Der Mainzer Stadtvorstand ist am Mittwoch deutlich bunter geworden: Zu den Dezernenten von SPD und Grünen gesellt sich nun eine CDU-Dezernentin – die Unternehmerin Manuela Matz wurde überraschend deutlich zur neuen Wirtschaftsdezernentin von Mainz gewählt. Matz reichte gleich eine einfache Mehrheit im ersten Wahlgang, weil sie die Fraktionen der Ampel-Koalition geschlossen enthielten. Es war ein Angebot zur Zusammenarbeit – Matz ist, wie die anderen Dezernenten des Stadtvorstands auch, auf acht Jahre gewählt. Mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde zudem Verkehrs- udn Umweltdezernentin Katrin Eder, die Grünen-Politikerin setzte sich mit 36 Stimmen zu 21 Stimmen durch. Der große Verlierer des Tages heißt FDP: Sie ist nun im Stadtvorstand nicht mehr vertreten.
Am Ende ging es überraschend schnell: Anstelle von drei quälenden Wahlgängen schaffte der Mainzer Stadtrat gleich im ersten Anlauf klare Verhältnisse. 59 Stimmen wurden im 60 Räte zählenden Stadrat am Mittwoch abgegeben, davon gab es 38 Enthaltungen. Enthaltungen aber werden bei der Ermittlung der Mehrheit nicht mitgerechnet, damit gab es noch 21 gütige Stimmen, damit hätten schon elf Stimmen für eine Mehrheit gereicht. Matz konnte im ersten Wahlgang 18 Stimmen erringen, das entspricht den 18 Sitzen der CDU-Fraktion. Ihr Gegenkandidat Thomas Rosner kam auf nur drei Stimmen.
Damit zieht die 54 Jahre alte Wirtschaftsjuristin ab dem 8. Dezember als neue Mainzer Wirtschaftsdezernentin in das Mainzer Rathaus ein. „Ich bin geflasht“, sagte Matz nach ihrer Wahl gegenüber Mainz&, sie sei im Moment sehr überwältigt. „Das muss sich jetzt alles erst einmal setzen, ich muss jetzt einen Überblick gewinnen“, sagte Matz. Die Unternehmerin hatte 48 Stunden Zeit gehabt, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass sie eine ernsthafte Chance auf den Posten hatte – Auslöser war der plötzliche Abgang des bisherigen Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte (FDP). Der hatte am Montag völlig überraschend seinen Verzicht auf das Amt verkündet, und damit seine Partei und die Ampel-Koalition vor vollendete Tatsachen gestellt – eine Nachnominierung war nicht möglich. Die Freie Wählergemeinschaft hatte daraufhin am Dienstag den externen Bewerber Thomas Rosner nominiert, der Baden-Württemberg hatte jedoch keine Chance.
Zu Beginn der Stadtratssitzung hatte die FDP-Fraktion zunächst die Absetzung der Wahl von der Tagesordnung beantragt. „Es hat sich eine etwas chaotische Situation ergeben“, sagte FDP-Fraktionschef Walter Koppius: „Die Umstände sind so unverständlich, dass eine Absetzung beantragt werden muss.“ Die CDU-Opposition sah das anders: „Dass ein Bewerber zurückzieht, bedeutet nicht gleich Chaos“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig, es gebe zwei Bewerber für den Posten, die CDU lehne eine Absetzung der Wahl ab. Schönig konnte sich aber auch nicht enthalten, der Ampel-Mehrheit noch etwas mitzugeben: Die Ampel habe in den vergangenen Monaten stets jede inhaltliche Diskussion von Ideen der CDU und alle Anträge „allein aus machtpolitischen Gründen abgelehnt“, sagte Schönig.
Danach stellten sich Matz und Rosner jeweils 15-minütigen Reden dem Stadtrat vor. Matz betonte dabei noch einmal sie habe Ideen für die Stadt, sie fühle sich „gut vorbereitet, die Entwicklung dieser wichtigen Stadt zu gestalten.“ Inhaltlich nannte sie vor allem die Stärkung des Tourismus, eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur, eine moderne Parkplatzbewirtschaftung, aber auch einen Ausbau von Digitalisierung und schnellem Internet. „Wir müssen hier echt Gas geben, um mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu sein“, sagte Matz. Sie wolle deshalb eine Task Force zum Ausbau des Glasfasernetzes einberufen und alle Stadtteile möglichst schnell flächendeckend mit schnellem Internet zu versorgen.
Auch auf Unternehmen und Firmen wolle sie mehr zugehen, Existenzgründer fördern und eine 24-Stunden-Hotline für ansiedlungswillige Unternehmen schaffen, sagte Matz weiter. Das Zentrenkonzept wolle sie „weiterentwickeln“, sagte Matz, konkrete Aussagen dazu blieb sie aber schuldig. Nach dem Vorbild von Köln wolle sie aber auch in Mainz einen Beirat mit allen Beteiligten schaffen, der Veränderung am Zentrenkonzept erarbeiten solle. „Wir wollen unsere sympathische Innenstadt lebendig erhalten, schließlich schlägt hier das Herz von Mainz“, sagte Matz. Dazu gehöre auch, den Tourismus noch deutlich mehr zu stärken, dieser könne „noch viel größerer Wirtschaftsfaktor sein.“ Auch dass Mainz Great Wine Capital sei, könne noch erheblich deutlicher gemacht werden, „hier haben andere die Nase vorn.“
Ihr Gegenkandidat, der parteilose Ex-Bürgermeister Thomas Rosner aus dem württembergischen Steinheim bei Stuttgart konnte zwar erste Lacher mit der Bemerkung sammeln, er habe eigentlich einen Friseurtermin gehabt, danach aber verflachte seine Rede deutlich. Er bringe „vielfältige Erkenntnisse, Erfahrungen sowie belegbare Erfolge“ mit sagte Rosner, benennen tat er sie indes nicht. Rosner unterstrich seine Erfahrung sowohl aus der Wirtschaft als auch in der kommunalen Verwaltung, musste aber bei Nachfragen auch einräumen: Die Mainzer Verhältnisse kenne er zu wenig.
Am Ende war Rosner als Externer chancenlos, nur drei Stimmen entfielen am Ende auf ihn – damit war Matz gewählt. Dass sich die Ampel-Fraktion in der Wahl geschlossen enthielt, war ein deutliches Zeichen in Richtung Zusammenarbeit und Realitätssinn. Der Start der neuen CDU-Stadtbeigeordneten sollte offenbar nicht vergiften werden – im Extremfall müssen SPD, Grüne und CDU nun acht Jahre lang im Stadtvorstand zusammenarbeiten. „Ich möchte Dezernentin für alle Mainzer sein, mit einem offenen Ohr, parteiübergreifend“, betonte Matz denn auch ausdrücklich in ihrer Rede vor dem Stadtrat: „Nur gemeinsam kommen wir voran.“
Die Wahl dürfte aber auch Auswirkungen auf die Kommunalwahl im Mai 2019 haben: Für die CDU ist eine aktive Vertreterin im Stadtvorstand ein Pfund, mit dem sie wuchern kann, sie kann nun Regierungsfähigkeit und Gestaltungswillen nachweisen. Ein Debakel sind die Vorgänge hingegen für die FDP: Die Liberalen verlieren ihr sichtbares Aushängeschild im Stadtvorstand, die gerade einmal drei Vertreter kleine Fraktion war ohnehin in den vergangenen Jahren nicht besonders sichtbar. Die Liberalen werden nun große Schwierigkeiten haben, ihren Wählern im kommenden Wahlkampf deutlich zu machen, was man erreicht hat und wofür man steht.
Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) bot Matz denn auch direkt nach ihrer Wahl „eine gute Zusammenarbeit“ an, auch der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher tat dies. „Ich wünsche im Namen der SPD-Fraktion ein gutes Händchen“, gratulierte auch SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers, „wir haben Interesse an einer guten Zusammenarbeit.“
Deutlich unspektakulärer verlief danach die Wahl zur Dezernentin für Verkehr und Umwelt: Mit 36 Stimmen wurde Amtsinhaberin Katrin Eder im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt, nur 21 Stimmen entfielen auf ihren Gegenkandidaten Thomas Gerster (CDU). Damit erhielt Eder sogar mehr Stimmen als die 32 Stimmen der Ampel-Koalition, Gerster erhielt drei Stimmen mehr als die CDU Stimmen hat. Eder hielt zuvor eine engagierte und kämpferische Rede, in der sie noch einmal eindringlich für ihre Ziele einer Verkehrswende und mehr Klimaschutz warb.
Ihr Ziel sei, endlich auch ÖPNV und Radverkehr gleichberechtigte Geltung im Stadtverkehr zu verschaffen, betonte Eder: „Wir brauchen ein überzeugendes Angebot im ÖPNV, und das kann nur die Schiene sein.“ Aus allen Stadtteilen wolle sie attraktive Radverkehrsrouten in die Stadt schaffen, das könne mit klugen Ampelschaltungen, Routen durch Nebenstraßen und Fahrradstraßen geschehen. „Lassen Sie uns echte Radpolitik machen, und dem Rad von Hauswand zu Hauswand Platz schaffen“, warb Eder.
Dazu habe der Hitzesommer 2018 die große Bedeutung des Klimaschutzes gezeigt, Mainz müsse mehr gegen Hitzeinseln und für Grün in der Stadt tun, sagte Eder. Ziele seien eine Ausdehnung der Dachbegrünung, auch das Ausprobieren von Fassadenbegrünung, auch wolle sie gegen „Gärten des Grauens“ vorgehen – Vorgärten, die in Steinwüsten verwandelt werden. „Wir müssen uns auch überlegen, wo wir neues Grün schaffen können“, sagte Eder, „der Hitzesommer hat es gezeigt, die Zeit der Betonflächen ist vorbei.“
Eder ging auch auf Vorwürfe ein, sie mache eine „ideologische“ Verkehrspolitik. „Was ist an Haltung schlecht?“, sagte sie, ihre klare Haltung führe eben dazu, „dass nicht immer allen wohl und niemand weh“ handeln könne. „Mit mir kann man reden, ich bin standhaft an Projekten dran, auch wenn der Wind weht“, unterstrich Eder: „Ich stehe dafür, dass wir in der Stadt viel Grün erhalten und neues schaffen, und die Stadt lebenswert erhalten.“ Mehr zu Eders Plänen für die Stadt lest Ihr hier bei Mainz&.
Dieselben Ziele, andere Wege – so ließe sich die Gegenrede des CDU-Kandidaten Thomas Gerster zusammenfassen. Der langjährige CDU-Verkehrsexperte forderte ein integriertes Verkehrskonzept und unterstrich, er wolle mit dem Ausbau des Mainzer Rings und einer neuen Rheinbrücke den Pendlerverkehr aus der Stadt heraus halten. Auch Gerster hielt eine sehr engagierte Rede, voll mit Ideen und eigenen Ansätzen. Sein Gegenmodell zu Eder lautete: „Wir brauchen eine Trennung von Rad, Kfz- und Fußgängerverkehr“, das gebiete die Sicherheit. „Ich möchte ein Verkehrsdezernent für alle Verkehrsteilnehmer sein“, betonte Gerster, der auch eine Schwerpunkt auf mehr Grün in der Stadt, ein attraktives Rheinufer sowie eine bessere Bekämpfung der Ratten in der Innenstadt legte – mehr zu Gersters Vorstellung lest Ihr hier bei Mainz&.
Eine Chance hatte Gerster nicht, die Ampelkoalition stand geschlossen hinter ihrer Dezernentin. Sie sei „ganz erleichtert“, sagte Eder nach ihrer Wiederwahl gegenüber Mainz&, sie gehe nun mit neuem Schwung an die kommenden acht Jahre. „Es ist noch viel zu tun“, fügte sie hinzu.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den beiden Kandidaten für das Wirtschaftsdezernat mit ausführlichen Informationen zu Manuela Matz und ihrem Werdegang lest Ihr hier bei Mainz&. Die Vorstellung der beiden Kandidaten für das Verkehrsdezernat lest Ihr hier noch einmal.