Die plötzliche Rückkehr der Tempo 30-Regelung auf den Hauptverkehrsachsen in Mainz stößt auf scharfe Kritik: „Langsam, aber sicher wird das Handeln in der Mainzer Verkehrsverwaltung ein bisschen arg willkürlich“, schimpfte nun FDP-Verkehrsexperte David Dietz, auch die Junge Union spricht von einer ideologischen Entscheidung auf der Grundlage einer „wackeligen Pilotstudie“. Die AfD kritisiert, das neue Lärmgutachten liege gar nicht vor, die neue Entscheidung sei in keinem städtischen Gremien diskutiert worden. Sogar der Kenia-Koalitionspartner CDU lässt leise Kritik erkennen und betont: Das sei noch nicht das Ende der Debatte.

Am Dienstag hatte Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) quasi über Nacht die vor sechs Wochen gekippte Tempo 30-Regelung auf den Hauptverkehrsstraßen in Mainz wieder eingeführt: Die Geschwindigkeitsreduzierung war rechtswidrig gewesen, weil seit Ende 2022 ein Schadstoffgutachten fehlte, das die Notwendigkeit von Tempo 30 zur Reduzierung der Stickoxidwerte nachgewiesen hätte. Tatsächlich hält Mainz bereits seit Anfang 2020 die Grenzwerte für Stickoxide an den Messstationen ein, in den Jahren danach sanken die Werte weiter deutlich.
Ein Gutachten hatte Ende Februar bestätigt, dass Tempo 50 auf den Hauptverkehrsachsen die Belastung mit Stickoxiden nur marginal erhöhen , und die Einhaltung des Grenzwertes nicht ansatzweise gefährden würde. Daraufhin hatte das Verkehrsdezernat Tempo 50 wieder einführen müssen, der Abbau der Schilder dauerte Tage. Am Montag gab Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) dann plötzlich bekannt: Tempo 30 werde wieder eingeführt, dieses Mal aus Gründend es Lärmschutzes und der Verkehrssicherheit – über Nacht waren die Schilder wieder da.
CDU: Debatte über Sinn von Tempo 30 damit nicht beendet
Das stößt nun auf scharfe Kritik der Opposition – aber nicht nur: Selbst die in der Kenia-Koalition mitregierende CDU betonte, man sei „nicht glücklich“ über die Wiedereinführung. „Die CDU Mainz favorisiert bekanntermaßen Tempo 50 auf den Hauptachsen“, betonte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster, der schon im Jahr 2024 auf die Rechtswidrigkeit der Regel hingewiesen – und damals auch den Rücktritt der Verkehrsdezernentin gefordert hatte. Nun teilte Gerster mit, die Verantwortung liege „schlussendlich beim Verkehrsdezernat“ – das müsse nun aber auch für eine „juristisch standhafte“ Regelung sorgen: „Die Stadt Mainz muss verlässlich handeln“, forderte er.

Die Debatte um die Verkehrsführung auf den innerstädtischen Hauptachsen sehe er damit aber „noch nicht als beendet an“, betonte Gerster zugleich: „Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir gemeinsam mit unseren Partnern die Diskussion führen, wie wir den Verkehr in Zukunft gestalten möchten. Dazu gehört auch und ganz explizit die Debatte darüber, wo und in welcher Form Tempo 30 sinnvoll ist und wo eben nicht.“
Zudem mahnte der CDU-Politiker an, das Verkehrsdezernat habe zugesagt, „dass wir auch über die Ampelschaltungen sprechen werden.“ Wenn hier eine bessere und intelligentere Abstimmung erreicht werden könne, „könnte dies eine erhebliche Verbesserung der angespannten Situation darstellen“, unterstrich Gerster. Die Stadtverwaltung hatte nach der Einführung von Tempo 30 nie geschafft, eine echte „Grüne Welle“ auf den Hauptverkehrsachsen zu etablieren.
JU: Wackelige Pilotstudie als Grundlage reicht nicht aus
Wesentlich deutlichere Kritik kam hingegen von der CDU-Jugendorganisation Junge Union: „Die Begründung Lärmschutz, die nun genutzt wird, nachdem die unrechtmäßige Begründung Feinstaubbelastung viele Jahre verschleppt wurde, ist ideologisch bedingt, da sie ganz klar an vielen Stellen nicht zutrifft“, kritisierte der Mainzer JU-Vorsitzende Torsten Rohe, der auch Mitglied des Stadtrats ist. Besonders „enttäuschend“ sei, dass das Verkehrsdezernat nicht einmal den Dialog mit der Stadtgesellschaft gesucht habe.

„In anderen Städten sind auch Kompromisse wie zeitliche Begrenzungen oder Tempo 40-Strecken möglich“, betonte Rohe, und kritisierte: „Die Chance hat man in Mainz vertan und beharrt stur auf diesen schlechten Entscheidungen.“ Die Stadt müsse nun mit Gesellschaft und Wirtschaft „schnell ins Gespräch kommen, „um dem Mainzer Verkehr und der Mainzer Wirtschaft nicht weiter Schaden zuzufügen“, betonte Rohe. JU-Vorstandskollege Herbert Lengfeld mahnte zudem an, es brauche neben einer politischen Diskussion über Tempo 30 „auch eine klare Faktenlage, mit der man über Lärmschutz spricht. Eine wacklige Pilotstudie als Grundlage zu nehmen reicht definitiv nicht aus.“
Das monierte auch die AfD-Fraktion im Mainzer Stadtrat: „Frau Steinkrüger lernt nicht dazu und handelt wieder im Alleingang“, schimpfte AfD-Fraktionschef Arne Kuster. Die Entscheidungsgründe, Tempo 30 kurzerhand wieder einzuführen, seien „weder im Verkehrsausschuss noch im Stadtrat diskutiert worden“, kritisierte Kuster: „Auch das neue Lärmgutachten liegt uns nicht vor.“ Denn der bisherige Lärmaktionsplan von 2024 sei „in der Frage von Tempo 30 nicht eindeutig, und daher als Entscheidungsgrundlage nicht brauchbar“, warnte er. Im Zweifel müsse die Stadt „auch alternative und weniger einschränkende Maßnahmen zur Lärmreduzierung prüfen, beispielsweise Flüsterasphalt.“

FDP will Anhörung zu Tempo 30: „Alleingang wenig nachvollziehbar“
Auch die FDP im Mainzer Stadtrat wirft Steinkrüger vor, im Alleingang zu agieren: „Langsam aber sicher wird das Handeln in der Mainzer Verkehrsverwaltung ein bisschen arg willkürlich“, schimpfte FDP-Verkehrsexperte David Dietz: Während Steinkrüger die Rückkehr zu Tempo 50 „volle vier Wochen verschleppt hat, werden jetzt innerhalb von 24 Stunden neue Fakten geschaffen“, kritisierte er.

Auch FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn und Stadtrat Wolfgang Klee kritisierten, bei den Bürgern sei „viel Vertrauen verloren gegangen, wenn die Verwaltung sich wissentlich über bestehendes Recht hinwegsetzt, und nun ohne vorherige Information und die Menschen mitzunehmen, wieder neue Tatsachen schafft.“ Ob die Zustimmung des Landesbetriebs Mobilität (LBM), den Lärmaktionsplan der Landeshauptstadt als Grundlage zu akzeptieren, „einer eventuellen Rechtskontrolle Stand hält, ist offen“, warnten die Liberalen. Die Dezernentin, aber auch Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) müssten sich daher fragen lassen, wie sie dem negativen Eindruck vom Verwaltungshandeln der Stadt begegnen wollten.
Zum Mindesten aber hätte Steinkrüger vor ihrer Entscheidung den Umweltausschuss oder aber die Stadtratsfraktionen informieren müssen, kritisierte die FDP weiter. „Um die aufgeregten Debatten der letzten Wochen zu versachlichen hätte es einen entschieden besseren Weg gegeben“, argumentiert die Fraktion zudem: „Eine Anhörung im Mainzer Stadtrat oder Verkehrsausschuss mit Expertinnen und Experten, die die unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und fachliche Argumentationen ermöglicht hätte, wäre in der aktuellen Situation ein richtiger Schritt vor der Entscheidung gewesen.“
„Die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung sieht explizit vor, dass ein solches Instrument zur Versachlichung einer Sachfrage zur Anwendung kommen kann“, betonte Dietz, der „erneute Alleingang der Verwaltung ist wenig nachvollziehbar“, schimpfte er: „Es sei denn, der Dezernentin wären Bedenken und gegenteilige Positionen egal – dann wäre aber eine Selbstreflektion für die Eignung des Amtes dringend angebracht.“
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