Die Stadtratsfraktion Piraten & Volt übt scharfe Kritik an dem Agieren der Stadt Mainz in der Corona-Pandemie: Wenn am Mittwoch der Mainzer Stadtrat tage, werde das 60-Personen-Gremium das in Vollbesetzung tun – eine generelle Maskenpflicht für die Dauer der Sitzung gebe es aber nicht, kritisieren die Stadträte der Gemeinschaftsfraktion von Piraten und Volt. Auch Ausschusssitzungen fänden weiter in Präsenz statt, und das trotz der Aufforderungen zu Kontakteinschränkungen wegen der zweiten Coronawelle, viele Gremiensitzungen würden auch ganz abgesagt – technische Lösungen zur digitalen Durchführung von städtischen Sitzungen gebe es weiter nicht. Es sei „unverantwortlich“, den Gesundheitsschutz so zu gefährden, ein solcher Stadtrat sei ein potenzielles Superspreader-Event.

Stadtratssitzung im September in der Halle 45. - Foto: gik
Stadtratssitzung im September in der Halle 45. – Foto: gik

Bereits vor gut drei Wochen hatte die junge Fraktion dringend Lösungen für digitale Ausschusssitzungen angemahnt: Angesichts eines drohenden erneuten Lockdowns des öffentlichen Lebens müsse Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) schnellstmöglichst dafür sorgen, dass städtische Gremiensitzungen vollständig digital stattfinden könnten, forderten Piraten & Volt in einer Email an das Stadtoberhaupt, und warnten: „Es gilt“zu verhindern, dass, wie bereits während der ersten Infektionswelle, sämtliche Ausschusssitzungen vertagt werden und der Stadtrat lediglich in halber Besetzung tagt.“ Die Funktionsfähigkeit des Mainzer Stadtrates und aller Gremien „muss unbedingt gewährleistet bleiben“, forderten sie.

Inzwischen ist Deutschland seit dem 2. November im Teil-Lockdown, doch in der Stadt Mainz werden Gremiensitzungen weiter in Präsenzform abgehalten. „Bei der Sitzung des Bauausschusses waren wir zwischenzeitlich 41 Menschen im Saal“, berichtete Florian Köhler-Langes, Mitglied im Bau-und Sanierungsausschuss für die Fraktion. Fenster seien aber erst nach zwei Stunden und auch nur auf Nachfrage geöffnet worden, „lediglich zwei Menschen hatten die ganze Zeit über eine Maske an“, kritisierte Köhler-Langes. Nach der aktuell gültigen Corona-Bekämpfungsverordnung „sind wir alle angehalten, Kontakte auf das absolute Minimum zu reduzieren“, betonte er, daran müsse sich auch die Kommunalpolitik halten, „besser noch: eine Vorbildfunktion einnehmen.“

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Mainz gehört laut RKI zu den bundesweit am schlimmsten betroffenen Corona-Hotspots in der zweiten Welle. - Screenshot: gik
Mainz gehört laut RKI zu den bundesweit am schlimmsten betroffenen Corona-Hotspots in der zweiten Welle. – Screenshot: gik

Tatsächlich tagten seit dem 2. November Werks und Bauausschuss, der Schulträgerausschuss, der Schulausschuss und der Jugendträgerausschuss, auch Verkehrs-, Finanz- und Sozialausschuss kamen zu Sitzungen zusammen – alles in Präsenz. Abgesagt wurden lediglich einige wenige Ortsbeiräte, die so vor der anstehenden Stadtratssitzung keine Voten mehr abgeben konnten. Anfang November hatte auch die CDU Mainz-Altstadt in einem Offenen Brief kritisiert, die Stadt weigere sich, Online-Sitzungen zu ermöglichen und bestehe auf Präsenzsitzungen, das sei derzeit „Situation ein unnötiges Infektions- und Verbreitungsrisiko.“

Inzwischen gehört Mainz zu den bundesweit am schlimmsten betroffenen Corona-Hotspots, Ende vergangener Woche wurde eine 7-Tages-Inzidenz von 260 erreicht – das war Platz 13 der bundesweit am schlimmsten betroffenen Städte. Am Mittwoch tagt nun der Mainzer Stadtrat, und auch das Gremium werde in voller Besetzung mit 60 Mitgliedern, sowie dazu Verwaltungsangestellten, Bürgern und Pressevertretern zusammenkommen, kritisieren Piraten & Volt weiter: „Solch eine Veranstaltung kann schnell der Gefahr laufen, zu einem Superspreader-Event zu werden.“

Tagen in der Mainzer Rheingoldhalle - die Mainzplus Citymarketing wirbt explizit für digitale und hybride Kongresse. - Foto: wikonect Sven Bratulic
Tagen in der Mainzer Rheingoldhalle – die Mainzplus Citymarketing wirbt explizit für digitale und hybride Kongresse. – Foto: wikonect Sven Bratulic

Eine Maskenpflicht gelte zwar – aber nur bis zum Platz, kritisieren Piraten & Volt, das sei zu wenig: „Eine Maskenpflicht während der Sitzung des Stadtrates wurde leider abgelehnt.“ Während Schüler, Lehrer, Kranken- und Altenpfleger „und viele weitere Menschen in ihrer Freizeit und ihrem Beruf stundenlang eine Maske tragen (müssen), sollten sich auch die Mitglieder des Rates diese Pflicht auferlegen können“, betont die Fraktion. „Aus unserer Sicht ist es unverantwortlich, keine geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Gesundheit der Rats-und Ausschussmitglieder zu garantieren“, kritisiert Fraktionschef Tim Scharmann. Das sei „ein falsches Signal an all jene, die jeden Tag ihren eigenen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten.“

Zudem habe die Stadt Mainz bereits im Mai dieses Jahres mitgeteilt, man würde technische Lösungen zur digitalen Durchführung von städtischen Sitzungen prüfen – geschehen sei aber nichts. „Auch die Stadt Mainz hatte Zeit, ihre Abläufe und Strukturen zu optimieren, aber das Szenario aus der ersten „Welle“ wiederholt sich“, kritisierten Piraten & Volt weiter. Kommunalpolitik müsse aber „auch und gerade in Krisenzeiten funktionieren.“ Jetzt heiße es auf erneute Nachfrage beim Oberbürgermeister, man bezweifle bei digitalen Sitzungen die Rechtsverbindlichkeit von Beschlüssen, wenn während der Sitzung bei einzelnen Ratsmitgliedern technische Probleme auftreten sollten.

Wirft der Stadt Mainz Untätigkeit in Sachen digitale Sitzungen vor: VOLT-Fraktionschef Tim Scharmann. - Grafik: VOLT
Wirft der Stadt Mainz Untätigkeit in Sachen digitale Sitzungen vor: VOLT-Fraktionschef Tim Scharmann. – Grafik: VOLT

Allerdings machte im Frühjahr der rheinland-pfälzische Landtag den Weg für digitale Ausschusssitzungen auch auf kommunaler Ebene frei und gab damit den Kommunen Rechtssicherheit für diese Art des Tages. Auch tagen die Ausschüsse des Mainzer Landtags in diesen Wochen ebenso wieder digital wie im ersten Corona-Lockdown – von Problemen mit der Rechtsverbindlichkeit der dort getroffenen Abstimmungen ist bisher nichts bekannt. Das Abstimmungsverhalten könne zudem kurz nach Beginn der Sitzung ja bereits festgehalten werden und wäre für den Fall technischer Schwierigkeiten festgehalten, schlagen Piraten & Volt vor: „Sollte die Wirksamkeit eines Beschlusses von einer Fraktion angezweifelt werden könnte der Beschluss in einer nächsten Präsenzsitzung erneut aufgegriffen werden.“

Erstaunlich ist die Weigerung der Stadt, digitale Tagungsformate aufzulegen auch deshalb, weil man die Kompetenz sozusagen im eigenen Haus hätte: Im August teilte die Mainzplus Citymarketing mit, man habe gemeinsam mit der Agentur Wikonect die neue Produktmarke „mainzplus digital – powered by wikonect“ geschaffen: die Marke sei zur Umsetzung digitaler Kongressformate entstanden. „Mithilfe modernster Technologien können Tagungen und Kongress ab sofort „hybrid“ – also sowohl physisch vor Ort als auch gleichzeitig im virtuellen Raum – durchgeführt werden“, betonte die Mainzplus im August: Das neue Produkt sei „ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Wiederaufnahme von Tagungs- und Kongressveranstaltungen“, konkret seien vielfältige Live-Produktionen für Konferenzen, Events, Tagungen und Messen möglich  – Planung, Inszenierung und Bildregie inklusive.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Forderung nach digitalen Lösungen für Ausschusssitzungen findet Ihr hier bei Mainz&. Die Sitzung des Mainzer Stadtrats in der Mainzer Rheingoldhalle wird übrigens am Mittwoch per Livestream übertragen, es ist das zweite Mal seit September, das die Bürger die Sitzung digital und live im Internet verfolgen können. Die Sitzung wird auf dieser Internetseite der Stadt Mainz gestreamt, dort findet Ihr auch die Tagesordnung des Gremiums sowie eine Aufzeichnung der Stadtratssitzung vom 23. September 2020 – damals ging es unter anderem um die Rathaussanierung.

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