Nach dem Ärger um eine digitale oder eben nicht digitale Ortsbeiratssitzung Anfang November geht der Ortsbeirat Mainz-Altstadt nun schlicht eigene Wege: Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) organisierte für diesen Donnerstag auf eigene Faust eine informelle virtuelle Sitzung. Er habe „auf Wunsch der Mitglieder und ohne die Mitwirkung der restlichen Verwaltung“ eine Videokonferenz organisiert, auf der sich die Ortsbeiräte über die anstehenden Punkte austauschen könnten, teilte Huck mit – die Mainzer Stadtverwaltung lehnt Online-Sitzungen trotz höchster Corona-Infektionszahlen weiter ab. Spannend dabei: Auch die Bürger sind zur Online-Teilnahme eingeladen.
Seit Wochen herrscht Streit zwischen Kommunalvertretern und der Mainzer Stadtverwaltung über die Frage, ob Sitzungen von Ausschüssen und anderen städtischen Gremien als Online-Konferenzen stattfinden können. Ende Oktober hatte bereits die Stadtratsfraktion von Piraten & Volt Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) aufgefordert, Vorsorge für den Fall zu treffen, dass Deutschland erneut in den Lockdown gehen müsse – keine zwei Wochen später war es so weit: Deutschland ging in den November-Teil-Lockdown, doch die städtischen Gremien tagen unverdrossen weiter in Präsenz.
In der ersten Lockdown-Woche dann protestierte der Ortsbeirat Mainz-Altstadt: Die Mitglieder wollten angesichts der zu dem Zeitpunkt noch exponentiell steigenden Infektionszahlen ihre Sitzung lieber digital abhalten – die Verwaltung lehnte das ab, ein Appell der Parteien an OB Ebling blieb ohne Antwort. Die CDU-Fraktion wandte sich schließlich sogar in einem Offenen Brief an Ebling: „Eine ausschließliche Präsenzsitzung stellt in der jetzigen Situation ein unnötiges Infektions- und Verbreitungsrisiko dar“, kritisierte CDU-Ortsbeiratsmitglied Matthias Miederer, man habe „bis zuletzt gehofft“, dass der OB zur Einsicht komme und die Möglichkeit zur Online-Konferenz eröffne – aber vergeblich.
Die Ortsbeiratssitzung fand letztlich mit einer Mindestbesetzung in Präsenzform statt, die Bedenken aber blieben: Am Montag meldete das Gesundheitsamt Mainz-Bingen 147 neue Corona-Infektionen über das Wochenende, die 7-Tages-Inzidenz, die zuletzt bei etwa 210 gelegen hatte, stieg wieder erheblich an: Am Montag lag sie bei 242. Mainz gehört damit zu den bundesweit am schlimmsten betroffenen Corona-Hotspots. Trotzdem finden die meisten städtischen Ausschüsse, aber auch Ortsbeiräte weiter in präsenzform statt – Teilnehmer berichten zuweilen von 30 bis 40 Menschen auf engem Raum.
Die Verwaltung habe weiter „formale Bedenken, den amtlichen Charakter von virtuellen Sitzungen anzuerkennen“, sagte Ortsvorsteher Brian Huck nun – die Stadt Mainz argumentiert seit Wochen, es gebe rechtliche Bedenken zur Wirksamkeit der mittels Video-Konferenz gefassten Beschlüsse. Zu verstehen ist das nicht: Im Mai machte der rheinland-pfälzische Landtag den Weg für elektronische Gremiensitzungen auch auf kommunaler Ebene frei, seither sind digitale Sitzungen explizit erlaubt – Beschlussfassung inklusive. Seither dürfen „Beschlüsse auch in einem schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahren oder mittels Video- oder Telefonkonferenz“, gefasst werden, heißt es beim Gemeinde- und Städtebund – dort empfiehlt man zudem, „Präsenzsitzungen derzeit auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren und nur in unaufschiebbaren Angelegenheiten abzuhalten.“
Er habe nun „auf Wunsch der Mitglieder und ohne die Mitwirkung der restlichen Verwaltung“ eine Videokonferenz für diesen Donnerstag organisiert, teilte Huck nun mit, Vertreter aller im Ortsbeirat vertretenen Parteien hätten signalisiert, daran auch teilnehmen zu wollen. Wir „hoffen, dass wir im Rahmen dieser Diskussion Argumente austauschen können, um dann die Zeit, die von der nächsten offiziellen Präsenzsitzung am 8. Dezember in Anspruch genommen wird, zu minimieren“, betonte Huck weiter. Am 8. Dezember solle dann nur noch die formale Beschlussfassung „ohne besondere Aussprache im pandemiebedingten Schnelldurchmarsch“ vorgenommen werden.
Die reichhaltige Tagesordnung umfasst mehr als 34 Punkte, darunter sind durchaus spannende Themen: Eingeladen ist der erste Mainzer Nachtkulturbeauftragte Timo Filtzinger, der einen Bericht über seine Arbeit geben soll. Zudem widmet sich der Ortsbeirat unter anderem dem Bebauungsplan für die Große Langgasse, der Rheinufergestaltung, dem Radweg in der Weißliliengasse und der Neuregelung des Verkehrs in der Neutorstraße. Die Linke will zudem die Versiegelung des Romano-Guardini-Platzes rückgängig machen, die CDU fragt unter anderem nach Kontrollen des Rad- und Fußgängerverkehrs.
Die SPD möchte mehr zum Material der geplanten neuen Rathausfassade wissen, die FDP bringt einen Antrag auf Umbenennung der südlichen Eisenbahnbrücke nach ihrem Erbauer Heinrich Gottfried Gerber ein. Die Grünen machen unter anderem die „schwierige Suche nach stillen Örtchen“ in der Altstadt zum Thema. Streit könnte es um eine Plakatierungsverordnung und damit um die Frage geben, wo Plakate in künftigen Wahlkämpfen aufgestellt werden dürfen.
„Uns ist auch an der Öffentlichkeit der Sitzung gelegen“, unterstrich Huck zudem – die Bürger sowie die Presse seien deshalb eingeladen, sich zeitgleich einzuwählen und der Sitzung zu folgen. „Wir hoffen, dass dies sogar stärker in Anspruch genommen wird als das Aufsuchen des Konferenzraums im Stadthaus, wo wir uns normalerweise treffen“, sagte Huck. So weit ihm bekannt sei, wäre dies zumindest de facto „der allererste Ortsbeirat in Mainz, der eine virtuelle Sitzung durchführt.“