Sie ist die älteste, größte und am reichsten verzierte Säule ihrer Art nördlich der Alpen – und seit zehn Jahren von ihrem Standort vor dem Mainzer Landtag verschwunden: Die Große Mainzer Jupitersäule gehörte eigentlich einmal zu den bedeutendsten Denkmälern des römischen Mainz. Bis 2015 stand eine originalgetreue, 9,10 Meter hohe Kopie der Schmucksäule auf dem Platz an der Großen Bleiche, dann wurde sie zu Restaurationszwecken abgebaut – und kehrte bis heute nicht zurück. Der Verein „Rettet das Römische Mainz“ fordert nun: Die Jupitersäule muss zurück auf ihren angestammten Platz.

Die Große Mainzer Jupitersäule: Eine mehr als neun Meter hohe Kopie stand bis Mai 2015 vor dem Mainzer Landtag. - Foto: gik
Die Große Mainzer Jupitersäule: Eine mehr als neun Meter hohe Kopie stand bis Mai 2015 vor dem Mainzer Landtag. – Foto: gik

Es war im Dezember 1904, als der damalige Leiter des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, Ludwig Lindenschmit, auf Bronzefragmente aufmerksam wurde, die Bauarbeiter bei einem Altmetallhändler verkauften. Was Lindenschmitt misstrauisch machte. Die Fragmente stellten einen mit einer Sandale bekleideter Fuß sowie Überreste eines Blitzbündels heraus – es waren Teile einer überlebensgroßen Jupiterfigur. Lindenschmit machte den Fundort in der Sömmerringstraße 6 in der Mainzer Neustadt ausfindig, eine mehrwöchigen Grabung Anfang 1905 förderte in zweieinhalb Metern Tiefe Sensationelles zutage: die Überreste einer 12.50 Meter hohen Jupitersäule.

So erzählt es das Internetlexikon Wikipedia in einem ausführlichen Artikel zu dem Fund, der als „Große Mainzer Jupitersäule“ in die Mainzer Geschichte eingehen sollte. Bis heute ist die schlanke, 9,10 Meter hohe Säule die größte und beeindruckendste ihrer Art, die jemals nördlich der Alpen gefunden wurde – obwohl sie zerschlagen in 2.000 Fragmente ausgegraben wurde, konnte sie wieder zusammengesetzt werden, das Original befindet sich im Mainzer Landesmuseum. Vor dem Mainzer Landtag stand indes seit 1934 nahezu exakte Kopie der Original-Säule – doch seit Mai 2015 ist das imposante Denkmal verschwunden.

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Die verschwundene Jupitersäule: Verein fordert Rückkehr

„Hier stünde die Kopie“, sagt Christian Vahl, und zeigt auf einen leeren Sockel, in dessen Mitte ein quadratisches Loch gähnt. Das massive Sockelfundament steht auf einer Grünfläche an der Großen Bleiche, wenige Meter entfernt steht der rheinland-pfälzische Landtag, auf der anderen Straßenseite das Kurfürstliche Schloss mit dem antiken Dativius-Victor-Bogen. Neben dem leeren Fundament sind Lichtstrahler in den Bogen eingelassen, sie haben einmal das besondere Denkmal am Abend ins Szene gesetzt, das diesen Platz dominierte, und ein Touristenanziehungspunkt war.

Heute gähnt an der Stelle, wo die Jupitersäule einst stand, nur ein leerer Sockel. - Foto: gik
Heute gähnt an der Stelle, wo die Jupitersäule einst stand, nur ein leerer Sockel. – Foto: gik

Die Große Mainzer Jupitersäule ist für den vor zwei Wochen gegründeten Verein „Rettet das Römische Mainz“ ein Paradebeispiel für seine Notwendigkeit: Der Zustand vieler römischer Denkmäler in Mainz sei schlecht, ihre Orte oft ungepflegt, die Umgebung verwahrlost und Informationsstelen „in einem jämmerlichen Zustand“, kritisierte der Verein bei seiner Gründung Anfang Juli – deswegen wolle man das Römische Erbe „retten“. Ziele seien, die Sichtbarkeit des Römischen Erbes sowie seine Präsentation im Stadtbild von Mainz zu verbessern, römische Feiern und Feste zu veranstalten sowie Fördergelder für den Erhalt der Denkmäler einzuwerben.

„Das erste, wofür sich der neue Verein einsetzen will, ist die Wiederaufstellung der Jupitersäule“, sagte Christian Vahl, Vorsitzender des neuen Vereins. Der traf sich am Donnerstagabend an eben jener verschwundenen Jupitersäule, um sich über das antike Denkmal zu informieren. „Wir finden zwar eine unsichtbare Jupitersäule lustig, aber das kann ja kein Dauerzustand sein“, sagte Vahl in Anspielung auf die „Unsichtbare Römergarde“, deren Generalfeldmarschall Vahl ist. Bleibe die Jupitersäule zu lange verschwunden, „schwindet auch das Gedächtnis an sie“, kritisierte Vahl: „Der Platz ist ein anderer mit und ohne Säule, deswegen sollte sie zurückkehren.“

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Kopie der antiken Säule vor zehn Jahren zur Restauration abgebaut

Tatsächlich wurde die Kopie der Jupitersäule bereits vor zehn Jahren abgebaut: Im Mai 2015 berichtete die Stadt Mainz, die 9,10 Meter hohe Säule sei stärker beschädigt als gedacht, nicht mehr standsicher, und müsse deshalb leider abgebaut werden. Die Säule werde aber nun umfassend restauriert und repariert, und danach wieder aufgebaut, versicherte die Stadt. Im August 2022 besuchte die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) die Budenheimer Steinmetz-Firma Sauer, in dem Fachbetrieb lagert die Jupitersäule seit 2015, zerlegt in 12 Teile.

Restaurator Hilmar Müller 2022 mit einem Teilstück der Mainzer Jupitersäule. – Foto: gik
Restaurator Hilmar Müller 2022 mit einem Teilstück der Mainzer Jupitersäule. – Foto: gik

Die Säule sei gründlich untersucht worden, das Gebilde aus Kalksteinsplit und Weißzement werde restauriert und wieder aufgearbeitet, berichtete damals der Restaurator, Steinbildhauermeister Hilmar Müller. Zudem werde die angewitterte Oberfläche beruhigt und geglättet, der letzte Schritt sei dann ein neuer Anstrich, der in Zusammenarbeit mit dem Mainzer Institut für Steinkonservierung entwickelt wurde, und der künftig verhindern solle, dass Feuchtigkeit in den Stein eindringe. „Die Jupitersäule manifestiert, wie geschichtsträchtig unsere Stadt ist“, schwärmte Dezernentin Grosse damals, und versprach: Nach dem Abschluss der Arbeiten solle die Große Jupitersäule auf ihren angestammten Platz am Landtag zurückkehren – das werde Anfang oder Mitte 2023 sein.

Nur: passiert ist das nicht – warum, ist bis heute unklar. „Wir wollen einfordern, dass man die Jupitersäule auf ihren angestammten Platz zurückbringt“, sagte Vahl, schließlich sei die Säule ein ganz besonderes Denkmal: „Wir haben hier ein Zeugnis der römisch-germanischen Interaktion der damaligen Zeit, ein Nebeneinander von römischen und keltischen Ursprüngen“, schwärmte Vahl – ein Zeugnis für das gemeinsame Leben von Legionären und Bürgern im antiken Mogontiacum. „Die Jupitersäule ist wahrlich sprechend“, sagte auch der frühere Landesarchäologe Gerd Rupprecht, ebenfalls Gründungmitglied des neuen Vereins.

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Bannfluch für Nero und antiker Selbstmord nach Mobbing

Denn gestiftet wurde die Säule einst nicht etwa von „Römern“, sondern von Mainzer Kaufleuten, und zwar zwischen 63 und 67 nach Christus. Das Datum ist gut belegt, denn die Säule war mit einer Weiheinschrift auf einem unteren Sockel versehen, und da heißt es: „Dem Jupiter Optimus Maximus geweiht, für das Heil des Nero Claudius Caesar, Augustus Imperator, die Bewohner der Canabae auf Grund eines öffentlichen Aktes, als Publius Sulpicius Scribonius Proculus Statthalter war. Durchführung und Kosten haben übernommen Quintus Julius Priscus und Quintus Julius Auctus.“

Ex-Landesarchäologe Gerd Rupprecht berichtete von dem Fund und der Bedeutung der Großen Mainzer Jupitersäule - auf deren leeren Sockel sitzend. - Foto: gik
Ex-Landesarchäologe Gerd Rupprecht berichtete von dem Fund und der Bedeutung der Großen Mainzer Jupitersäule – auf deren leeren Sockel sitzend. – Foto: gik

Die Säule wurde also zu Ehren des damaligen Kaiser Nero errichtet, der zu Beginn seiner Amtszeit noch als visionärer Architekt und Erbauer von Rom galt – bevor er dem Wahnsinn verfiel und Rom bekanntlich in Brand steckte. In Laufe seiner Amtszeit mutierte Nero denn auch immer mehr zum größenwahnsinnigen Tyrann, der vermeintliche Gegner gnadenlos verfolgte – so trieb der Kaiser eben jenen Publius Sulpicius Scribonius Proculus, den in Mainz stationierten Legaten, durch eine Intrige in den Selbstmord trieb, wie die Quellen berichten. Scribonius aber war von etwa 63 bis 67 Legat des obergermanischen Heeres, er starb also nur ein Jahr vor Neros Selbstmord – der Kaiser fiel danach der Ächtung anheim.

„Die ‚Damnatio Memoriae‘ war damals etwas ganz Typisches“, erklärte Rupprecht nun: Die betroffene Person traf der Bannstrahl des Fluches und des Vergessens, jede öffentliche  Erinnerung sollte ausgelöscht werden – sogar Inschriften des Namens der Person wurden ausgemeißelt. Das geschah tatsächlich auch an der Großen Mainzer Jupitersäule, allerdings recht nachlässig, und deshalb bis heute erkennbar. Auch dass die Säule in 2000 Einzelstücke zerschmettert war, spricht Experten zufolge dafür, dass sie bewusst zerschlagen wurde. Finanziert wurde das Monument indes durch reiche Mainzer Kaufleute, „sie waren zur römischen Gesellschaft gehörend, aber ohne Bürgerrecht“, erklärte Rupprecht: „In der Regel waren dies Einheimische.“

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Stifter der Säule: Mainzer Kaufleute aus der Cannabae

Damit dürften die Herren Quintus Julius Priscus und Quintus Julius Auctus trotz ihrer römischen Namen zu jener keltisch-germanischen Mischbevölkerung gehört haben, die im Umfeld des römischen Legionslagers auf dem Kästrich nach dessen Gründung eine höchst lebendige Zivilsiedlung errichteten. Bezeichnend ist: Genannt werden diese Bewohner „Canabarii“ – also Bewohner der Lagervorstadt, einer „Cannabae“, wie sie gerade auf der Tron-Baustelle in der Mainzer Oberstadt gefunden wurde.

Der Verein "Rettet das Römische Mainz" an dem verwaisten Standort der Großen Mainzer Jupitersäule. - Foto: gik
Der Verein „Rettet das Römische Mainz“ an dem verwaisten Standort der Großen Mainzer Jupitersäule. – Foto: gik

Das Händler- und Handwerkerviertel auf dem Gelände der heutigen Mainzer Neustadt war stark von Handel und den Hafenanlagen entlang des Rheins geprägt, wie Funde gut belegen – nicht weit vom Fundort der Großen Jupitersäule wurde auch die Statue der Mainzer Salus gefunden, an der Sömmerringstraße 2019 gar ein ganzes Vorstadtviertel mit geschmückten Stadtvillen, Fußbodenheizungen und einer regelrechten „Via Appia“ mit Grabstelen entlang der Fernstraße in Richtung Norden. Immer mehr zeigt sich deshalb: Das römische Mogontiacum war eine antike Großstadt, geprägt von Handel und Militär, und geschmückt mit stattlichen Tempeln und Bauten wie dem antiken Bühnentheater.

Dazu passt auch, dass die Große Jupitersäule mit 28 Reliefs Reliefs geschmückt war, die eine bunte Mischung aus keltischen und römischen Göttern zeigte – vom Meeresgott Neptun und dem Gott der Künste, Apollo, bis hin zu Mercurius, dem Gott des Handels, und Darstellungen der Mondgöttin Luna sowie einer Salus, Göttin des persönlichen Wohlbefindens. Das sichtbarste Zeichen des Reichtums war aber die Jupiterfigur, die einst auf der Spitze der Säule thronte: eine vergoldete bronzene Jupiterstatue, wohl alleine mehr als drei Meter groß, die den Göttervater der Römer mit Blitzkeil und flankiert von einem Adler zeigte.

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Säule soll ihren Jupiter zurückbekommen – Römerpark am Schloss?

Wie das womöglich aussah, kann man übrigens auf der fränkischen Saalburg bewundern: Dort steht eine Kopie der Großen Mainzer Jupitersäule – ebenso übrigens wie in Paris und Rom – auch das spreche ja dafür, dass die Säule kein unbedeutendes Werk gewesen sei, betonte Rupprecht. Die Mainzer Säule wurde gar zum Vorbild für eine ganze Gattung von Jupitersäulen – vor allem im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus waren sie gerade in der Provinz Germania inferior hochgradig beliebt.

Modell des Jupiter für die große Mainzer Jupitersäule, präsentiert 2015 im antiken Isis Tempel. – Foto: gik
Modell des Jupiter für die große Mainzer Jupitersäule, präsentiert 2015 im antiken Isis Tempel. – Foto: gik

Rupprecht betonte, die Mainzer Jupitersäule brauche ihren Jupiter auf der Spitze zurück – dafür gab es sogar einmal eine Initiative: Im Juni 2015 wurde in der Taberna Academica in der Römerpassage ein Modell einer Jupiterfigur präsentiert: Ein knapp einen Meter hohes Modell aus Kunstharz auf einem Eisengestell, modelliert von einem armenisch-stämmigen Bildhauer aus Offenbach – und bezahlt, so hieß es damals, von Moguntiacum-Entdecker Gerd Rupprecht. Was aus dem Modell geworden ist: unklar. Doch in einer zwei Meter hohen Realisierung sollte es eigentlich die Jupitersäule nach ihrer Restaurierung schmücken.

Und warum solle nicht ein Laserstrahl das Gebilde in Szene setzen, sinniert Rupprecht nun, einen der Besucher inspirierte das prompt zu einer weiten Idee: Warum man denn nicht das Gelände an der Großen Bleiche zu einem ganzen Römerpark mit einer Vielzahl von Denkmälern mache, fragte Mainz&-Leser Alexander Veith – mit Jupitersäule und dem Dativius-Victor-Bogen – ebenfalls eine Kopie des Originals – sei doch bereits ein Anfang gemacht. Dafür allerdings müsste die Jupitersäule erst einmal zurückkehren: „Frau Grosse hat die Rückkehr versprochen“, betonte Vahl: „Nach zehn Jahren ist es Zeit, dass man das Versprechen hält.“

Info& auf Mainz&: Wir werden natürlich kommende Woche bei der Stadt Mainz nachfragen, warum die Große Mainzer Jupitersäule noch immer nicht zurück ist – und wann sie zurückkehrt. Mehr zur Geschichte der Säule und ihrer Bedeutung könnt Ihr in diesem sehr ausführlichen und fundierten Wikipedia-Artikel nachlesen, aus dem wir auch ausgiebig zitiert haben. Mehr zum neuen Verein „Rettet das Römische Mainz“ haben wir hier bei Mainz& berichtet.