Lange hat die Stadt Mainz auf die Räumung der GFZ-Kaserne in der Mainzer Oberstadt warten müssen, nun soll es 2022 endlich so weit sein: Die Bundeswehr werde die alte Kaserne Mitte oder Ende des Jahres räumen, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) nun auf einer Pressekonferenz in Mainz. Das GFZ-Gelände soll ein neues Wohnquartier werden, doch im Norden des Geländes steht auch ein inzwischen berühmt gewordenes Unternehmen: Biontech hat hier seinen Hauptsitz. Und die Biotechnologiefirma, die den ersten EU-weit zugelassenen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelte, soll nun mehr Platz bekommen – ein ganzer Biontech-Campus soll entstehen. Die Mainzer CDU kritisiert derweil: Mainz verspiele die einmalige Chance, hier einen kompletten Biotechnologie-Campus zu etablieren.

Das inzwischen weltberühmte Unternehmen Biontech hat bereits seit 2011 seinen Hauptsitz in der Mainzer Oberstadt, am Rande der GFZ-Kaserne. - Foto: gik
Das inzwischen weltberühmte Unternehmen Biontech hat bereits seit 2011 seinen Hauptsitz in der Mainzer Oberstadt, am Rande der GFZ-Kaserne. – Foto: gik

Biontech hat bereits seit 2011 seinen Firmensitz in der Mainzer Oberstadt, „An der Goldgrube“ lautet die Straßenadresse. Vor zwei Jahren hatte das Mainzer Startup-Unternehmen noch etwa 600 Mitarbeiter, dann kam die Corona-Pandemie, und Biontech explodierte förmlich: Binnen weniger Wochen entwickelten die Firmengründer Ugun Sahin und seine Frau Özlem Türeci einen der ersten Corona-Impfstoffe der Welt. „Cominarty“ beruht dabei auf neuester mRNA-Technologie, dabei wird die Information über das neue Virus mit Hilfe eines Messenger RNA in die Zellen des menschlichen Körpers gebracht, wo der Bauplan des neuen Virus nachgebaut, und so das Immunsystem auf die Abwehr vorbereitet werden kann.

Sahin und Türeci kommen eigentlich aus der Krebsforschung, die beiden Mainzer wollten ursprünglich mit völlig neuartigen Therapieformen die Krebsbehandlung revolutionieren. Geforscht wird an individuellen Krebstherapien, aber auch an Krebs-Impfstoffen – ein Impfstoff gegen die Immunkrankheit Multiple Sklerose ging 2020 sogar in die Erprobungsphase an Patienten. Es war diese langjährige Forschungsarbeit, die Biontech in die Lage versetzte, auf den Erkenntnissen aufbauend in einer solch rasanten Geschwindigkeit einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 zu entwickeln.

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Die Pläne der Stadt für den Biontech-Campus auf dem Gelände der bisherigen GFZ-Kaserne. - Grafik: Stadt Mainz
Die Pläne der Stadt für den Biontech-Campus auf dem Gelände der bisherigen GFZ-Kaserne. – Grafik: Stadt Mainz

Inzwischen gehört Biontech zu den weltweit führenden Herstellern des Corona-Impfstoffes, der in einer eigens angekauften Fabrik in Marburg produziert wird, dazu kommt noch ein Werk in Idar-Oberstein, wo Biontech Krebsmedikamente herstellt. Inzwischen beschäftigt Biontech eigenen Angaben zufolge rund 3.000 Mitarbeiter an allen Standorten zusammengerechnet, in Mainz sollen es rund 1.300 sein – und das Unternehmen will weiter wachsen: „Wir planen, unseren Hauptsitz an der Goldgrube zu einem Forschungs-Campus mit Verwaltung weiterzuentwickeln“, sagte François Perrineau, Seniorchef für Labor- und Infrastrukturmanagement bei Biontech am Dienstag in Mainz. Nach derzeitigen Plänen sollen auf dem Biontech-Campus Labor- und Büro-Flächen für jeweils 1.000 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung sowie in der Verwaltung entstehen.

Und dafür braucht Biontech dringend neue Flächen: „Wir sind stark gewachsen und aktuell dabei, weitere Flächen anzumieten“, berichtete Miriam Ostheimer, bei Biontech für die Campusentwicklung zuständig. So mietet Biontech derzeit weitere Büros in Mainz-Hechtsheim an und baut dort gerade ein neues Objekt zum Projekt „Innovation Hub“ um: Das rund 5.000 Quadratmeter große Objekt im Mainzer Stadtteil Hechtsheim soll bis Ende 2023 Raum für Labore samt Reinraum sowie rund 100 Büroarbeitsplätze bieten. 300 bis 400 Mitarbeiter sollen hier einmal arbeiten – und unter anderem Krebsimpfstoffe herstellen.

Der Eingang der GFZ-Kaserne an der Freiligrathstraße mit Blick auf das alte Hochhaus. - Foto: gik
Der Eingang der GFZ-Kaserne an der Freiligrathstraße mit Blick auf das alte Hochhaus. – Foto: gik

Wachsen möchte Biontech aber vor allem rund um den Stammsitz in der Mainzer-Oberstadt, hier existiert bereits ein Bauvorhaben, für das ein Stück der alten GFZ-Kaserne bereits vorab aus dem Kasernengelände ausgegliedert wurde. Rund 400 Arbeitsplätze sollen hier in den kommenden drei Jahren entstehen, reichen wird das nicht. Die Stadt Mainz machte nun den Weg für ein deutlich größeres Erweiterungsgelände für Biontech frei. Auf dem alten GFZ-Gelände soll Biontech nun 3,3 Hektar Fläche im Norden bekommen, das ist praktisch das gesamte nördliche Drittel des Kasernengeländes. Dazu kommt ein bis zu 8.500 Quadratmeter großes Stück im Südwesten der alten Kaserne, also der Bereich um den alten Eingang entlang der Freiligrathstraße und hin zur Pariser und Geschwister-Scholl-Straße.

Stadt Mainz ändert städtebauliches Konzept für Biontech-Campus

Die Stadt änderte dafür das städtebauliche Konzept, das für die Entwicklung des Gebietes nach der Freigabe durch die Bundeswehr entstanden war – der Stadtrat hatte dafür in seiner Sitzung im April den Weg frei gemacht. Es werde nun ein neues Bebauungsplanverfahren geben müssen, sagte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD), der neue Plan U53 solle „in naher Zukunft“ beschlossen werden, eine Bürgerbeteiligung wohl noch in diesem Jahr erfolgen. Auf dem insgesamt zehn Hektar großen Gelände sollten aber weiter 450 Wohneinheiten neu entstehen, betonte Grosse. Möglich werde das durch eine „angemessene Erhöhung der Vollgeschosse und einer Anpassung der Wohngebäudetypologien“ – Grosse sprach von einer fünf- bis sechsstöckigen Bebauung.

Viel Platz ist derzeit auf dem alten GFZ-Gelände, auf diesen Flächen soll ein Wohngebiet samt Kitas und Supermarkt entstehen. - Foto: gik
Viel Platz ist derzeit auf dem alten GFZ-Gelände, auf diesen Flächen soll ein Wohngebiet samt Kitas und Supermarkt entstehen. – Foto: gik

Die Erschließung des Wohngebietes soll nun nicht mehr durch das Gelände von der Goldgrube aus geschehen, dem steht dann der neue Biontech-Campus entgegen. Stattdessen soll das Wohngebiet über den nördlichen Teil der Jägerstraße erschlossen werden. „Wir wollen zwischen Biontech und dem allgemeinen Wohngebiet einen Übergangsbereich mit Mischgebiet schaffen“, kündigte Grosse an. In dieser Grünachse sollten auch die geplanten zwei Kitas, ein Nahversorger sowie die Ortsverwaltung für die Oberstadt an einem zentralen Quartiersplatz angesiedelt werden.

Bei Biontech ist die Freude über die Erweiterungsflächen und die Chance auf einen eigenen Campus groß: „Wir freuen uns sehr über die Ankündigung der Stadt“, sagte Ostheimer. Das sichere den Standort und biete Raum für weiteren Ausbau – auch für die Ideen, die in Zukunft noch kommen sollen. Dazu beschäftige Biontech viele junge Familien, die Aussicht auf ein Wohngebiet samt Kitas direkt nebenan sei großartig, sagte Ostheimer.

Ebling: Dank Biontech „sensationelle Chance“ für Biotech-Standort

Mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty wurde das Mainzer Startup Biontech schlagartig weltberühmt. - Foto: Biontech
Mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty wurde das Mainzer Startup Biontech schlagartig weltberühmt. – Foto: Biontech

Biontech sei „inzwischen zu einem weltweit beachteten Hoffnungsträger geworden“, betonte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): „Die Landeshauptstadt weiß, welches Juwel sie in ihren Stadtgrenzen birgt und wir sind stolz darauf.“ Natürlich wolle er den Namen Biontech dauerhaft mit Mainz verbunden wissen, deshalb werde Biontech bei der Sicherung von möglichen Erweiterungsflächen im Stadtgebiet nach Kräften unterstützt.  Dank Biontech biete sich für Mainz nun aber auch „die sensationelle Chance“, ein richtiger Biotech-Standort zu werden – Dank Biontech könne Mainz „eine Magnetfunktion“ bekommen, dafür wolle die Stadt die räumlichen Voraussetzungen schaffen. Die neue Ampel-Koalition von Rheinland-Pfalz hat gar die Fortentwicklung von Mainz zum Biotechnologie-Standort im Koalitionsvertrag stehen, konkrete Interessenten und Projekte gibt es Ebling zufolge aber noch nicht. „Wir stehen aber Gewehr bei Fuß“, versicherte er.

Die Industrie- und Handelskammer Rheinhessen spricht gar von einem „Zukunftsversprechen für den Standort Rheinhessen“: Biontech könne langfristig in der Stadt expandieren, werde zugleich aber auch kräftige Impulse für die Forschung an der Universitätsmedizin geben, das lasse weitere Unternehmensgründungen in der Biotechnologie-Branche erwarten, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. Der entstehende Wissenschaftscampus könne „nicht nur ein Innovationstreiber, sondern auch ein Arbeitsmarktmotor“ werden. Jertz forderte, neben dem Erweiterungsareal für Biontech müssten nun auch Möglichkeiten zur Ansiedlung biotech-affiner Start-ups in Mainz geschaffen werden.

Biontech braucht dringend mehr Flächen für Labore und Büros, das Unternehmen wächst rasant. - Foto: Biontech
Biontech braucht dringend mehr Flächen für Labore und Büros, das Unternehmen wächst rasant. – Foto: Biontech

Begeisterte Zustimmung kam auch aus der Mainzer Stadtpolitik: „Das ist eine tolle Nachricht für den Wirtschaftsstandort Mainz und für die gesamte Region“, freute sich der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Mainzer Stadtrat, David Dietz. Damit sende die Stadt das richtige Signal. „Wir wollen und brauchen Biontech langfristig, um den Biotechnologiestandort zu stärken“, sagte Dietz, damit sei die Möglichkeit, die Branche an sich in Mainz etablieren zu können, größer geworden. „Mit einem absoluten Global Player wie Biontech als Anker und Magnet für weitere Ansiedlungen, Aus- und Neugründungen von Unternehmen können wir tatsächlich an eine Erfolgsgeschichte wie Boehringer in Ingelheim denken“, sagte er.

FDP: Campus nicht allein für Biontech

Dietz forderte denn auch, es brauche „nicht nur einen Biontech-Campus, sondern vielmehr einen echten Biotech-Campus“ – also auch die Ansiedlung weiterer Biotechnologie-Firmen. Das aber ist auf dem Gelände nach den Plänen der Stadt derzeit nicht vorgesehen – der Campus soll allein Biontech zur Verfügung stehen. Auch die Grünen begrüßten die Pläne: „Ein aufstrebendes Unternehmen und zugleich der Hoffnungsträger in der Pandemie erhält durch die Umplanungen die Sicherheit am Standort Mainz erfolgreich weiter forschen zu können“, sagte Grünen-Stadtrat Ansgar Helm-Becker: „Die Stadt Mainz schafft hiermit die Voraussetzung ihr Profil als Forschungsstadt zu schärfen und die Biotechnologie zu ihrem Aushängeschild werden zu lassen.“

Raum für modernes Wohnen wünschen sich alle Parteien seit Jahren auf dem GFZ-Gelände. - Foto: gik
Raum für modernes Wohnen wünschen sich alle Parteien seit Jahren auf dem GFZ-Gelände. – Foto: gik

Der Ortsvorsteher der Oberstadt, Daniel Köbler (Grüne) mahnte zugleich aber auch, es müsse auch ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des Quartiers beim Klimaschutz gelegt werden: „Eine umweltfreundliche Stadt muss eine Stadt der kurzen Wege sein“, sagte Köbler, „wir freuen uns darauf dass in der Oberstadt ein Quartier mit Wohnen, Forschung und sozialer Infrastruktur in einem Guss entwickelt wird.“ Die Freien Wähler betonten, sie unterstützen die Initiative der Stadt, Biontech Entwicklungsmöglichkeiten in Mainz zu geben, mahnten  zugleich aber auch: „Wir sehen allerdings eine Konkurrenz des möglichen Bio-Campus am aktuellen Standort mit dringend benötigten Wohnungen in Mainz.“ Man befürchte, dass der Standort GFZ-Kaserne als dringend benötigtes Wohnquartier gefährdet sein könnte. „Deshalb werben wir dafür, alle alternativen Standorte, wie zum Beispiel Hechtsheim oder auch den Europa-Kreisel zu prüfen“, sagte Erwin Stufler.

Die CDU-Opposition kritisierte hingegen, es sei „geradezu fahrlässig, wenn man keinen weiteren Platz für andere Unternehmen dieser Branche in unmittelbarer Nachbarschaft zum Spitzenreiter“ anbiete. „Wir freuen uns sehr darüber, dass BioNTech neue Flächen bekommt und sich am Standort weiterentwickeln kann“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig – damit werde auch der auf Initiative der CDU hin im Stadtrat verabschiedete Antrag zur Stärkung des Biotechnologiestandortes Mainz umgesetzt. Die Flächen für Biontech seien zudem ein wichtiges Zeichen für das Unternehmen, es sei aber ein Fehler, dort nicht weitere Flächen für andere Biotechnologieunternehmen vorzuhalten. Diese Unternehmen würden sich dann stattdessen „im Zweifelsfall außerhalb der Mainzer Stadtmauern ansiedeln“, warnte Schönig.

CDU: Stadt verspeilt einmalige Chance für großen Biotech-Campus

Mainz als Biotechnologie-Standort - dafür brauche es auch Flächen, fordert die CDU. - Foto: Biontech
Mainz als Biotechnologie-Standort – dafür brauche es auch Flächen, fordert die CDU. – Foto: Biontech

„Die Stadt verspielt an dieser Stelle eine einmalige Chance“, kritisierte auch die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. Das Kerngeschäft von Biontech liege auf Immuntherapien zur Behandlung von Krebs und anderen schweren Krankheiten. „Werden auf diesem Gebiet ähnliche Durchbrüche erzielt, lässt sich nur erahnen, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln wird“, sagte Flegel. Wenn die Stadt das Areal der GFZ-Kaserne „nun durch Wohnungsbau begrenze“, schränke sie die Entwicklungspotenziale des Unternehmens jedoch enorm ein.

Der Knackpunkt liege „wieder einmal bei den fehlenden Flächen“, die von Seiten der der Stadt noch immer nicht entwickelt worden seien, kritisierte Flegel – es sei zudem „befremdlich“, dass die zuständige Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) nicht zu der Veröffentlichung der Pläne eingeladen worden sei. „Es ist wichtig, dass wir bei so einem wichtigen Thema geschlossen auftreten“, betonte Schönig, „Parteigrenzen dürfen dabei keine Rolle spielen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Entwicklung des Corona-Impfstoffs durch Biontech lest Ihr hier bei Mainz&. Das jahrelange Tauziehen um die GFZ-Kaserne gipfelte im Jahr 2019 in einem heftigen Streit um die Frage, wer für die Verzögerungen bei der Freigabe des Geländes verantwortlich war – mehr zu der Geschichte könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. 2014 konnte Mainz& zudem das Gelände der GFZ-Kaserne besichtigen, mehr zu dem weitgehend leer stehenden Gelände lest Ihr in unserer Reportage vom Oktober 2014.

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