Steht das Projekt der Rheinhessen Sternwarte in Stadecken vor dem Aus? Die Astronomische Arbeitsgemeinschaft (AAG) Mainz wollte in diesem Jahr mit dem Bau der Sternwarte auf dem Pfadberg neben der Stadecker Warte beginnen, es sollte der Ersatz für die 2012 geschlossene Mainzer Volkssternwarte werden. Doch nun herrschen Verzweiflung und Ratlosigkeit bei der AAG: Die Bauverwaltung beim Kreis Mainz-Bingen hat eine eingereichte Bauvoranfrage abschlägig entschieden, für das Projekt sei ein Bebauungsplan nötig, heißt es. Der aber werde das Vorhaben um Monate, wenn nicht Jahre verzögern, sagt Jan-David Förster, Projektverantwortlicher der AAG: Das Projekt Sternwarte droht zu scheitern.

Jan-David Förster in der alten Kuppel der Sternwarte in Mainz. Von hier schaute die AAG mehr als 50 Jahre lang mit den Mainzern in den Himmel. – Foto: gik

Mehr als 50 Jahre lang leitete die AAG die Volkssternwarte auf der Anne-Frank-Schule in Mainz. Führungen für Schulklassen und Beobachtungsabende in der Kuppel mit dem großen Teleskop, wissenschaftliche Vorträge und vor allem die Abende in dem Seminarraum unter der Kuppel mit dem Stellarium, einer Abbildung des Weltalls – 100.000 Mainzer nutzten nach Angaben der AAG die Sternwarte. Hunderte pilgerten an Abenden der Offenen Tür die Stufen hinauf auf den Turm, ließen sich vom Blick in den Sternenhimmel faszinieren oder staunten über Kometen und Sonnenfinsternis.

2012 schloss die Stadt Mainz die Sternwarte wegen angeblich unlösbarer Brandschutzbestimmungen, seither ist die AAG mit ihren Teleskopen und Archiven heimatlos. Das sollte sich nun endlich ändern: Im rheinhessischen Stadecken sollte auf dem Pfadberg eine neue Sternwarte entstehen. Es sollte ein einfaches Bauwerk werden: Ein neun Meter hoher Turm mit Kuppel, eine Terrasse für Teleskope und Beobachtungen, ein kleiner Seminarraum für 25 Personen. Dazu Toilette, Technikraum mit Spüle – das war’s. Eine echte Volkssternwarte mit bescheidenen Ausmaßen aber der Möglichkeit, im nicht so stark Licht-verschmutzten Rheinhessen freien Blick auf den Himmel zu haben.

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Plan für die neue Rheinhessen-Sternwarte in Stadecken. – Grafik: AAG

Nach langer Vorplanung reichte die AAG im September 2016 eine Bauvoranfrage bei der Verbandsgemeinde Nieder-Olm ein. Im Gemeinderat stellte man das Projekt vor und zur Diskussion, ging auf Bedenken von Winzern und Anwohnern ein, klärte Fragen zu Wegerechten, Verkehrsbehinderungen, Besucherströmen. Man habe Bedenken gut ausräumen können, sagt Förster im Gespräch mit Mainz& – schließlich fänden Beobachtungsabende in einer Sternwarte naturgemäß nachts statt. Rund 30 solche Abende kämen im Jahr zusammen, schätzt Förster, oft spiele ja das Wetter nicht mit.

Am 12. Dezember 2016 habe der Gemeinderat in Stadecken-Elsheim die Bauvoranfrage mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit genehmigt und danach an die Kreisverwaltung Mainz-Bingen weiter geleitet. Dort sei erst einmal nichts passiert, berichtet Förster, auf Nachfrage habe es auf einmal geheißen: Es gebe Probleme, das Projekt sei so nicht genehmigungsfähig. Das Problem: Die AAG will die Sternwarte als sogenanntes „privilegiertes Bauvorhaben“ errichten, das sei für eine Sternwarte ein übliches Verfahren, sagt Förster. Auch andere Sternwarten seien auf diese Weise bereits gebaut worden, etwa die Isartalsternwarte bei Bad Tölz.

Querschnitt durch das geplante neue Gebäude der Rheinhessen-Sternwarte. – Grafik: AAG

Doch aus der Bauverwaltung in Ingelheim hieß es auf einmal: „Wir könnten ohne Probleme einen Turm mit Kuppel bauen“, berichtet Förster, „aber Seminarraum, Toilette und Teeküche seien kein integraler Bestandteil einer Sternwarte – und man sah die Dachterrasse offenbar als Sonnendeck.“ In der Kreisverwaltung bestätigt man gegenüber Mainz& den Bescheid: „Durch die Ausstattung des Vorhabens mit Vereinsraum, Schulungsraum und Küche ist es kein privilegiertes Vorhaben mehr“, sagte Kreissprecher Thomas Zöller, „mit den geplanten Nebenräumen ist das nach dem Baugesetzbuch nicht als privilegiertes Vorhaben vereinbart.“

Das aber sei nachweislich falsch, sagt Förster: Eine Sternwarte sei auch mit Schulungsräumen ein privilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich, weil eine Sternwarte auf Dunkelheit, eine gewisse Höhe sowie eine Rundumsicht angewiesen sei – und deshalb nirgendwo anders errichtet werden könne. Eine Privilegierung sei im Baugesetzbuch explizit vorgesehen, dass eine solche für eine Sternwarte gelte, habe ein Kaiserslauterer Planungsbüro der Verbandsgemeinde Nieder-Olm sogar in einer schriftlichen Expertise bestätigt.

Eine Sternwarte sei eine öffentliche Bildungseinrichtung, die ohne Schulungsraum nicht funktionsfähig sei, betont Förster: „In eine Kuppel passen maximal acht bis zehn Leute, der Rest muss sich solange woanders aufhalten“, das gelte erst recht für die Bildungsarbeit mit Schulklassen. „Ein Turm mit einer Kuppel“, sagt Förster, „ist keine Sternwarte.“

Das sah übrigens auch das Münchner Verwaltungsgericht so: „Eine öffentlichkeitsbezogene Sternwarte bedarf eines Foyers mit Toilettenanlagen und eines Vor- bzw. Warteraums zur Kuppel“, urteilte es 2008. Ausstellungs- und Seminarräume seien „sinnvolle, ortsgebundene Ergänzungen“, eine solche „Ausstattung und Dimensionierung (…) stehen einer Privilegierung nicht entgegen.“ Klares Fazit des Gerichts: „Die Sternwarte ist nach Paragraph 35,4 Baugesetzbuch privilegiert.“

Die alte Mainzer Volkssternwarte auf der Anne-Frank-Schule am Naturhistorischen Museum. – Foto: gik

In Ingelheim will man davon nichts hören, bei einem persönlichen Gespräch seien alle Expertisen und Argumente vom Tisch gewischt worden, sagt Förster. „Das Baurecht gilt bundesweit, es kann doch nicht sein, dass man alle Expertisen einfach wegwischt und sagt, wir legen das Baurecht anders aus“, wundert er sich. Schließlich gehe es um eine gemeinnützige Bildungseinrichtung, die allen Bürgern in Mainz und Rheinhessen zugute kommen solle. Auch die Verbandsgemeinde sei sich sicher gewesen, dass ein privilegiertes Bauvorhaben möglich sei – ein Vertreter begleitete die AAG sogar zum Termin nach Ingelheim. Im Ergebnis sei ihnen signalisiert worden, die Bauvoranfrage zurückzuziehen. „Man hatte eine vorgefertigte Meinung, das Ergebnis des Gesprächs stand schon vorher fest“, glaubt Förster: „Man wollte uns auflaufen lassen.“

In Ingelheim bestreitet man das: Man wolle die Sternwarte nicht blockieren, betont Sprecher Zöller, das mit dem Bebauungsplan habe ja auch in Klein-Winternheim gegolten. Dort hat die AAG ein Grundstück am Rande der Felder gepachtet, die dortige „Sternwarte“ besteht aber lediglich aus einem Verschlag am Boden für das dort stationierte Teleskop. Nach der Schließung der Mainzer Warte habe es die Überlegung gegeben, eine neue Sternwarte in Klein-Winternheim zu bauen, bestätigt Förster, die Gemeinde dort habe dafür sogar von sich aus einen Bebauungsplan aufgestellt. Doch das Vorhaben scheiterte an einer neuen Vorrangfläche für Windräder: Auf den Feldern direkt nebenan sollten 15 Windkraftanlagen entstehen, das Aus für die Sternwarte.

Ein Bebauungsplan für Stadecken aber „würde das ganze Vorhaben mindestens um ein Dreivierteljahr verzögern“, schätzt Förster. Schlimmer noch: Die Kosten von mehr als 10.000 Euro müsste wohl die AAG tragen – und drohe dabei wichtige Fristen zu verpassen: „Wir müssten uns noch in diesem Jahr für eine EU-Förderung im Leader-Programm bewerben“, erklärt Förster, das könne die AAG aber nicht ohne eine Bauvoranfrage. 380.000 Euro würde die neue Sternwarte kosten, ohne die EU-Förderung „müssten wir das Doppelte an Geld sammeln“, sagt Förster. Wie lange es dauern würde, bis der kleine Verein eine solche Summe aufbringen könnte? „Mindestens zehn Jahre“, schätzt Förster: „Dann ist das Projekt Sternwarte tot.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Geschichte des AAG und der Mainzer Sternwarte könnt Ihr derzeit in der absolut sehenswerten Ausstellung „Mainz blickt ins All“ im Mainzer Rathaus sehen – und in unserem Artikel „Der Meteorit von Mainz“ nachlesen. Mehr über die AAG findet Ihr unter www.astronomie-mainz.de oder hier auf Facebook. Einen Bericht über die große SoFi-Party der AAG im März 2015 lest Ihr hier auf Mainz&.

 

 

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