Die Entscheidung ist gefallen: Die kaputte Salzbachtalbrücke in Wiesbaden soll in zwei Monaten komplett fallen. „Wir wollen sprengen“, sagte Ulrich Neuroth, Leiter der Autobahn GmbH West des Bundes am Freitag in Wiesbaden. Die Autobahnbrücke der A66 war vor einer Woche abgesackt und dabei stark beschädigt worden, die Brücke ist akut einsturzgefährdet, die A66 sowie angrenzende Straßen und die Bahnlinie nasch Wiesbaden sind seither komplett gesperrt. Abhilfe bietet offenbar nur eine kontrollierte Sprengung des kompletten, 310 Meter langen Bauwerks – das soll nun in zwei Monaten geschehen. Der erste Teil der neuen Brücke soll danach in nur 12 Monaten Bauzeit neu entstehen, die komplette Brücke könnte sogar schon 2023 fertig sein.

Die Salzbachtalbrücke sackte vor einer Woche urplötzlich ab und krachte auf einen Brückenpfeiler. - Foto: gik
Die Salzbachtalbrücke sackte vor einer Woche urplötzlich ab und krachte auf einen Brückenpfeiler. – Foto: gik

Es war genau vor einer Woche, als es am Freitagnachmittag um kurz nach 17.00 Uhr auf einem einen gewaltigen Schlag im Salzbachtal bei Wiesbaden gab: Ein Brückenlager hatte sich an einem Pfeiler der Salzbachtalbrücke gelöst und verschwand, der Brückenoberbau krachte daraufhin ungebremst auf den Brückenpfeiler – mit erheblichen Folgen: „Die Standfestigkeit des südlichen Brückenteils ist nicht mehr gegeben“, sagte Matthias Hannappel, Bauleiter der Autobahn GmbH West des Bundes am Freitag.

Der beschädigte Pfeiler sackte um etwa 50 Zentimeter zur Seite in Richtung Rheingau, der Oberbau der Brücke wiederum sackte um 50 Zentimeter nach unten, so die jetzige Bilanz. Der Überbau mit den Fahrbahnen wiederum verschob sich in der Gänze um zehn Zentimeter in Richtung Frankfurt, sagte Hannappel weite. Es gebe „jede Menge Risse im Überbau, klaffende Fugen“, all das sage den Experten: Die Brücke sei am Ende, „hier herrscht wirklich eine Art Notstand“, betonte Hannappel: „Das Bauwerk Süd könnte jederzeit kollabieren“, deshalb müsse auch der nördliche Teil, auf dem bis vergangenen Freitag noch der Verkehr rollte, gesperrt bleiben.

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Pressekonferenz der Autobahn GmbH des Bundes an der Salzbachtalbrücke, von links: Matthias Hannappel, Ulrich Neuroth und Alexander Pilz.l- Foto: gik
Pressekonferenz der Autobahn GmbH des Bundes an der Salzbachtalbrücke, von links: Matthias Hannappel, Ulrich Neuroth und Alexander Pilz.l- Foto: gik

„Die ganze Brücke ist ‚rübergerutscht und stützt sich jetzt am Widerlager Frankfurt ab“, ergänzte der Leiter der Autobahn GmbH West, Ulrich Neuroth. In dem Bauwerk haben sich Zentimeter breite Risse gebildet, ein Riss durchläuft auch den abgesackten Pfeiler – die Experten können nicht ausschließen, dass der Stützpfeiler in Kürze aufgibt, dann würde die Salzbachtalbrücke komplett wegsacken. Auch könnte ein weiteres Lager eines benachbarten Brückenpfeilers ebenso einbrechen, da auf den Nachbarpfeilern nun die Last des verschobenen Bauwerks ruht. Rund um die Brücke wurde deshalb ein abgesperrter Sicherheitsbereich eingerichtet, den niemand betreten darf – es bestehe Lebensgefahr, betonte Alexander Pilz, Leiter der Außenstelle Darmstadt der Autobahn GmbH des Bundes: „Neugier ist hier wirklich fehl am Platz.“

Verletzt wurde bei dem Unfall vor einer Woche niemand, doch die Autobahn 66 musste umgehend voll gesperrt werden, ebenso die wichtige Bundesstraße 256, die unter der Salzbachtalbrücke erläuft, und die Wiesbadener Innenstadt mit der A 671 verbindet. Ebenfalls gesperrt werden musste eine wichtige Radwegeverbindung – und die Eisenbahnlinie von Frankfurt und Mainz nach Wiesbaden. Der Wiesbadener Hauptbahnhof kann seither weder mit S-Bahnen noch mit IC angefahren werden, die Landeshauptstadt Wiesbaden leidet unter einem massiven Verkehrschaos durch den Umgehungsverkehr.

Die Autobahnbrücke der A66 überspannt das Salzbachtal, darunter liegen Straßen, Eisenbahnschienen und eine Kläranlage. - Foto: Hessen Mobil
Die Autobahnbrücke der A66 überspannt das Salzbachtal, darunter liegen Straßen, Eisenbahnschienen und eine Kläranlage. – Foto: Hessen Mobil

„Es ist ein verkehrstechnischer Alptraum“, stöhnte am Freitag Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD), „die Dramatik der Lage kann gar nicht überbewertet werden.“ 80.000 Fahrzeuge, die sonst die Salzbachtalbrücke jeden Tag überqueren, suchen sich nun einen Weg durch Wiesbaden und die angrenzenden Vororte, belastet ist vor allem Biebrich. „Das ist eine ganz, ganz schwierige Situation“, sagte Mende, derzeit würden „Tausende von Stunden in Staus verplempert“, Pendler, ÖPNV-Nutzer sowie die Wirtschaft litten massiv unter der Lage. Wiesbaden habe zudem das Problem nicht zu verantworten, sagte Mende: Der Grund liege in „jahrzehntelanger Vernachlässigung von Infrastruktur“, man habe sich zu wenig um Instandhaltung gekümmert“, schimpfte der OB – und bat: „Umfahren Sie Wiesbaden!“

Bei der Stadt Wiesbaden sucht man derzeit nach Wegen, den Verkehr möglichst flüssig zu halten, seit Montag sind an wichtigen Kreuzungen die Ampelanlagen ausgeschaltet, stattdessen regeln Verkehrspolizisten die Automengen je nach Bedarf. Die A66 ist komplett unterbrochen, die Lücke im Verkehrsnetz soll nun eine Art Bypass bekommen: Eine Umfahrungstrasse soll im Laufe der nächsten sieben bis zehn Tage Autoverkehr, Busse aber auch Radfahrer wenigstens einspurig um die gesperrte Brücke herum und direkt auf die A671 lenken, derzeit laufen dafür die Vorbereitungsarbeiten. „Wir bitten auch unsere Nachbarn um Solidarität und Unterstützung“, sagte Mende weiter, und bat: „Versuchen Sie nicht in die Stadt zu fahren, wenn Sie nicht in die Stadt müssen.“

Unter der gesperrten Salzbachtalbrücke queren die B263, ein wichtiger Radweg sowie die Eisenbahnverbindung nach Wiesbaden. - Foto: gik
Unter der gesperrten Salzbachtalbrücke queren die B263, ein wichtiger Radweg sowie die Eisenbahnverbindung nach Wiesbaden. – Foto: gik

Das große Problem der Stadt: Ein schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Noch mindestens zwei Monate wird es dauern, bis Züge wieder aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Wiesbaden rollen können, mindestens 14 Monate, bis die A66 eine neue Brücke bekommt. In den kommenden Tagen soll die Brücke nun erst einmal mit Hilfspfeilern gesichert werden, das bedrohte Brückenlager Unterstützung durch eine Art Kissen bekommen, das in den Spalt zwischen Pfeiler und Oberbau geschoben wird.  „Wenn wir am Bauwerk arbeiten, können wir das nur aus der Ferne, wir müssen ferngesteuert arbeiten“, sagte Hannappel. Oberstes Ziel sei derzeit, das Bauwerk zu stabilisieren, „ich schätze, in 14 Tagen sind wir damit durch“, sagte er.

Die Erforschung der Ursache werde dadurch ebenfalls behindert: „Wir können die Bestandsanalyse nur abschließen, wenn wir an das Bauwerk kommen“, sagte Hannappel weiter, dafür müsse aber die Notstandssicherung abgewartet werden. Die Autobahn GmbH hatte angekündigt, binnen einer Woche zu entscheiden, was mit dem beschädigten Bauwerk weiter geschehen solle, am Freitag war es so weit: „Ich mache es kurz: Wir wollen sprengen“, sagte Gebietsleiter Neuroth. Den Ausschlag gegeben habe dafür die Sicherheitslage, die wenig Möglichkeiten lasse, und es gehe auch um Zeit, Kosten und Perspektive.

Der beschädigte Brückenpfeiler der Salzbachtalbrücke. - Foto: gik
Der beschädigte Brückenpfeiler der Salzbachtalbrücke, auch er weist tiefe Risse auf. – Foto: gik

„Wir werden zuerst den Überbau Süd sprengen“, kündigte Neuroth an. Das Problem dabei: Keine Firma und kein Fachmann wollte zusichern, dass bei einer Sprengung des südlichen Brückenbauwerks der nördliche Teil unbeschädigt bleiben würde. „Es zeichnet sich nicht ab, dass irgendjemand dieses Risiko mit uns trägt“, sagte Neuroth: „Wir wissen nicht, was im Untergrund jetzt passiert ist und welche Auswirkungen das auf das Bauwerk Nord hat.“ Deshalb sei man zu dem Schluss gekommen, auch das Bauwerk Nord zu sprengen. „Wir haben das gegen konventionelle Maßnahmen abgewogen“, sagte Neuroth weiter, der große Unterschied sei die Zeit: Ein konventioneller, langsamer Rückbau würde bedeuten, dass die Eisenbahnstrecke erst in einem Dreivierteljahr wieder frei sei, „wir würden enorm Zeit verlieren.“

„Wenn wir Sprengen, können wir wohl in einem Jahr den Überbau Süd wieder befahrbar machen“, sagte Neuroth. Das sei ambitioniert, man habe aber einen großen Vorteil: Der Neubau der Salzbachtalbrücke wurde bereits geplant, ab Ende August war der Abriss vorgesehen, und auch mit den Vorbereitungen für den Neubau wurde bereits begonnen. „Die Gründungen für die neuen Pfeiler sind weitgehend schon hergestellt worden und sind schon im Boden“, sagte Neuroth weiter, „es sind schon Stahlteile für den Überbau Süd hergestellt worden und gelagert, die liegen derzeit in einem Zwischenlager.“ Die Phase der Vorplanung und Vorfertigung sei schon durch, „wir können direkt in die Bauphase einsteigen.“

Nun soll die Salzbachtalbrücke gesprengt werden, schon in zwei Monaten. - Foto: gik
Nun soll die Salzbachtalbrücke gesprengt werden, schon in zwei Monaten. – Foto: gik

Nun soll der Weg des Sprengens gegangen werden, Ziel sei, das innerhalb von zwei Monaten hinzubekommen, sagte Neuroth weiter. Die Sprengung des 310 Meter langen Bauwerks könne so geschehen, dass die Brücke in der gesamten Länge gleichzeitig nach unten sackt, sagte Pilz. Im Idealfall werde erst der südliche Teil gesprengt und dann die nördlichen Fahrbahnen, und zwar so, dass der Schutt des Nordteils leicht seitlich auf den südlichen Schuttberg absinkt. So soll die neben der Salzbachtalbrücke liegende Kläranlage geschützt werden, die Bahngleise wiederum könnten mit einem dicken Sandbett vor Beschädigungen geschützt werden.

Gelinge die Sprengung, könne im Herbst mit dem Bau begonnen werden – binnen eines Jahres könnte dann der südliche Brückenteil stehen. „Das wird uns sehr viel nach vorne bringen“, sagte Neuroth, die A66 könnte dadurch ein bis anderthalb Jahre früher fertig werden als ursprünglich gedacht. „Wünschen Sie uns viel Glück dabei, nein, das kann man nicht sagen, viel Vergnügen auch nicht“, sagte Neuroth: „Viel Erfolg ist das Wort.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Absacken der Salzbachtalbrücke vor einer Woche lest Ihr hier bei Mainz&, die politische Debatte rund um die Frage nach Versäumnissen und Folgen könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Details zur Salzbachtalbrücke und zu ihrer Geschichte findet Ihr hier auf Wikipedia. Von der Pressekonferenz gibt es auch ein kurzes Video, das Ihr Euch hier auf unserer Mainz&-Facebookseite ansehen könnt.

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