Es war nur wenige Tage nach der katastrophalen Flutwelle im Ahrtal, da erhob sich eine alte Forderung neu: Es brauche „eine Pflicht zu einer Elementarschadenversicherung“, forderte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), denn ein Großteil der im Ahrtal Geschädigten war unversichert gegen elementare Schäden. 20 Monate danach gibt es diese Pflicht noch immer nicht, und die CDU-Opposition wirft Dreyers Regierung nun vor, das Thema „aussitzen“ zu wollen. Am Freitag nämlich stimmte der Bundesrat in Berlin für eine Pflichtversicherung – auf Antrag von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Rheinland-Pfalz beteiligte sich indes an der Initiative nicht – die CDU wirft der FDP Blockade vor.
Die gigantische Flutwelle im Ahrtal verwüstete in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli rund 9.000 Gebäude entlang der 40 Kilometer langen Talstrecke, doch versichert war nur ein Bruchteil der dortigen Hausbesitzer: Bei Elementarschäden wie Fluten oder Hochwasser greift eine normale Hausversicherung nicht. In Rheinland-Pfalz waren zu dem Zeitpunkt aber gerade einmal rund 37 Prozent der Bürger gegen Elementarschäden versichert, an den Bürgern lag das nur bedingt: Die wenigsten Versicherungen boten zum damaligen Zeitpunkt überhaupt eine Elementarschadensversicherung an – erst Recht nicht in Risikogebieten.
Im Januar 2021 hatte die Verbraucherzentrale von Rheinland-Pfalz die Versicherungswirtschaft deswegen scharf kritisiert: Nur sechs von 53 angeschriebenen Versicherungen boten bei einer Umfrage überhaupt eine Versicherung in Risikogebieten gegen Schäden durch Hochwasser und Starkregen an. Das sei überaus enttäuschend, kritisierte die Verbraucherzentrale damals, es brauche dringend ein sogenanntes „Opt-Out“-Verfahren: Dabei würde eine solche Elementarschadensversicherung automatisch bei Hausversicherungen mit angeboten, wer sie nicht will, kann sie streichen. Es bra8uche dringend eine Pflichtversicherung, gerade damit hohe Schäden bei Unwettern versicherbar bleiben.
FDP blockiert Pflichtversicherung gegen Elementarschäden
Dann kam die Ahrflut, und die Forderung nach einer Pflichtversicherung war plötzlich in aller Munde – nur: gekommen ist sie bis heute nicht. Dabei wollen die Bundesländer sie, im Juni 2022 sprachen sie sich einhellig für eine solche Maßnahme aus – und beauftragten den Bund, eine entsprechende Regelung umzusetzen. Doch das FDP-geführte Justizministerium weigerte sich: „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Ende 2022 dem „Handelsblatt“.
Eine solche Pflicht wäre zwar verfassungsrechtlich „wohl möglich“, erklärte der FDP-Politiker, fügte aber hinzu: „Politisch halte ich sie für falsch“. Stattdessen verwies Buschmann das Problem an die Länder: Die könnten selbst tätig werden, sollten sie eine Pflichtversicherung wünschen und für richtig halten, die Einführung „wäre ihnen rechtlich möglich“, sagte Buschmann laut einem Bericht der Tagesschau.
Den Ländern reichte das nicht, sie machten nun einen erneuten Vorstoß über den Bundesrat, mit dem nun der Bund noch einmal beauftragt wird, eine Lösung zu entwickeln. Der Vorstoß kam von den CDU- und Grünen-regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, dort hieß es: Abwarten auf das nächste Schadensereignis sei „keine Option“. Wer sich an der Initiative nicht beteiligte: Rheinland-Pfalz. Das kritisiert nun die CDU-Opposition in Mainz: „Ausgerechnet Rheinland-Pfalz schaut trotz der Flutkatastrophe wieder einmal vom Spielfeldrand aus zu“, schimpfte Tobias Vogt, Obmann der CDU-Landtagsfraktion im Ausschuss für Verbraucherschutz im Mainzer Landtag.
„Rheinland-Pfalz legt die Hände in den Schoß“
Rheinland-Pfalz sei ja nun eindeutig „Elementarschaden-Land und stark von Extremwetterereignissen geprägt“, betonte Vogt. Doch während Bundesländer wie NRW und Baden-Württemberg „die Bedeutung einer Regelung erkannt“ hätten, „legt Rheinland-Pfalz die Hände in den Schoß, statt Lösungen zu entwickeln, wie die Menschen bei uns effektiver geschützt werden können.“ Dabei lägen alle Lösungsvorschläge auf dem Tisch, die CDU habe schon im Januar 2022 eine verbindliche Opt-Out-Regelung für Elementarschäden in den Landtag eingebracht. Geschehen sei indes nichts.
Den Grund sieht die CDU bei den Liberalen: „Gerade die FDP spielt hier eine fragwürdige Rolle“, schimpfte Vogt. Denn nicht nur habe das FDP-geführte Bundesjustizministerium eine bundeseinheitliche Lösung verhindert, auch der FDP-Justizminister in Rheinland-Pfalz wolle lieber noch „abwarten, ob aus Berlin nicht doch etwas kommt.“ Den Menschen, die heute und morgen von Starkregen und anderen Elementarschadenereignissen betroffen seien, helfe das aber nichts – und es sie vor allem der Steuerzahler, der den Wiederaufbau mit Steuergeldern stemmen müsse.
Der Vorteil einer Pflichtversicherung sei, argumentieren ihre Befürworter, dass durch die breite Versicherungspflicht Einnahmen in deutlich größerer Höhe generiert würden, mit denen Schäden nach Großereignissen deutlich besser bezahlt werden könnten – und zwar durch die Versicherungswirtschaft. Diese sperrt sich denn auch wohl aus genau diesem Grund gegen eine Pflichtversicherung, ihre Bedenken hält man bei der Verbraucherzentrale indes nicht für stichhaltig: Selbst in einem so kleinen Land wie der Schweiz funktioniere eine Pflichtversicherung seit über 80 Jahren hervorragend.
Justizminister Mertin: Bedenken gegen „isolierte“ Landeslösung
Trotzdem hegt man im Mainzer Justizministerium nach Mainz&-Recherchen „erhebliche Bedenken“ gegen eine isolierte Landeslösung allein für Rheinland-Pfalz: Eine landesrechtliche Regelung würde zu einer doppelten Belastung der Bürger in Rheinland-Pfalz führen, behauptete Justizminister Herbert Mertin (FDP) Anfang März in einem Schreiben an die Landtagsfraktionen, das Mainz& vorliegt: Die Bürger müssten dann sowohl die Versicherungsbeiträge zahlen, würden gleichzeitig aber auch über ihre Steuern Schadensereignisse in anderen Bundesländern mitfinanzieren.
Dass eben diese Bürger aber dann auch über ihre Versicherungen gegen Schäden besser abgesichert wären, erwähnt der Minister nicht. Man wolle erst einmal abwarten, wie Bundesregierung nach einer erneuten Länder- und Verbändebeteiligung „über weitere Schritte entscheide“, wehrt Mertin ab. Die Zusicherung des Ministers, nach seinen Erkenntnisse „können alle Eigentümer einen Versicherungsschutz erhalten“, dürfte indes nicht stimmen: An den Ergebnissen der Marktcheck-Umfragen der Verbraucherzentrale hat sich bis heute nichts geändert.
Die CDU hat nun einen Berichtsantrag für die nächste Sitzung des Verbraucherschutzausschusses im Mainzer Landtag am 20. April gestellt. In der Sitzung will die CDU von der Landesregierung wissen, wie sich die Versichertenquote in Bezug auf Elementarschadensversicherungen in Rheinland-Pfalz seit der Ahrflut entwickelt hat, und welche Maßnahmen die Landesregierung seither ergriffen hat, um die Quote zu erhöhen.
„Ist sichergestellt, dass Verbraucher in allen Regionen von Rheinland-Pfalz Versicherungsangebote bekommen?“, fragt die CDU weiter. Zumindest eine Frage der CDU wurde am Freitag schon mal beantwortet: Rheinland-Pfalz stimmte am Freitag im Bundesrat der Initiative von NRW und BaWü zu.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Elementarschadensversicherung und Forderungen dazu sowie den Argumenten für und wider lest Ihr hier bei Mainz&. Ausführliche Informationen zu einer Elementarschadensversicherung findet Ihr hier bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, dort verspricht man auch Hilfe für den Fall, dass die Versicherungen keine solche Versicherungen anbieten wollen.