Die Entscheidung über den künftigen Standort des Gutenberg-Museums in Mainz rückt näher, am Donnerstag entschied die Arbeitswerkstatt, an welcher Stelle das Weltmuseum der Druckkunst künftig mit einem neuen Konzept entstehen soll. Zur Auswahl standen zuletzt noch zwei Orte: der heutige Standort am Mainzer Liebfrauenplatz und das alte Allianzhaus an der Großen Bleiche. Für die Mainzer Linke wäre die Wahl klar: Das Gutenberg-Museum solle „bleiben, wo es ist“ und am alten Standort durch eine spektakuläre Architektur aufgewertet werden, sagte Linken-Stadtrat Martin Malcherek am Donnerstag vor der Abstimmung. Ein Grund für das Votum der Linken: Es dürfe keine Verdrängung der im Allianzhaus entstandenden Kultur mit Club und Café geben.
Im April 2018 hatten die Mainzer mit überwältigender Mehrheit den Bau eines Bibelturms am Gutenberg-Museum abgelehnt, 77,3 Prozent der Mainzer sprachen sich in einem Bürgerentscheid gegen den modernen Neubau aus – auch, weil Kritiker Finanzen und Konzept für viele Kritiker nicht ausreichend geklärt sahen. Die Abstimmung galt auch als Misstrauensvotum gegenüber der Politik der Stadtspitze, die Bürger forderten Mitbestimmung und eine transparente Debatte über die überfällige Neugestaltung des Mainzer Gutenberg-Museums.
Genau einen Monat später, im Mai 2018, setzte die Stadt Mainz eine Arbeitswerkstatt ein, die Ideen und Konzepte für einen Neustart ausloten sollte. Im Mainzer Stadtrat forderten damals alle Fraktionen Konsequenzen aus dem Bürgerentscheid, es brauche „eine wirklich große Lösung“, die unter Einbeziehung der Bürger entwickelt werden müsse. Speziell die Grünen forderten vehement eine bessere Einbeziehung der Bürger, es dürfe „nicht der Anspruch sein, solche Projekte möglichst geräuschlos über die Bühne zu bringen“, betonte Stadtrat Gunther Heinisch: „Bei solch großen Projekten muss die ganze Stadt darüber sprechen, bevor der Stadtrat entscheidet.“
Die Arbeitswerkstatt tagte seither insgesamt 18 Mal, Ergebnisse der Debatten drangen so gut wie nie nach draußen. Die Sitzungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die Teilnehmer mussten sich strengstens verpflichten, über Debatten oder Ergebnisse zu schweigen. So wurde als eines der wenigen Ergebnisse nur bekannt: die Arbeitswerkstatt diskutierte intensiv, wo das Gutenberg-Museum künftig sein Zuhause haben solle, 20 mögliche Standorte quer durch die ganze Stadt wurden untersucht, geprüft und in der großen Mehrheit wieder verworfen. Übrig blieben am Ende zwei Standorte: der heutige Standort am Liebfrauenplatz und das Mainzer Allianzhaus in der großen Bleiche.
Der heutige Standort des Gutenberg-Museums gilt indes als zu klein, der Schellbau als völlig veraltet und auch in Teilen marode, die Ausstellungskonzeption als nicht mehr zeitgemäß. Der Bibelturm hatte als Erweiterungsbau mehr Platz und mehr Aufmerksamkeit für das Museum schaffen sollen, eine Konzeption, wie sich das Museum am alten Standort weiter entwickeln könnte, gibt es bislang nicht. So rückte der Standort Allianzhaus in den Fokus: Der große Komplex gegenüber von Abgeordnetenhaus und Landesmuseum steht seit einiger Zeit leer, die oberen Etagen werden zurzeit als Flüchtlingsunterkunft genutzt.
Klar ist: Der Bereich soll neu gestaltet werden, die CDU hatte deshalb vorgeschlagen, an dieser Stelle ein neues Rathaus zu errichten, als Ersatz für den maroden Arne-Jacobsen-Bau. Das Allianzhaus beherbergt im Erdgeschoss aber auch den Kulturclub „Schon Schön“, das Café Blumen und die Tapas-Bar „Salon 3sein“ – und das bringt nun die Linke auf den Plan: Mit der Standortentscheidung, das Gutenberg-Museum an die Stelle des Allianzhauses zu setzen, werde dieses Ensemble der „(Sub-)Kultur in seiner Existenz bedroht“ und drohe verdrängt zu werden, kritisierte Linken-Stadtrat Martin Malcherek.
„Mainz – insbesondere die Innenstadt – wird von Verdrängungsprozessen vor allem hinsichtlich des Wohnens und der Kultur heimgesucht, die wir uns durch politische Entscheidungen permanent selbst (mit-)einbrocken“, sagte Malcherek, und forderte: „Es
wird Zeit diesen Prozess zu stoppen.“ Das Allianzhaus sei „ja schon ein besonderes Bauensemble, in seine Größenordnung und in dem Stil einmalig in Mainz“, sagte Malcherek gegenüber Mainz&, aus seiner Sicht sei das durchaus erhaltenswert. Die Kulturnutzung habe sich in dem Ensemble, „super gut etabliert, ein Club in der Innenstadt ist ein Glücksfall“, betonte der baupolitische Sprecher, der auch selbst in einer Band spielt.
Mit einem Abriss des Allianzhauses „würde man die Livekultur durch die museale Kultur verdrängen, das wollen wir beides nicht“, betonte Malcherek. Einen etablierten Club könne man einfach nicht in einem Neubau unterbringen, das werde nicht funktionieren, also werde die Kulturnutzung verdrängt werden – das sei ein Verlust für die Mainzer Szene. Auch sei die Anschlussverwendung des alten Gutenbergmuseums völlig unklar, warnte der Linke: „Solange nicht ausgeschlossen ist, dass ein weiteres Filetgrundstück der Stadt an Investoren verscheuert wird, können wir einem Umzug des Gutenbergmuseums nicht zustimmen“, betonte er für seine Fraktion.
Die Linke stehe zum Gutenberg-Museum und habe ein großes Interesse an einer historischen Würdigung der Druckkunst – die habe schließlich „einen Quantensprung für Demokratisierung und Wissenschaft bedeutet“ und damit die Voraussetzungen für einen demokratischen Sozialismus auf wissenschaftlicher Grundlage geschaffen. Das Gutenberg-Museum solle deshalb „bleiben, wo es ist“, aber durch „eine spektakuläre Architektur“ angemessen gewürdigt werden und auch einen Kontrapunkt zum Mainzer Dom bilden, sagte Malcherek weiter. Der bisherige Standort sei zudem touristisch erschlossen und überzeuge durch die Nähe zum Ort des historischen Geschehens.
Malcherek kritisierte zudem, die Festlegung der Arbeitswerkstatt auf einen Standort komme zu früh: „Ein inhaltliches Konzept, das als Grundlage der Planungsprozesse dienen könnte, wurde bisher nicht ausreichend dargestellt“, sagte der baupolitische Sprecher der Linken weiter, das sei ein Versäumnis der Stadtverwaltung. „Sinnvollerweise wäre die Architektur dem inhaltlichen Konzept gefolgt, hier läuft es leider anders“, kritisierte Malcherek weiter: Erst werde die Form durch die Standortentscheidung vorgeprägt, dann solle der Inhalt folgen, das sei die falsche Reihenfolge.
Die Entscheidung komme auch deshalb zu früh, „weil die Kosten der Alternativen nicht auf dem Tisch sind“, sagte Malcherek: Solle der alte Standort beibehalten werden, müsse für die Bauphase eine Zwischenlösung her. Wie diese realisiert werden könne, und was sie koste, das sei aber „von der Verwaltung nicht ansatzweise dargestellt.“ Das sei keine Grundlage für eine seriöse Entscheidung, monierte er. Stattdessen präsentiere man Üresse und Öffentlichkeit einen vorgeblichen „breiten Konsens innerhalb der Arbeitswerkstatt“, das sei „ein durchschaubares Manöver der Verwaltung, Verantwortung auf Dritte abzuwälzen.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Standortsuche der Arbeitswerkstatt Gutenberg-Museum lest Ihr hier bei Mainz& in unserer Analyse „Ein Jahr nach dem Bürgerentscheid zum Bibelturm“. Das Ergebnis der Abstimmung der Arbeitswerkstatt in Sachen Standort soll am Freitag um 11.00 Uhr verkündet werden, wir werden dann natürlich berichten.