Die Abschaffung auch der letzten Corona-Schutzmaßnahmen geht ungebremst weiter: Nun kippt auch Rheinland-Pfalz die Isolationspflicht nach positivem Coronatest – und das schon ab dem kommenden Wochenende. Ab Samstagmorgen 0.00 Uhr falle die Pflicht zur häuslichen Isolation, teilte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) am Dienstag mit. Stattdessen müssen positiv getestete Menschen bei Kontakt mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit eine Maske tragen – Experten hatten eindringlich davor gewarnt. Hessen kippt derweil die Corona-Quarantäne schon ab dem morgigen Mittwoch. Der Mainz&-Kommentar dazu: Happy Corona-Weihnachten, allerseits.
Damit entwickeln sich die Corona-Maßnahmen in Deutschland weiter zum Flickenteppich, denn Rheinland-Pfalz folgt damit dem Vorbild von Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg. Die hatten bereits vergangene Woche die Pflicht, sich fünf Tage nach einem positiven Coronatest in häusliche Isolation begeben zu müssen, abgeschafft – in anderen Ländern gilt die Quarantäne hingegen noch. Das Nachbarland Hessen hatte bereits vergangene Woche angekündigt, den Schritt ebenfalls gehen zu wollen – am Dienstag stellte Hessen klar. Die Quarantäne wird bereits ab dem morgigen Mittwoch gestrichen.
Rheinland-Pfalz zieht nun ebenfalls nach, und das entgegen dem Rat von Virologen sowie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Die Aufhebung der Absonderungspflicht ist derzeit vertretbar“, argumentierte der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD): „Wir haben gesehen, dass die Herbstwelle ohne tiefgreifende Maßnahmen abgeebbt ist.“ Die Menschen hätten „Verantwortung übernommen“, auch in den europäischen Nachbarländern, die diesen Schritt bereits gegangen seien, „machen die Zahlen Mut“, sagte Hoch.
Die Herbstwelle hatte zu einem Allzeithoch bei den Corona-Infektionen geführt, und zu massiven Problemen in vielen Betrieben, Arztpraxen und bei Busunternehmen. Krankenhäuser mussten ganze Stationen schließen, weil nicht mehr genügend Personal zur Verfügung stand, gleichzeitig stieg die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken teils wieder dramatisch an. Pro Woche starben im Zuge der Herbstwelle zwischen 800 und 1.000 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung – die Politik lehnte Schutzmaßnahmen jedoch ab.
Bei Positivtest: Maskenpflicht statt häuslicher Isolation
Stattdessen wird weiter gelockert: Nun fällt auch die Pflicht zur häuslichen Isolation. An deren Stelle trete „eine durchgehende Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung“, teilte Hoch weiter mit: „Wer mittels Selbsttest, Schnelltest oder PCR-Test positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurde, ist nach der neuen Regelung verpflichtet, mindestens für fünf Tage außerhalb der eigenen Wohnung eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske zu tragen.“
Damit sei es auch positiv getesteten Personen möglich, „spazieren zu gehen, einzukaufen oder anderen Aktivitäten nachzugehen, sollte es der Gesundheitszustand zulassen“, heißt es weiter. „Ein Besuch im Fitnessstudio oder in der Gastronomie ist demnach faktisch trotzdem nicht möglich“, betonte Hoch. Damit können positiv Infizierte und ansteckende Personen aber künftig jedem im Supermarkt, in der Bahn oder auch im Kino begegnen – ob jemand, der mit dem Coronavirus infiziert ist, tatsächlich eine Maske trägt, ist derweil nicht zu kontrollieren. Damit könnten Infizierte auch Restaurants und Fitnessstudios besuchen – möglich wäre das sehr wohl.
Experten wie der Frankfurter Virologe Martin Stürmer hatten die Aufhebung der Isolationspflicht als zu früh kritisiert: Die Quarantäne sei „ein sehr wichtiges Mittel, Infektionen zu vermeiden“, sagte Stürmer etwa im Interview mit Rheinland-Pfalz aktuell. Die Eigenverantwortung werde nicht funktionieren, das Risiko einer Long Covid-Infektion weiter unterschätzt: „Wir gehen ein zu hohes Risiko ein, solche Fälle zu provozieren“, warnte Stürmer.
Mit jeder Re-Infektion steigt Risiko für Lungenprobleme und Tod
Eine US-Studie hatte zudem gerade nachgewiesen, dass Menschen mit jeder neuen Infektion mit Covid-19 deutlich erhöhte Gesundheitsrisiken eingehen. Danach stieg das Risiko für schwere Verläufe, für Krankenhauseinweisungen und für Lungenprobleme oder gar Tod mit jeder neuen Infektion weiter an. Menschen mit Covid-19-Reinfektionen hatten demnach ein doppelt so hohes Sterberisiko und ein dreimal höheres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt wie Menschen ohne Reinfektion. Die Wahrscheinlichkeit, Lungenprobleme zu entwickeln, lag dreimal so hoch wie bei Patienten, eine Reinfektion trug demnach auch zu Diabetes, Nierenerkrankungen und psychischen Problemen bei.
Dazu hatte eine repräsentative Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK gerade aufgedeckt: Die Mehrheit der Berufstätigen in Deutschland geht auch krank zur Arbeit – und jeder Zehnte erscheine sogar trotz positivem Coronatests im Büro. „Der Arbeitsplatz muss sicher bleiben, Arbeitnehmer brauchen Schutz“, hatte deshalb auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Twitter geschimpft: „Mit 1.000 Coronatoten pro Woche, am Vorabend einer Winterwelle mit neuen Varianten, und einer zunehmenden Zahl von Beschäftigten mit Long Covid macht Aufhebung der Isolation keinen Sinn.“
Die Bundesländer kümmert das offenbar nicht – der Bund hatte mit der Änderung der Corona-Verordnung den Ländern die Möglichkeit eröffnet, selbst über Corona-Maßnahmen zu entscheiden. Die entscheiden sich nun für den Appell an die reine Eigenverantwortung der Bürger: „Corona-Infizierten mit Krankheitssymptomen wird dringend empfohlen, die Wohnung möglichst nicht zu verlassen, um schnell wieder gesund zu werden und niemand anderen zu gefährden“, heißt es aus dem Hessischen Gesundheitsministerium.
„Es ist wichtig, dass wir lernen, Corona als normale Krankheit zu behandeln“, sagte Hoch weiter, und fügte gleichzeitig hinzu: „Ich möchte gleichzeitig dafür sensibilisieren, dass diese Pandemie noch nicht vorbei ist.“
Eine Maske zu tragen, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenkämen, „bleibt weiterhin das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, sich und andere zu schützen“, sagte der Minister weiter: „Maske tragen ist Ausdruck eines hohen Verantwortungsbewusstseins.“ Gerade in der parallel verlaufenden Influenza-Saison sei mehrfacher Schutz angezeigt. Darüber hinaus gelte mehr denn je: „Wer krank ist, bleibt bitte daheim.“
Allerdings sind Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, von der Maskenpflicht weiterhin befreit – das gilt nun auch trotz Corona-Infektion. Damit können infizierte Kinder ohne jeden Schutz in die Kita gebracht werden, weil auch für sie die Quarantäne entfällt. In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ähnlichen Einrichtungen gilt hingegen für positiv getestete Personen weiter ein Betretungs- und auch ein Tätigkeitsverbot. Beschäftigte und Arbeitgeber können hier ab eine Regelung entsprechend der „Arbeitsquarantäne“ treffen – also Arbeit trotz positiver Infektion.
Hessen: „dringend empfohlen, sich fünf Tage zu isolieren“
In Hessen gilt nun ab dem morgigen Mittwoch, den 23. November 2022, ebenfalls eine Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung für positiv getestete Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren, und zwar für „mindestens fünf Tage“. Unter freiem Himmel könne die Maske aber unter Einhaltung der Abstandsregeln (1,5 Meter) abgesetzt werden. Für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte sowie weitere Einrichtungen mit vulnerablen Personen oder erhöhten Infektionsgefahren gelte für positiv Getestete ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot – sowohl für Besucher wie auch für Personal.
Gleichzeitig appelliert der hessische Gesundheitsminister Kai Klos (Grünen) Infizierten werde „dringend empfohlen, sich im Fall einer Infektion mit Symptomen für fünf Tage zu isolieren und keinen Besuch zu empfangen.“ Die Isolation solle erst beendet werden, wenn mindestens 48 Stunden Symptomfreiheit besteht oder zehn Tage nach dem ersten Test vergangen seien.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Debatte um die Abschaffung der Isolationspflicht in Hessen sowie die im Text genannten Studien lest Ihr hier auf Mainz&.
Mainz&-Kommentar: Happy Corona-Weihnachten allerseits!
Na dann: Fröhliches Infizieren, allerseits! Noch letzte Woche sagte der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) im Gesundheitsausschuss des Landtags, er rechne mit einer Corona-Winterwelle, und das schon ab Dezember. Und was macht der Minister wenige Tage später? Ern streicht die Isolationspflicht. Damit ist nun auch die letzte Bastion gegen hemmungsloses Anstecken gefallen – wie viele Maskenträger seht Ihr denn noch so im Supermarkt, auf Veranstaltungen, im Gedränge? Na?
Die Antwort lautet: höchstens einer von zehn greift noch zur Maske – so gut funktioniert das mit der Eigenverantwortung. Nicht. Der Schutz von Menschen, die mitten unter uns sind, die Lungenprobleme haben oder Herzfehler, die irgendwelche Vorerkrankungen haben oder ein geschwächtes Immunsystem – jetzt wird ihnen auch der letzte Schutz genommen. Jeder, der ihnen im Supermarkt begegnet, im Kino oder beim Italiener oder sogar bei der Arbeit, kann eine Virus-Schleuder sein – und damit schwere Krankheitsfolgen oder sogar tödliche Verläufe transportieren.
Und was machen die Herren Gesundheitsminister? Flöten allen Ernstes, Corona müsse jetzt langsam mal „wie eine normale Krankheit“ behandelt werden – echt jetzt? Gerade erst zeigte der Glücksatlas, dass Rheinland-Pfalz sich in punkto Lebenszufriedenheit einfach nicht von den Corona-Folgen erholen will – und als einen Punkt nennen die Studienmacher auch das traumatische Erlebnis, einen engen Angehörigen an durch Corona verloren zu haben.
Die Politik ficht das nicht an: Einen Schutz vor dem Virus gibt es ab sofort von staatlicher Seite nicht mehr. Seht zu, wie Ihr klarkommt. 1.000 Corona-Tote pro Woche – egal. Hunderttausende, ja Millionen von Menschen sind bereits an Long Covid erkrankt, kämpfen Tag für Tag darum, ein Leben zurückzugewinnen, was ihnen das Virus genommen hat – egal. Long Covid sei bereits „so häufig wie Diabetes“, rechnete gerade ein Arzt in Rheinland-Pfalz vor – egal.
Die Politik riskiert Hunderttausende weiterer Long Covid-Erkrankter mit dramatischen Folgen für Wirtschaft und Gesundheitssystem – es schert sie offenbar nicht. In Rheinland-Pfalz gibt es weiter keine einzige offizielle Long Covid-Ambulanz, den Menschen helfen? Och nö. Nun werden auch noch Vorerkrankte und Menschen mit Gesundheitsproblemen aus dem öffentlichen Leben verdrängt: In jedem Bus, in jedem Supermarkt, sogar bei der Arbeit und erst Recht in Schule und Kita können sie nun jemandem begegnen, der sie anstecken kann. Wer das riskieren kann oder will – Pech gehabt.
Der Höhepunkt der Schizophrenie aber findet sich in den heutigen Ankündigungen: Da schaffen die Gesundheitsminister rechts wie links des Rheins die Corona-Quarantäne ab – und flehen gleichzeitig inständig: Wer positiv sei, dem werde „dringend empfohlen“, sich fünf Tage zu isolieren und bloß keinen Besuch zu empfangen. Um bitte niemanden zu gefährden.
Geht’s eigentlich noch? Entweder die Ansteckungsgefahr ist hoch und sie gefährdet Menschen – oder Corona ist harmlos. Beides gleichzeitig geht nicht. Die Isolationspflicht abzuschaffen, aber gleichzeitig „bitte, bitte“ zu sagen, dass man sie doch bitte beachten möge – das ist die Bankrotterklärung von Politik. Aber jetzt kommen ja die Weihnachtsmärkte und die geselligen Feiern – also wen stört’s? Na dann: Happy Corona-Weihnachten. Möge das Virus gnädig sein – die Politik ist es nicht.