Die Sozialdemokraten müssen auch in Mainz weiter mit Rückschlägen kämpfen: Nach 22 Jahren hat nun eine Kommunalpolitikerin ihren Austritt aus der SPD erklärt. Gitta Weber saß für die Sozialdemokraten im Ortsbeirat Weisenau, fortan wird sie das aber für die ÖDP tun. Der Wechsel reiht sich in eine ganze Linie von Protesten und Rücktritten gegen die SPD in Rheinland-Pfalz ein. Weber ist Mitglied der Bürgerinitiative Mainz 21 und war bereits im Juli 2021 für die ÖDP als Kandidatin für das Verkehrsdezernat angetreten. UPDATE&: Die SPD Mainz-Weisenau bedauerte den Austritt Webers.

Den Wechsel von Gitta Weber (Mitte, mit Blumenstrauß) gab die ÖDP am Donenstag bekannt. - Foto: ÖDP
Den Wechsel von Gitta Weber (Mitte, mit Blumenstrauß) gab die ÖDP am Donenstag bekannt. – Foto: ÖDP

Am Donnerstag machte die ÖDP die Personalie bekannt. Nach 22 Jahren trat die Mainzer Kommunalpolitikerin Gitta Weber nun aus der SPD Mainz aus, und zur ÖDP Mainz über. Sie schließe sich der ÖDP mit einem „sehr guten Gefühl“ an, es gebe „etliche Gründe“ für ihren Wechsel, betonte die Diplom-Chemikerin dabei: Die ÖDP stehe ihr inhaltlich inzwischen wesentlich näher, dazu sei ihr auch die materielle Unabhängigkeit der ÖDP durch den Verzicht auf Konzern- und Firmenspenden wichtig. „Wir brauchen kompetente politische Kräfte wie die ÖDP in der Mainzer Kommunalpolitik, die sachorientiert arbeiten und ideologiefrei sind“, betonte Weber.

Als einen Hauptgrund nannte Weber aber auch Enttäuschung über die Mainzer SPD-Parteiführung und kritisierte „deren fehlende Bereitschaft, sich mit den echten Nöten der Mainzerinnen und Mainzer auseinanderzusetzen – und so die Partei zu erneuern und wieder wählbarer zu machen.“ Insbesondere Umweltthemen überlasse man lieber den Grünen und macht weiter so wie immer. Das halte sie grundsätzlich für falsch, betonte Weber: „Wer jetzt den Schuss noch nicht gehört hat und Umweltthemen wegdrückt, der hinterlässt verbrannte Erde – leider buchstäblich.“ Besonders wichtig sei, die Menschen mitzunehmen, „und nicht durch plötzliche Verbote zu gängeln.“

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Expertin für Gefahrstoffe, stellvertretende Ortsvorsteherin in Weisenau

Weber ist in Mainz vor allem durch ihr Engagement bei der Bürgerinitiative Mainz21 bekannt, die jahrelang und schließlich mit Erfolg gegen eine Mülldeponie im alten Weisenauer Steinbruch kämpfte. Besonders die Diplom-Chemikerin Weber konnte dabei immer wieder darstellen, welche Probleme durch Gefahrstoffe aus der Deponie drohen könnten: Weber, die in Mainz Chemie studierte und am Max-Planck-Institut für Polymer-Forschung promovierte, leitet seit 2010 eine akkreditierte Messstelle für Gefahrstoffe.

Gitta Weber bei ihrer Bewerbungsrede als Umwelt- und Verkehrsdezernentin im Juli 2021 im Mainzer Stadtrat. - Screenshot: gik
Gitta Weber bei ihrer Bewerbungsrede als Umwelt- und Verkehrsdezernentin im Juli 2021 im Mainzer Stadtrat. – Screenshot: gik

Daneben ist Weber Mitglied des Ortsbeirats Mainz-Weisenau und engagiert sich als stellvertretende Ortsvorsteherin in ihrem Heimatort. „Wir sind der Auffassung, dass Gitta Weber durch ihre örtliche Verankerung, durch ihre breiten naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ihre beruflichen Erfahrungen eine wertvolle Unterstützung der gesamten Mainzer ÖDP ist“, sagte denn auch ÖDP-Kreis- und Fraktionsvorsitzender Claudius Moseler.

Der Übertritt zur ÖDP war keine Überraschung: Im Juli 2021 war Weber bereits für die ÖDP als Kandidatin für das Umwelt- und Verkehrsdezernat in Mainz angetreten. Das Vorschlagsrecht für die Position hatten die Mainzer Grünen, die ihre Kandidatin Janina Steinkrüger dann auch durchbrachte. Weber hatte sich in ihrer Kandidatur für eine bessere Radwegepolitik, ein 365-Euro-Ticket im Nahverkehr sowie für ein Ende der Nachverdichtung und den Erhalt von Grünflächen in Mainz stark gemacht.

Einsatz gegen Mülldeponie im Steinbruch – und für Solarpark

Zuletzt hatte Weber mit Unterstützung der SPD-Fraktion im Ortsbeirat den Vorschlag eingebracht, im rekultivierten Weisenauer Steinbruch einen Solarpark zu errichten. Das aber wurde vom zuständigen Baudezernat mit Berufung auf einen alten Beschluss zur Verfüllung abgelehnt. Pikanterweise habe aber genau diese Vorgabe im Jahr 2015 „keine Rolle gespielt, als im Stadtrat beschlossen wurde, im Laubenheimer Teil des Steinbruchs eine Deponie für nicht nur belasteten Bauschutt, sondern auch giftige Filterstäube zu errichten“, kritisierte Weber.

Gitta Weber bei ihrer Vorstellung als Kandidatin zur Umwelt- und Verkehrsdezernentin im Juli 2021 mit ÖDP-Stadträten. - Screenshot: gik
Gitta Weber bei ihrer Vorstellung als Kandidatin zur Umwelt- und Verkehrsdezernentin im Juli 2021 mit ÖDP-Stadträten. – Screenshot: gik

Gerade beim Deponie-Thema sei die Ampel-Koalition „durch Druck aus der Bauindustrie nicht von dem Vorhaben abzubringen“ gewesen, monierte Weber weiter. Erst durch neue Gutachten sei es 2022 zum Umdenken gekommen – die neue Umweltdezernentin Steinkrüger beerdigte das Projekt.

Webers Austritt aus der SPD reiht sich indes in eine Linie gleich mehrere Rückschläge für die SPD in Rheinland-Pfalz ein: Erst Anfang August war die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck unter Protest aus der SPD ausgetreten, auch sie gab Frust über das Handeln der Landesregierung und insbesondere fehlende Unterstützung durch das SPD-Bildungsministerium an – bei der SPD klafften Reden und Handeln zu weit auseinander.

Praktisch zeitgleich war der gesamte Ortsbeirat samt Bürgermeister im pfälzischen Freisbach zurückgetreten – aus Protest über mangelnde Unterstützung aus dem SPD-geführten Finanz- und Innenministeriums. Die Mainzer SPD war im Frühjahr 2023 bei der Oberbürgermeisterwahl in Mainz mit großem Abstand gescheitert und hatte nach mehr als 74 Jahren den Posten des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt verloren.

SPD „bedauert“ Austritt: Keine Reaktion auf Kritikpunkte

UPDATE&: Die SPD Mainz-Weisenau bedauerte den Austritt: „Mit Gitta Weber verlieren wir ein langjähriges aktives Mitglied, das sich gerne mit neuen Themen eingebracht und diese mit großem Engagement vorangetrieben hat“, sagte der Vorsitzende der Weisenauer SPD, Alexander Quis. Als Beispiele nannte er „ihr konsequentes Engagement gegen eine Mülldeponie im Steinbruch“ sowie ihr Engagement als Vize-Vorsitzende der Weisenauer SPD und stellvertretende Ortsvorsteherin.

„Dass Gitta Weber sich nun entschieden hat, bei der kommenden Kommunalwahl für die ÖDP zu kandidieren, bedauern wir sehr“, betonte Quis. Leider habe er davon aber erst aus der Presse erfahren. Für die nahende Kommunalwahl sehe man sich trotzdem gut aufgestellt: „Wir werden zur Kommunalwahl ein überzeugendes Angebot an die Weisenauerinnen und Weisenauer machen“, betonte Quis. Die SPD sei „die Partei, die für Weisenau in der Vergangenheit am meisten bewegt hat“, das wolle man auch in Zukunft tun – etwa beim Neubau der Friedrich-Ebert-Schule, dem Ausbau des Heiligkreuzviertels sowie den Planungen zur Straßenbahnanbindung des Stadtteils. Auf die Kritik Webers ging er nicht ein.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Gitta Weber lest Ihr auch hier bei Mainz&. Die Meldung der ÖDP Mainz findet Ihr hier im Internet.