Seine Kandidatur im Januar war eine faustdicke Überraschung: 36 Jahre jung, Diplom-Chemiker, Unternehmer und sogar Millionär – Nino Haase ist nun wirklich nicht der klassische Kandidat für den Posten eines Oberbürgermeisters. Der 36-Jährige tritt bei der OB-Wahl am Sonntag als parteiunabhängiger Kandidat an, wird aber unterstützt von CDU, ÖDP und den Freien Wählern. Den Wahlkampf mischte er mit frischen und kreativen Themen auf: Haase stellte Bäume vors Theater und richtete am Rheinufer ein Wohnzimmer ein. Seine Themen: Eine Radspur auf der Kaiserstraße und ein Radwegekonzept für Mainz, Parkhäuser nachts für Anwohner, ein deutlicher Ausbau des ÖPNV mit Ring-Expresslinien, ein neuer Stadtteil auf dem Layenhof. Haase machte den Vorschlag für ein Weinerlebniszentrum für Mainz und will den Piloten lärmärmere Anflugverfahren in die Handbücher schreiben. Sein Herzensthema: Gutenberg zu einer Marke für Mainz machen.

OB-Kandidat Nino Haase auf der Mainz&-Interviewbank in der Dependance der Mainzer Weinraumwohnung. - Foto: gik
OB-Kandidat Nino Haase auf der Mainz&-Interviewbank in der Dependance der Mainzer Weinraumwohnung. – Foto: gik

Es war der Bibelturm am Gutenberg-Museum, der Nino Haase 2017 in die Politik katapultierte: Haase wurde erst Mitglied, dann Sprecher der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, den Bürgerentscheid gegen den Bibelturm organisierte er maßgeblich mit – die Mainzer lehnten im April 2018 den Erweiterungsbau am Gutenberg-Museum mit 77,3 Prozent ab. „Das war ein Aufruf vieler Menschen, dass sie mit der Art und Weise, wie hier in Mainz Politik gemacht wird, nicht einverstanden sind“, sagt Haase heute dazu: „Es haben viele Leute danach Hoffnung gehabt, dass sich wirklich etwas verändert.“

Doch geändert habe sich nichts, beim Gutenberg-Museum sei nichts wirklich vorangekommen, und auch die Kommunikation zwischen Stadtspitze und Bürgern habe sich in keinster weise zum Besseren verändert, kritisierte Haase. Er sei nach dem Bürgerentscheid aber von vielen angesprochen worden, habe selbst die Verantwortung gespürt, weiter zu machen – so sei die Entscheidung zur OB-Kandidatur gereift. Es war die CDU, die Haase schließlich zu ihrem Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl machte, Unterstützung kam auch von der ÖDP und den Freien Wählern – zusammen kamen die drei Parteien bei der Kommunalwahl in Mainz auf 29,6 Prozent.

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Die Mainzer CDU verzichtete damit erstmals darauf, einen eigenen CDU-Parteifreund bei der Wahl ins Rennen zu schicken – vor acht Jahren hatte die Partei mit ihrem Kandidaten Lukas Augustin erheblichen Schiffbruch erlitten: Augustin machte im Wahlkampf keine glückliche Figur, musste sich gar wegen Affären verantworten und kam am Ende auf ganze 20,4 Prozent – in der Stichwahl trafen sich stattdessen Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) mit 40,5 Prozent und Günter Beck von den Grünen (26,6 Prozent).

Stellte mal eben ein Wohnzimmer ans Rheinufer: Nino Haase im OB-Wahlkampf. - Foto: gik
Stellte mal eben ein Wohnzimmer ans Rheinufer: Nino Haase im OB-Wahlkampf. – Foto: gik

Haase ist nun der Kandidat des konservativen und womöglich auch des liberalen Lagers und zielt mit seiner Kandidatur auf alle, die einen parteiunabhängigen Kandidaten wollen. „Wir brauchen eine überparteiliche Stadtpolitik, eine freie Diskussionskultur“, betonte Haase nun im Mainz&-Interview noch einmal. Mainz dürfe sich nicht noch einmal jahrelang auf hermetische Blöcke zwischen Koalition und Opposition einschießen. „Alles, was aus der Opposition kommt, wird weggebügelt, so kommen wir in Mainz nicht weiter“, sagt Haase. Sein Ansatz sei, die besten Ideen für die Stadt zu verwirklichen und Mainz mit einem frischen Blick nach vorne zu bringen.

Der CDU stehe er dabei in Wirtschaftsfragen durchaus nahe, sagt Haase: Mainz sei „im Rhein-Main-Gebiet bei der Dynamik hinten dran“, das wolle er ändern. In Mainz gebe es zu viel Leerstand in der Innenstadt, „die Einzelhändler sprechen von einem Rückgang von 20 bis 30 Prozent“, sagte er im Wahlkampf: Mainz müsse viel stärker auf Firmen zugehen und sie nach Mainz locken. Das Zentrenkonzept sei ihm „zu viel Planwirtschaft“, sagte Haase einmal: Mainz sei eben „keine abgeschlossene Kapsel“, wenn die Händler nicht nach Mainz kämen, dann führen die Leute eben nach Wiesbaden zum Einkaufen. „Das ist doch Irrsinn, was wir hier betreiben“, kritisiert Haase und forderte einen Ausbau der Wirtschaftsförderung sowie eine viel konkreteres Entwickeln von Ortskernen. Im Wahlkampf veranstaltete Haase dafür unter anderem einen Afterwork-Markt auf dem Gartenfeldplatz.

Plauderte über Rheinbrücken, Stadtentwicklung und Gutenberg als Stadtmarke: OB-Kandidat Nino Haase auf der Mainz&-Interviewbank. - Foto: gik
Plauderte über Rheinbrücken, Stadtentwicklung und Gutenberg als Stadtmarke: OB-Kandidat Nino Haase auf der Mainz&-Interviewbank. – Foto: gik

Mainz müsse sich besser aufstellen und auch mehr Arbeitsplätze in der Stadt bieten, fordert Haase – die Auspendlerquote sei hoch, das schade Menschen und auch der Umwelt. Beim Thema Verkehr geht Haase durchaus eigene Wege jenseits der CDU-Linie: „Ich möchte den Weg in Richtung einer autofreien Innenstadt gehen und Fahrradachsen und Fußgängerachsen definieren“, sagte Haase im Mainz&-Interview. Das müsse aber mit einem ÖPNV-Konzept für attraktive Alternativen zusammenkommen

Einen neuen Stadtteil will auch Haase, aber nicht – wie Amtsinhaber Ebling – entlang der Rheinhessenstraße. „Wieso will man in der Frischluftschneise auf gutem Ackerland Wohnungen bauen?“, sagt Haase und plädiert stattdessen für eine Entwicklung des Layenhofs: Gemeinsam mit Ingelheim sehe er dort große Chancen für einen neuen Stadtteil, sagt Haase, schon jetzt seien da 20 Hektar Mischgebiet ausgewiesen – das Gelände biete mehr Platz als nur für 200 Wohnungen, wie von der Stadtspitze stets behauptet. „Wir müssen neue Flächen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  entwickeln, diese nicht so dicht zubauen wie beim Heiligkreuz und gleichzeitig innerstädtische Flächen nutzen wie die GFZ Kaserne“, sagt Haase. Wichtig sei, mit dem Umland endlich Interessengemeinschaften zu bilden, beim Wohnen wie auch beim Verkehr.

Der Ausbau der Rheinhessenstraße mit einer ÖPNV-Spur müsse dringend kommen, beim Thema Straßenbahnen denkt Haase aber schon weiter: „Es gibt Entwicklungen, die das Thema Schiene in einigen Jahren überflüssig machen können“, sagte er, „da ist die Frage, ob man so eine Technik heute noch so massiv ausbaut.“ Autonomes Fahren sei so eine Entwicklung, in den Stadtteilen könne er sich kleinteiligere Lösungen wie etwa Bürgerbusse vorstellen, zugleich Expresslinien, um schneller von Stadtteil zu Stadtteil zu kommen. Eine Radspur auf der Kaiserstraße rheinwärts sei möglich – oder auch eine Fahrradstraße im Bleichenviertel.

Machte sich im Kommunalwahlkampf für eine neue Rheinbrücke stark: OB-Kandidat Nino Haase. - Foto: gik
Macht sich im Kommunalwahlkampf für eine neue Rheinbrücke stark: OB-Kandidat Nino Haase. – Foto: gik

„Für die Anwohner müssen wir die Lösung finden, dass die in die Parkhäuser fahren“, sagte Haase weiter: Mainz habe 10.000 Parkplätze in Parkhäusern, die Auslastung betrage aber laut der zuständigen pmg-Gesellschaft gerade einmal 40 Prozent am Tag und nur 10 Prozent in der Nacht. „Da haben wir noch richtig viel Platz, da können wir doch die Anwohner unterbringen“, sagte Haase – etwa für 20 Euro pro Monat als Sonderform des Anwohnerparkens. Damit habe man die Straßen auch gleich vom Parksuchverkehr entlastet, der mache nämlich rund 30 Prozent des Mainzer Verkehrs aus.

Eine Citybahn nach Wiesbaden sieht Haase skeptisch: Für die langen Doppelzüge gebe es in Mainz kaum Platz für Haltestellen, die Führung über die Theodor-Heuss-Brücke sieht er kritisch. „Eine Straßenbahn fällt auch mal aus, da passieren Unfälle, das ist eben so“, sagte Haase, „wenn die Theodor-Heuss-Brücke dicht ist – dann ist hier aber Schicht.“ Wie die CDU will auch Haase eine neue, zusätzliche Rheinbrücke: „Vielleicht sollten wir die Theodor-Heuss-Brücke zur reinen ÖPNV-Brücke machen und eine zusätzliche Brücke für den Autoverkehr bauen“, sagte er. Der Verkehr müsse dann an der Innenstadt vorbei geleitet werden.

Umstrittenes Wahlplakat von Nino Haase im OB-Wahlkampf: Frauen. Grillen. Haase - Foto: gik
Eckte auch mal mit unkonformen Plakaten im Wahlkampf an: Über „Frauen. Grillen. Haase.“ wurde so viel diskutiert wie über kein anderes Wahlplakat. – Foto: gik

Insgesamt setzt Haase stark auf Konzepte: Ein Radwegekonzept für Mainz will er entwickeln mit breiten Radwegen und Linien in die Stadtteile. 1000 Bäume mehr pro Jahr für Mainz kündigte Haase auch schon einmal an, Bewusstsein für Ökologie, mehr Grünflächen und hohe Lebensqualität in Mainz nannte er bei der Vorstellung seines Wahlprogramms. „Wir müssen Bäume nachpflanzen, es geht auch um Aufenthaltsqualität“, sagte Haase jetzt, Mainz müsse sein Rheinufer endlich als „Wohnzimmer der Stadt nutzen und begreifen.“ Mit den Schiffsanlegern am Zollhafen sollen, sagte Haase, sollten sich die Gutachter  befassen, „wenn die sagen, die Lärmgrenzwerte werden deutlich gerissen, dann ist das Thema durch.“ Für die Binnenschiffer müsstendann nach Alternativen gesucht werden, die Stadtspitze habe aber „die Probleme verdrängt“ und eben keine Lösungen gesucht.

In Sachen Fluglärm will Haase gegen den weiteren Ausbau Frankfurts als Umsteige-Hub und Billigflieger-Hort kämpfen – und dem Land Rheinland-Pfalz stärker auf die Füße treten: Der Fluglärm gerade über der Mainzer Uniklinik habe „eine neue Dimension erreicht, da muss auch das Land einschreiten“, fordert er. Es brauche in den Handbüchern der Piloten „lärmschonendere Anflugverfahren, nicht nur spritsparende“, sagte Haase. Mainz müsse aber auch die Chancen des Flughafens in Sachen Wirtschaftsdynamik mehr nutzen, damit nicht das Wachstum allein in Hessen stattfinde, der Lärm aber nach Rheinhessen exportiert werde.

Neuen Schwung für Gutenberg und für Mainz insgesamt, das will OB-Kandidat Nino Haase. - Foto: Gutenberg-Museum
Neuen Schwung für Gutenberg und für Mainz insgesamt, das will OB-Kandidat Nino Haase. – Foto: Gutenberg-Museum

In acht Jahren, so Haases Vision, habe Mainz ein umfassendes Stadtentwicklungskonzept aufgestellt, mit strategischen Zielen für neue Stadtteile, einen Verkehrsmix und mehr Grünflächen. Und Mainz habe seine Stadtmarken grundlegend weiter entwickelt: Die Great Wine Capital Mainz sei „mehr als das Marktfrühstück“, der kulturelle Schatz Wein gemeinsam mit dem historischen Erbe wie der Römerzeit in ein touristisches Konzept verpackt, das der Stadt Auftrieb gebe. „Ich wünsche mir eine wirklich tolle Weinvinothek, einen zentralen Anlaufpunkt, auch für unsere Winzer, wo sie sich zentral präsentieren können und die auch begeistert“, sagte Haase: „Wir müssen uns in Mainz als Weinhauptstadt offensiv präsentieren.“

Vor allem aber müsse Mainz endlich sein einmaliges Erbe von Johannes Gutenberg zur Stadtmarke machen, sagt Haase und gleichzeitig Gutenbergs Leistung in die Moderne transportieren. Der habe ja mit dem Buch ein immer noch aktuelles Speichermedium geschaffen, die Suche nach neuen Speichertechnologien sei aber heute wieder hochaktuell. „Zusammen gedacht könnte das ein Aushängeschild für einen Technologiestandort schaffen“, sagt Haase: „Damit könnte man Mainz profilieren, so muss man das Thema denken.“ An solche Themen müsse „eine Stadtspitze ran, und da ist wirklich in den letzten Jahren nichts passiert“, kritisiert er: „Es ist mir ein Herzensanliegen, Gutenberg als Stadtmarke voran zu treiben.“

Info& auf Mainz&: In unserem Mainz&-Interview ging es noch um viele Themen, das ganze Interview könnt Ihr Euch hier im Mainz& Youtube-Kanal ansehen – viel Spaß mit Gespräch 3 auf unserer Interviewbank. Wir haben dort nacheinander alle fünf Mainzer OB-Kandidaten zu Gast, alle Gespräche sowie weitere Texte findet Ihr in unserem Dossier zur OB-Wahl 2019. Ein Porträt über Nino Haase, seine Herkunft und seinen Werdegang findet Ihr hier auf Mainz&, noch mehr zu seiner Programmatik für Mainz in diesem Mainz&-Text.

Anmerkung& auf Mainz&: Wir hatten doch tatsächlich versehentlich den gescheiterten CDU-OB-Kandidaten von 2012 zuerst „Guido Augustin“ genannt – der Mann heißt natürlich „Lukas Augustin“ und hat mit dem Mainzer Medienschaffenden Guido Augustin nun wirklich gar nichts zu tun. Wir entschuldigen uns in aller Form bei Guido Augustin, es war wirklich keine Absicht oder kein Hintergedanke dabei. Ist natürlich korrigiert.

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