen gefunden und profitiere von der Lage im Herzen der Stadt, so die Analyse. Dazu befinde sich das Museum hier sozusagen am historischen Ort des Geschehens – die Druckerwerkstatt, in der einst Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand, lag nur wenige Meter entfernt. „Beide Standorte sind wirklich sehr gut gewesen, beide hatten ganz viel Für und Wider, fast auf gleicher Augenhöhe“, sagte Grosse. Die jetzige Entscheidung finde sie aber dennoch „sehr schlau“ – den Ausschlag dafür habe am Ende das Votum der Museumsmitarbeiter gegeben.

„Wir sind sehr froh, dass wir bleiben“, betonte denn auch Museumsdirektorin Annette Ludwig: „Viele Städte ringen um ihre Mitte, und wir hätten sie Preis gegeben.“ Das Bleiben am Standort sei auch „ein Beitrag zur urbanen Selbstvergewisserung“ und wichtig für das Image der Stadt. „Es haben sich sehr viele Ladenbesitzer und Bürger gemeldet“, berichtete Ludwig, vielen sei gerade in der Coronakrise noch einmal klargeworden, „wie wichtig es ist, ein funktionierendes Herz zu haben.“ Das Museum bringe auch Lebensqualität in die Stadt, „es hat eine integrative Identität in einer immer diverser werdenden Gesellschaft“, sagte Ludwig. Das Votum der Arbeitswerkstatt sei nun „ein Signal, dass Sie hinter uns stehen und unsere Arbeit wertschätzen.“

Der alte Schellbau des Gutenberg-Museum ist seit Jahren marode und soll nun einem Neubau weichen. - Foto: gik
Der alte Schellbau des Gutenberg-Museum ist seit Jahren marode und soll nun einem Neubau weichen. – Foto: gik

Dem Museum steht damit aber auch eine Durststrecke bevor: Ein Abriss des Schellbaus bedeutet auch, dass das Gutenberg-Museum für mehrere Jahre am alten Standort schließen muss. „Wir werden uns ab sofort Gedanken machen, wo kann Museumsbetrieb stattfinden, vielleicht auch rudimentär“, sagte Ludwig. Sie sei aber „sicher, dass wir eine gute Lösung finden werden“ – Ideen gebe es bereits, wo das Museum unterkommen könne. Das könne auch eine „Präsentation von Highlights an verschiedenen Orten sein, vielleicht auch als Wanderausstellung“, sagte Ludwig, oberstes Ziel sei dabei, dass der Museumsbetrieb erhalten bleibe und das Gutenberg-Museum eben nicht für mehrere Jahre schließe.

Der wichtigste Baustein beim Neustart des Museums aber ist der nun beschlossene Wechsel der Trägerschaft: Das Gutenberg-Museum soll eine eigene Stiftung werden, das ermöglicht erstmals auch eine unabhängige Finanzierung mit Hilfe von Bund, Land und Sponsoren. Der Trägerwechsel sei bislang „ein Tabu gewesen“, sagte Ludwig im Gespräch mit Mainz. Der Wechsel in der Rechtsform habe zum Ziel, eine kontinuierliche Förderung sicher zu stellen, auch mit Drittmitteln von Land und Bund. „Wir haben das Potenzial ein Nationalmuseum zu werden – oder sind es vielleicht schon“, betonte Ludwig.

Gutenberg geht damit in Zukunft "on the road": Das Museum wird während der Neubauphase umziehen müssen. - Foto: Gutenberg Stiftung
Gutenberg geht damit in Zukunft „on the road“: Das Museum wird während der Neubauphase umziehen müssen. – Foto: Gutenberg Stiftung

Bislang war das Gutenberg-Museum in städtischer Trägerschaft. „Man hat ein Museum als Weltmarke und versucht das Ganze in einem städtischen Amt abzubilden, vergleichbar mit dem Fundbüro – das kann nicht funktionieren“, sagte Zvjezdana Cordier, Geschäftsführerin der Gutenberg-Stiftung, dem früheren Freundeskreis. Eine Stiftung habe den Vorteil, dass sie ein „unendliches Fassungsvermögen an Mitteln“ habe – und überparteilich und nicht politisch arbeite. „Wir bleiben im Herzen der Stadt“, freute sich Cordier. Nun müsse das Museum aber auch zu einem Platz für die Bürger werden, der so gestaltet werde, „dass man Lust hat, sich dort aufzuhalten“, mahnte sie: „Es wäre toll, wenn das die gut Stubb von Mainz würde.“

Zufrieden zeigten sich aber auch die Vertreter der politischen Fraktionen aus dem Stadtrat: „Das Herz der Stadt schlägt am Dom, ich bin froh, dass wir uns das auf Dauer nicht verbauen“, sagte Martina Kracht für die SPD, die zugleich bekannte: „Ich hätte auch mit dem Allianzhaus leben können.“ Der alte Standort sei sehr zentral und werde von den Touristen eher gefunden, widersprach Werner Rehn, der die FDP vertrat: „Neues wagen am alten Standort, das ist das Motto.“ Der alte Standort habe „nur knappe Ressourcen“, sagte Gerd Eckardt für die CDU, umso höher seien nun die Anforderungen an die Architekten. Für den Neubau werde es einen neuen Wettbewerb geben, kündigte Dezernentin Grosse an, zu einem Zeitplan wollte sie sich aber nicht äußern: Erst einmal müsse der Stadtrat nun entscheiden, das soll im Herbst geschehen.

Plakat zum Bürgerentscheid über den Bibelturm am Gutenberg-Museum. - Foto: gik
Plakat zum Bürgerentscheid über den Bibelturm am Gutenberg-Museum. – Foto: gik

Das wichtigste Ergebnis der Arbeitswerkstatt sei „die Geschlossenheit“, betonte der Ortsvorsteher der Altstadt, Brian Huck (Grüne): „Noch viel glücklicher bin ich gerade über das Miteinander.“ Jetzt zögen alle geschlossen an einem Strang, das gebe großen Rückenwind. „Allen Beteiligten hier ist das Projekt so wichtig, dass es nicht wieder zu Situationen kommen kann wie vor zwei Jahren“, sagte Huck in Anspielung auf die scharfen Auseinandersetzungen um den Bibelturm. Damals hatten vor allem die Befürworter des Turms die Gegner wiederholt scharf als „Kulturbanausen“ und Modernisierungsverweigerer beschimpft – obwohl die Bibelturm-Gegner stets ihr Engagement für eine Erneuerung des Museums unterstrichen und dafür auch eigene Konzepte vorgelegt hatten.

In der Arbeitswerkstatt habe man „als erwachsene Menschen zusammengearbeitet und ein Zeichen gesetzt, dass eine andere politische Kultur in Mainz möglich ist“, betonte nun Johannes Kohl für die Bürgerinitiative „Mainz für Gutenberg“, die damals für den Bibelturm eintrat. Nach dem Bürgerentscheid sei „die Pausentaste gedrückt worden, es gab einen Reset“, sagte Kohl: „Es ist ein großer Tag der Freude, dass wir das so hinbekommen haben und dass es endlich losgehen kann.“ Der Prozess für den Neustart müsse nun „endlich gestartet werden“, das Museum müsse endlich zeigen dürfen, was es könne. „Gutenberg ist nun mal ein Schatz, das ist auch eine Verpflichtung, dass die Stadt das pflegt“, betonte er.

Nino Haase bei der Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt Gutenberg Museum. - Foto: gik
Nino Haase bei der Vorstellung der Ergebnisse der Arbeitswerkstatt Gutenberg Museum. – Foto: gik

„Der Prozess hat Gräben zugeschüttet“, sagte auch Nino Haase von der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die das Bürgerbegehren gegen den Bibelturm initiiert hatte. Jetzt gebe es „eine große breite Gruppe, die sagt: ja, wir wollen Gutenberg, wir wollen Gutenberg in dieser Stadt entwickeln.“ Ja, das Gutenberg-Museum bleibe zwar am selben Standort wie zuvor, aber jetzt seien „erstmals die richtigen Frage gestellt worden“, sagte Haase. Seine BI wolle weiter aus Gutenberg „ein bürgerschaftliches Dauerprojekt“ machen, „wir wollen das zu einer kulturellen Markenentwicklung machen“, sagte Haase: „Wir sind Gutenbergstadt, und das wollen wir auch sehen.“

Haase, der 2019 als Oberbürgermeister-Kandidat für CDU, ÖDP und Freie Wähler antrat, hatte die Entwicklung einer „Marke Gutenberg“ zu einem seiner wichtigsten Wahlkampfthemen gemacht und dafür bereits während der Bibelturm-Auseinandersetzung ein Konzept vorgelegt. „Jetzt geht die Arbeit natürlich erst los“, sagte Haase am Freitag: „Einen besseren Elfmeter kann man der Stadt im Moment nicht hinlegen.“

Info& auf Mainz&: Das Statement der Linken zum Standort und zur Arbeitswerkstatt samt mehr Hintergründen zur Vorgeschichte in Sachen Gutenberg-Museum und Bibelturm könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.

 

 

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