In zwei Wochen wählt Mainz einen neuen Stadtrat, die Wahl stellt die Weichen für wichtige Politikfelder in den kommenden fünf Jahren. “Was plant die Kommunalpolitik für den Mainzer Mittelstand?” wollte das Fachkräfteforum Mainz nun von den Parteien im Mainzer Stadtrat wissen, zwei Stunden lang wurde intensiv diskutiert. Die Themen attraktive Innenstadt, Unternehmensgründungen insbesondere durch Frauen, Zentrenkonzept und Unternehmensförderung, Gewerbegebiete und Straßenausbaugebühren. Ein weites Spektrum also, das deutlich machte: Auch wenn die Wirtschaft boomt, in Mainz muss sich vieles bewegen.
Leerstände und attraktive Innenstadt, Gewerbegebiete und Baustellen, Quartiersprojekte, Citymanagement, Netzwerke, Kommunikation und die ganz klassische Betreuung von Unternehmen in Mainz – in intensiven zwei Stunden bearbeitete die Podiumsdiskussion des “Fachkräfteforums Mainz” im Vorfeld der Kommunalwahl die zentralen Themen der Mainzer Wirtschaftspolitik. “Was plant die Kommunalpolitik für den Mainzer Mittelstand?”, wollten die Organisatoren wissen, Torben Anschau vom Fachkräfteforum machte deutlich, warum: “58,3 Prozent in Mainz arbeiten in mittelständischen Betrieben”, der Mittelstand sei in der Tat das Rückgrat der Wirtschaft. Doch von der Politik höre man zu den kleinen und mittleren Betrieben meist wenig, im Fokus stünden meist die großen Betriebe mit vielen Arbeitsplätzen.
Dabei gilt die Definition “Mittelstand” für Betriebe mit bis zu 249 Mitarbeitern, wirklich kleine Unternehmen sind das am oberen Ende schon nicht mehr. Doch auch kleine Einzelhändler gehören zum Mittelstand, doch wenn die ihre Läden schließen, “hört man aus der Politik vergleichsweise wenig”, kritisierte Anschau, “das sollte uns aber auch interessieren.” Und so fragte das Fachkräfteforum Vertreter von SPD, CDU, Grünen, FDP, ÖDP und Freien Wählern, was ihre Parteien in Zukunft für den Mittelstand tun wollen.
“Mittelstand muss gefördert werden, nicht nur gefordert”, sagte da Ulrich Frings von der ÖDP, und forderte eine Reduzierung der Gewerbesteuer, das wirke sich gerade bei kleineren Betrieben positiv aus. “Mainz liegt da ganz weit vorne, ähnlich wie bei Parkgebühren”, sagte Frings. Auch FDP-Spitzenkandidat David Dietz kritisierte die Gewerbesteuerhebesätze, die mit zu den höchsten des Landes gehörten. Der neu gegründete “Digital Hub” funktioniere “richtig gut”, betonte Dietz, Mainz sei hoch attraktiv und wachse weiter.
Genau deshalb müsse sich Mainz besser um seine Infrastruktur kümmern, betonte da CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig: “Wir haben eine Verkehrspolitik in Mainz, die nicht funktioniert, das ist ein Problem”, kritisierte er. Wer von Mombach nach Hechtsheim wolle, brauche oft eine Dreiviertelstunde, das gehe nicht an. Die Verkehrspolitik in Mainz sei “ideologisch” ausgerichtet und behindere mehr als das sie förderlich sei, Hemmnisse für Wirtschaftsansiedlungen seien auch fehlende Kitaplätze und schlecht ausgestattete Schulen.
“Infrastruktur ist viel mehr als Verkehrsstruktur, der Verkehr ist nicht so schlecht”, konterte da der Grüne Ansgar Helm-Becker, dessen Partei die Verkehrsdezernentin Katrin Eder stellt. Wer eine Dreiviertelstunde von Mombach nach Hechtsheim brauche, kenne sich in der Stadt nicht aus. “Ich sehe die größere Gefahr darin, dass die wenigen Industrieflächen auch noch beseitigt werden, die brauchen wir auch”, sagte Helm-Becker.
“Die Stadt hat sehr viel richtig gemacht”, fand auch Andreas Behringer, SPD-Stadtratskandidat aus der Altstadt und dort auch als Ortsvorsteher-Kandidat unterwegs. Die Wirtschaft in Mainz boome, die Gewerbesteuereinnahmen seien um 80 Prozent gestiegen, die Stadt investiere in Kitaplätze und die Verschönerung der Innenstadt. “60 Millionen Euro investieren wir in den kommenden Jahren, um die Investitionsquote beneidet uns manches Dax-Unternehmen”, betonte Behringer.
Doch so einfach ließ die Veranstaltung die Politiker nicht davon kommen: In der historischen Mainzer Altstadt gebe es noch immer viele Leerstände, die Mietpreise seien enorm hoch, der Online-Handel eine große Konkurrenz – was wolle die Politik da tun, wollte Karin Weisshaupt von der Interessensgemeinschaft Historische Mainzer Altstadt (IHMA) wissen. “Ich habe einen Leerstand aufgehoben, und in einem toten Schaufenster in der Gaustraße ein Bürgerbüro eingerichtet”, sagte Erwin Stufler von den Freien Wählern. “Bürgerbeteiligung ist das Zauberwort”, fand ÖDP-Mann Frings, es gelte, die Menschen und Gewerbetreibenden in der Altstadt mehr einzubeziehen, den Verkehr für einkaufswillige aus dem Umland intelligent zu leiten, den ÖPNV auszubauen.
Die Rahmenbedingungen für die Altstadt seien schwierig, sagte Helm-Becker, die Vermieter müssten mal überlegen, ob sie nicht die Mieten senkten. “Wenn jeder nur aufs Geld guckt, dann bringt ein Döner natürlich mehr Geld als ein Goldschmied oder kleiner Buchladen”, fand er, “ob wir hier nur noch eine Trink- und Wohnstadt werden, das hängt doch von uns allen ab.” Die Grünen wollten die Paketdienste aus der Altstadt heraus halten und für sie dezentrale Verteilerstationen einrichten, von denen aus mit E-Mobilität in die Innenstadt geliefert werde.
Mainz habe doch gerade in Hechtsheim zahlreiche Logistikunternehmen angesiedelt, die viel Verkehr produzierten, sagte daraufhin CDU-Fraktionschef Schönig, gleichzeitig aber weigere sich die Stadt, die Rheinhessenstraße auszubauen. “Wir brauchen klare Konzepte, wo wollen wir mit der Stadt hin”, betonte Schönig, da gehe in Mainz derzeit aber wenig zusammen: Wer an Mainz vorbei fahren wolle, der müsse das auch tun können, “dafür müssten Brücken gebaut werden”, forderte Schönig.
Gleichzeitig aber müsse das Angebot an öffentlichem Nahverkehr so sein, “dass Menschen am Samstag zum Erlebnishopping mit Bus und Bahn in die Stadt kommen können, zentral und direkt, und ihre Einkäufe irgendwo deponieren können”, skizzierte Schönig die Vorstellungen der CDU. In Mainz fehlten aber Parksteuersysteme ebenso wie ein Ausbau des ÖPNV oder auch eine Vernetzung der Gästeinitiativen – und der Citymanager habe nach nur 16 Monaten das Weite gesucht. “Wir brauchen einen Kümmerer”, forderte Schönig, da müsse nun genau überlegt werden, wo und wie man den anbinde.
Die bisherige Konstruktion des Citymanagers habe nicht funktioniert, räumte auch SPD-Mann Behringer ein, und forderte. “Wir müssen schauen, was nützt der City?” In der Altstadt gebe es immer mehr Events und Feste, von denen aber Einzelhandel und Gastronomie immer weniger profitierten. Dazu seien “Straßenmusiker minderer Qualität” oder durchrauschende Radfahrer in Fußgängerzonen ein Problem – die SPD Mainz-Altstadt wollte schon im Herbst 2017 die Vergabe von Straßenmusik-Plätzen neu regeln, geschehen ist das allerdings trotz Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Rathaus nicht.
“Wir setzen uns ein für eine Mainzer Stadtpolizei als einheitlicher Ansprechpartner aus Polizei und Ordnungsamt”, sagte Behringer, vor allem aber wolle er Quartiersprojekte, die in einem Stadtbezirk selbstständig Marketing und Zusammenarbeit organisieren – eigener Geschäftsführer inklusive. Allerdings sei es im Land Rheinland-Pfalz “immer noch nicht möglich, solche lokalen Quartiersprojekte zu gründen”, räumte Behringer ein, “das müssen wir vom Land einfordern.” In Rheinland-Pfalz regiert seit 1991 die SPD, derzeit in einer Koalition mit den Grünen und der FDP, die den Wirtschaftsminister stellt.
Schwach fielen die Antworten der Parteien hingegen beinahe flächendeckend auf die Frage von EULE-Vertreterin Nicole Hölzel zur Frage nach Förderung von Unternehmensgründungen, insbesondere für Frauen, aus. Wie wolle die Politik wieder attraktive Gründungen nach Mainz holen, wollte Hölzel wissen und forderte, Mainz brauche ein Standortprofil, um Unternehmen herzubringen. “So schlecht kann das gar nicht sein, Mainz ist in allen Wirtschaftsumfragen immer in den Top 10”, wehrte der Grüne Helm-Becker ab, und plädierte etwas unkonkret für Netzwerke und Austausch.
CDU-Mann Schönig kritisierte, die Wirtschaftsbetreuung in der Stadt sei viel zu gering ausgestattet, SPD-Mann Behringer plädierte für Gründerzentren, Gründerlotsen und Gründerpaten. Aktivitäten für Gründer gebe es doch schon reichlich, sagte FDP-Mann Dietz, und meinte: “Ich glaube, dass die Vernetzung fehlt, das können im Prinzip nur die Kammern sein.” Die Aussage kam überraschend, hat die FDP doch in den vergangenen Jahren bis zum überraschenden Angang von Christopher Sitte den Wirtschaftsdezernenten gestellt.
“Wir brauchen wirklich ein Wirtschaftsdezernat, das aktiv auf die Leute zugeht”, seufzte hingegen ÖDP-Mann Frings. In Laubenheim habe gerade ein neues Geschäft aufgemacht, dort habe sich die Politik noch nie blicken lassen. “Herrn Sitte haben wir da auch nie gesehen”, kritisierte Frings, und wünschte sich von der neuen CDU-Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz, mal in die Stadtteile zu fahren, die Geschäfte zu besuchen und zu fragen: “Was kann ich denn für Sie tun?”
Zuvor hatte der Medienunternehmer Ekkehard Schenk berichtet, er habe in Laubenheim vergeblich freie Flächen für seinen Zeitungsverlag gesucht – und sei dann ins Umland abgewandert. “Budenheim ist wesentlich attraktiver: günstigere Mieten, vorhandene Flächen, Glasfaser bis an die Haustür”, berichtete Schenk, “da muss Mainz doch langsam mal aufwachen.” Kein Einzelfall, er kenne ähnliche Fälle, bestätigte Stufler von den Freien Wählern. Trotzdem sei es richtig, am Zentrenkonzept festzuhalten, fand er, sonst könnten “mehrere Großplayer am Rand die Innenstadt ganz platt machen.”
“Das Zentrenkonzept schützt auch das Gewerbe in den Stadtteilen”, meinte auch Helm-Becker, gegen die Abwanderung müssten eben Mainz und Umland “mehr Zusammendenken”. Das unterstrich auch SPD-Koalitionspartner Behringer: Das Zentrenkonzept schütze auch die Stadtteile, an einer Zusammenarbeit mit der Region führe kein Weg vorbei. Mehr Rechte für die Ortsbeiräte, forderte hingegen ÖDP-Mann Frings: “Wir erfahren in den Satdtteilen viel zu spät von Bauentscheidungen”, kritisierte er, bei frühzeitigerer Einbeziehung könne man auch in den Stadtteilen etwas für mehr Gewerbe tun.
“Die Ampel-Koalition in Mainz hat seit zehn Jahren kein neues Gewerbegebiet mehr in Mainz beschlossen”, dazu habe offenbar der Mut gefehlt, kritisierte hingegen Oppositionsmann Schönig. Wenn am Tag der Deutschen Einheit keine Mainzer Betriebe in der Innenstadt profitiert hätten, sei dafür die Landesregierung verantwortlich – SPD, Grüne und FDP. “Wir müssen mehr Ideen entwickeln und Konzepte, die zu unseren Zielen passen und nicht umgekehrt”, forderte Schönig, “das Gewurstel muss ein Ende haben.”
“Wir als SPD sind sehr stolz auf das, was Mainz geleistet hat”, konterte Behringer, “wir dürfen uns aber selbstverständlich nicht darauf ausruhen.” Mainz müsse “dynamisch bleiben”, forderte Dietz, dabei wolle die FDP “mithelfen.”
Info& auf Mainz&: Ein wichtiges Thema der Diskussion waren zudem Straßenausbaubeiträge, denn CDU und FDP fordern deren Abschaffung. Weil es dazu aber am Montag eine Veranstaltung des Bundes der Steuerzahler gibt, haben wir das Thema hier jetzt weggelassen – mehr dazu lest Ihr in den kommenden Tagen bei Mainz&. Die Podiumsdiskussion “Haben Straßenausbaubeiträge noch eine Zukunft?” findet am Montag, den 13. Mai 2019, um 17.00 Uhr in den Räumen der IHK Rheinhessen am Schillerplatz 7 statt, mehr Infos dazu hier im Internet. Informationen zum Fachkräfteforum findet Ihr übrigens hier im Internet.