Sie heimsen längst Preise am Fließband ein, gerade wieder ist das Mainzer N’Eis bei Falstaff zur beliebtesten Eisdiele im Rhein-Main-Gebiet gewählt worden. Beim Varta-Führer gehört N’Eis zu den 20 besten Eisdielen, im Manager Magazin zu den 40 besten – das Mainzer Neustadteis hat längst den Sprung über die Grenzen von Mainz hinaus geschafft. N’Eis ist längst Kult – kein Wunder, wenn man nur hochwertige regionale Zutaten verwendet, ständig neue Eissorten kreiert, und diese auch noch jeden Tag auf Facebook in ein kleines Gedicht verpackt bekannt gibt. Mainz& hat die Macherinnen von N’Eis besucht, und der eine Teil des erfolgreichen Unternehmerinnen-Duos, Julia, hat ausführlich mit uns über die Philosophie und die unglaubliche Entstehungsgeschichte von N’Eis geplaudert.
„Love is in the air, und mit einer Kugel Schmand-Aprikose fühlt Ihr das gleich noch viel mehr“, heißt es bei N’Eis auf Facebook. Oder: „Das ist der absolute Sommergenuss, unsere neue Sorte Kolanuss.“ Keine Frage, das N’Eis in der Mainzer Neustadt ist keine normale Eisdiele. „Wir wollten eigentlich ein Café aufmachen“, sagt Julia von Dreusche. Der kleine Eckladen in der Mainzer Neustadt bot aber kaum Sitzplätze, doch dem Stadtviertel, das sich gerade anschickte, zum coolen In-Viertel von Mainz zu werden, fehlte noch eine Eisdiele. In der Eisfachschule in Werl machten Julia und Anke in nur einer Woche ihr Eisdiplom, nach drei vier Monaten schmissen sie ihre Jobs – es war der Beginn einer schier unglaublichen Startup-Erfolgsstory.
Julia von Dreusche und Anke Carduck lernten sich im Studium kennen, Medienmanagement studierten sie, erst in Ilmenau bei Erfurt, dann in Mainz. „Ich wollte eigentlich Stuntgirl werden“, sagt Julia, die in Nieder-Olm aufgewachsen ist: „Unternehmerin konnte ich mir gar nicht vorstellen, auf das Chefsein nicht.“ Doch der Job in einer Medienagentur machte sie nicht wirklich glücklich. „In der Agentur, nach dem Bürojob gehst du irgendwie nicht nach Hause und sagst, ich habe heute jemanden glücklich gemacht“, sagt Julia. Die Sehnsucht blieb. Dann stolperten die beiden Neustadt-Mädels über den kleinen, leer stehenden Eckladen, im März 2013 öffnete N’Eis seine Türen.
„Von Stunde eins an hörte die Schlange vor dem Laden nicht mehr auf“, erinnert sich Julia. Das werde nicht jeden Tag so sein, sagten sie am Anfang noch. „Ich wurde eines Besseren belehrt“, sagt sie trocken. In Rekordzeit wurde das N’Eis zur Kult-Eisdiele von Mainz und darüber hinaus. Das pfiffige Marketing sprach genau die Zielgruppe der jungen, hippen Städter an, dazu kam eine unglaubliche Kreativität: Basilikumeis oder Honig-Rosmarin-Eis. Tonkabohne, Feige-Walnuss oder Zitronengras-Ingwer. Unerreicht bis heute sind das Lavendeleis und das Milchreiseis.
Mehr als 130 Eissorten haben die beiden Macherinnen seither erfunden. „Ich probiere einfach gerne“, sagt Julia, „und wie so vieles, hat sich das bei uns von allein entwickelt.“ Dazu setzte N’Eis konsequent auf natürlich Zutaten. „Von Anfang an war unser Ding, dass wir keine künstlichen Aromen benutzen“, betont Julia. Keine Farbstoffe, keine Stabilisatoren, deshalb gibt es bei N’Eis auch keine Sorten wie Schlumpfeis – die blaue Lebensmittelfarbe ist tabu. Dafür schmelzen die Kugeln schneller, denn auch Stabilisatoren kommen hier nicht ins Eis.
Der Erfolg gab Anke und Julia Recht: N’Eis wurde förmlich überrannt. Nach drei, vier Monaten schmissen sie den Job in der Werbeagentur, den sie sich zuletzt noch geteilt hatten – die Eisdiele wurde zu viel Arbeit. „Das ist richtig viel Arbeit, das können sich viele nicht vorstellen“, sagt Julia. In den Wintermonaten Januar und Februar vermieteten sie den Laden an andere Startups unter, mal an einen Teeladen, mal an coole T-Shirts. „Ohne Familiensupport wäre das nicht gegangen“, erinnert sich Julia, „Millionär wird man mit Eis ohnehin nicht.“
Das durchdachte Marketing mit den frischen Farben verhalf der Eisdiele zu einem ungewöhnlichen Auftritt, die kleine Eule im Logo stellte den Bezug zur Neustadt her: Die Eule wurde auf jener römischen Jupitersäule gefunden, die einst am Rande der heutigen Neustadt von Kaufleuten und Händlern im römischen Mainz errichtet wurde. Die Arbeit und der Schweiß lohnten sich: N’Eis gewann den Gründerpreis Pioniergeist und den Mainzer Wirtschaftspreis.
„Unser Ziel war nie, wir wollen in zehn Jahren da und da sein“, sagt die 36-Jährige, „ganz viele Dinge kamen einfach auf uns zu.“ Als sie die Ausschreibung „Eis am Rheinufer“ gewannen, kauften sie einen VW-Bus als mobilen Verkaufsladen. Als der Betreiber der Summer in the City-Konzerte ihr Eis wollte, schafften sie einen Verkaufshänger an und verkauften 11.000 Besuchern bei den Fanta4 N’Eis. „Ein Traum“, sagt Julia. Ende 2016 bot man ihnen ein kleines Wehrhäuschen am Winterhafen zum Kauf. „Expansion ist für uns kein Thema“, sagte Julia am Telefon. Sie gingen trotzdem zur Besichtigung, Im Frühjahr 2017 eröffnete in dem sanierten alten Wehrhäuschen Häuschen die zweite N’Eis-Diele.
Der zweite Laden habe eine völlig neue Entwicklungsstufe ausgelöst, sagt Julia – eine größere Küche musste her. Inzwischen haben die jungen Chefinnen zehn Festangestellte und 60 Aushilfen, und selbst das reiche bei all den Engagements noch nicht aus. Zwei Läden und eine eigene Küche in Mainz-Gonsenheim wollen gemanagt werden, dazu zahlreiche Einsätze auf Festen in Wiesbaden und Mainz, auf Hochzeiten, Konzerten. Dazu kann man N’Eis inzwischen in diversen Restaurants bestellen, es gibt N’Eis at Home – vorgefertigte Eis-Misch-Sets sowie ein Rezeptbuch für N’Eis zum Selbermachen. Haben sie noch Ziele? „Mein Ziel ist im Moment eine bessere Work-Live-Balance“, sagt Julia, und lacht. Sie müsse unbedingt besser „Nein“-Sagen lernen, sagt sie noch: „Letzten Endes ist es ja nur Eis.“
Info& auf Mainz&: N’Eis – das Neustadteis findet Ihr in der Mainzer Neustadt am Gartenfeldplatz sowie am Winterhafen, dazu hier im Internet und zur Facebookseite mit den gedichteten Tagesankündigungen geht es hier entlang. Eine Kugel Eis kostet bei N’Eis aktuell 1,30 Euro.