Hoch oben über den Dächern der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität schweift der Blick weit über die Stadt bis nach Frankfurt und den Taunus. Auf dem höchsten Gebäude des Unicampus, der Naturwissenschaftlichen Fakultät Natfak, steht die Wetterstation der Uni Mainz. Hier sammeln sie Daten über Niederschlag und Sonnenstunden, auf einem Feld an der südwestliche Pforte dazu Temperatur, Wind und alles, was der Meteorologe so braucht. Philipp Reutter betreut seit vergangenem Jahr die kleine Wetterstation, ihre Daten fließen in die Forschung der Meteorologen, die Geräte dienen auch der Ausbildung der Studierenden. Heute ist der Welttag der Meteorologie – und der steht unter dem Motto „Wolken verstehen.“
„Das ist die pure Schönheit der Natur, die Mächtigkeit und Kraft, die Ästhetik der Wolken“ – beim Blick in den Himmel über Mainz kann Reutter schon mal ins Schwärmen kommen. Wir stehen auf dem Dach des höchsten Gebäudes der Mainzer Uni, der „Natfak“, Mainz liegt uns zu Füßen, über unseren Köpfen erstreckt sich der Himmel, heute allerdings mit langweiligen grauem Einheitsbrei statt imposanter Wolkenformationen. Haifischwolken, Hole-Punch-Wolken – „es gibt so viel zu entdecken“, sagt der promovierte Meteorologe.
Hier an der Wetterstation der Mainzer Uni erforschen sie genau das: Wolken, derzeit genau Zirruswolken, dünne Federwolken aus Eiskristallen. „Die Zirruswolken sind klimarelevant, aber es ist noch nicht ganz klar, ob sie kühlende oder wärmende Wirkung haben“, erklärt Reutter. Seit 1994 gibt es die Wetterstation an der Uni Mainz schon, Institut für Physik der Atmosphäre heißt der Fachbereich für Meteorologie offiziell. Sechs Arbeitsgruppen erforschen hier Wetter, Klima und speziell Wolken, drei Gruppen im Bereich der experimentellen Meteorologie. Dazu gehören auch Messungen von Aerosolen, Luftteilchen, denen eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Treibhauseffektes zugeschrieben werden.
Wolken verstehen: Grundlage der Wettervorhersage
Dem heutigen Welttag der Meteorologie gedenken sie hier natürlich besonders. Der Tag soll an die 1950 in Kraft getretene Konvention der Weltorganisation für Meteorologie erinnern, mit der ein weltumspannender, friedlicher Datenaustausch der Wetterdienste begründet wurde. Der Welttag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wolken verstehen“, die fedrigen Gebilde sind ein entscheidendes Kriterium für jede Wettervorhersage. Reutter ist beteiligt an Messungen von Airbus-Fliegern, die in Wolken Daten sammeln, die Forscher am Boden werten die Daten aus.
„In Wolken ist noch die größte Unsicherheit enthalten“, erklärt Reutter. So bestünden Zirruswolken aus Millionen von Eiskristallen – und alle hätten eine andere Form. Da gibt es Nadeln oder kleine Türme, Säulen oder die typische Kristallstruktur, und sie alle haben Auswirkungen auf Temperatur und Sättigung der Wolke. „Für eine perfekte Vorhersage muss man eigentlich jedes Atom kennen“, sagt Reutter.
Norweger erfand die Wettervorhersage, ein Pfälzer die Wetterdaten
Es war der norwegische Meteorologe Vilhelm Bjerknes, der im Jahr 1918 das Prinzip einer modernen Wettervorhersage beschrieb: Kenne den Ist-Zustand der Atmosphäre und kenne die physikalischen Gesetze, nach denen sich ein atmosphärischer Zustand entwickelt. Nach diesem Prinzip arbeite die Meteorologie noch heute, sagt Reutter, nur dass die eigentliche Arbeit Großcomputer mit Hilfe von Rechenmodellen erledigen. Hochmoderne Rechner brauche man dafür heute, für eine kleine Wetterstation wie etwa die an der Mainzer Uni seien deshalb Vorhersagen nicht zu leisten, erklärt der Forscher.
Grundlage jeder Vorhersage aber sind Wetterdaten, die Grundlage wurde von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und Bayern gelegt: Der gründete 1780 die „Societas Meteorologica Palatina“, die meteorologische Gesellschaft der Pfalz, die 39 Messstationen auf der gesamten Nordhalbkugel mit einheitlichen Messgeräten ausstattet, die zu festgelegten Zeiten maßen. Der Naturforscher Alexander von Humboldt, der 1847 das „Preußische Meteorologische Institut“ in Berlin gründete, erweiterte das Messnetz auf 2.000 Stationen und verfeinerte es damit entscheidend – heute fließen in eine einzige Wettermessung 70.617 Beobachtungen ein.
„Das hier sind die Schauer von gestern Nachmittag“, zeigt Reutter auf die Kurven auf seinem Computer. Wind, Luftdruck, Temperatur und Feuchtigkeit, all das messen sie auch in der Mainzer Wetterstation. Auf dem Dach der Natfak werden Niederschlag und Sonnenscheindauer erhoben, die meisten Daten stammen von einem Messfeld an der Südwestseite des Campusgeländes. Rund 25 Messgeräte stehen hier, Windmesser, Thermometer in unterschiedlichen Höhen, alles Nötige. Die Daten fließen im Minutentakt in die Computer der Meteorologen und werden zu Forschungszwecken ausgewertet, aber auch auf einer Homepage im Internet Interessierten zur Verfügung gestellt. Dort gibt es monatsweise Auswertungen und Informationen über aktuelle Wetterphänomene in Mainz – und immer wieder tolle Fotos zum Wetter.
„Es gibt keine Wettervorhersage für drei Wochen, das ist Quatsch“, sagt Reutter. Drei Tage, das sei sicher machbar, fünf bis sieben Tage zuverlässig, danach wachse der Unsicherheitskorridor enorm. Insgesamt sei aber die Vorhersage seit den 1970er Jahren erheblich besser geworden: Damals hätten die Forscher noch weitgehend „gewürfelt“, heute sei man schon nah an der Perfektion. Dennoch: Eine Winzigkeit wie ein Schmetterlings-Flügelschlag könne alle Berechnungen sofort wieder über den Haufen werfen. „Das Wetter“, sagte Reutter grinsend, „ist und bleibt einfach chaotisch.“
Info& auf Mainz&: Die Wetterstation der Uni Mainz kann von Gruppen nach Voranmeldung besichtigt werden, auch Schulklassen können hier einen Besuch abstatten. Interessierte finden auf der Homepage aktuelle Wetterdaten und auch eine Webcam, die Richtung Westen schaut, eine zweite mit Blickrichtung Taunus soll demnächst installiert werden. Alle Infos zur Wetterstation, den Daten und dem Ansprechpartner Philipp Reutter hier im Internet. Spannend ist auch, der Wetterstation auf Twitter zu folgen: unter @lpaWetter_Mainz gibt’s immer aktuelle Informationen.