Die Kür der künftigen Dezernenten im Mainzer Stadtvorstand stößt auf heftige Kritik. Am Montag hatten die Grünen ihren Fraktionschef Daniel Köbler als Kandidaten für die Nachfolge im Finanzdezernat präsentiert, zuvor hatte bereits die SPD ihre beiden Parteichefs als Dezernenten für Soziales und Schule nominiert. Nun kritisierten Freie Wähler-Gemeinschaft und ÖDP nahezu unisono: Anstatt die fachlich Besten für einen Posten zu suchen, würden Partei- oder Fraktionsvorsitzende für ihre Parteiarbeit und -treue mit Posten belohnt – das sei „nicht optimal für die Stadt“.

In der Tat ist die derzeit laufende Auswahl der neuen Dezernenten in Mainz alles andere als transparent. Gleich drei der fünf Mainzer Dezernentenposten sind binnen der nächsten 12 Monate neu zu besetzen. Die Krux dabei: Dezernenten werden nach rheinland-pfälzischem Kommunalrecht für acht Jahre gewählt, ihre Amtszeit ist zudem nicht an die Wahlperiode des Stadtrats gebunden. Das führte etwa dazu, dass in der Kommunalwahlperiode 2019 bis 2024 kein einziger Dezernentenposten neu zu vergeben war, eine neue Koalition hätte also im Stadtvorstand so gut wie keinen Handlungsspielraum gehabt.
Die Kommunalwahl 2024 war auch deshalb so spannend, weil klar war, dass binnen der nächsten fünf Jahre sämtliche Dezernentenposten im Mainzer Stadtvorstand neu zu vergeben waren – und die hauptamtlichen Dezernenten bestimmen gemeinsam mit dem Oberbürgermeister maßgeblich die Stadtpolitik. Zwar gibt der Stadtrat formal die Linien vor, doch was der die Fraktionen im Stadtrat einbringen und beschließen, wird meist in der Stadtverwaltung bereits vorbereitet, und hier haben die Dezernenten gemeinsam mit den Fraktionschefs ihrer Parteien einen machtvollen Spielraum.
Alle fünf Dezernentenposten bis 2029 neu zu besetzen
Damit war klar: In Mainz werden jetzt die Weichen gestellt, werde Politik in den kommenden zehn Jahren in der Landeshauptstadt gemacht wird. Bereits Ende Juni scheidet als erster Sozialdezernent Eckart Lensch von der SPD aus dem Amt, im Februar 2026 endet die Amtszeit von Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) sowie von Finanzdezernent und Bürgermeister Günter Beck (Grüne). Die nächste wäre dann turnusgemäß Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU), deren Amtszeit Ende 2027 endet.

Am längsten im Amt ist noch die grüne Verkehrs- und Umweltdezernentin Janina Steinkrüger: Die Grüne trat ihr Amt zum 1. September 2021 an, damit endet ihre Amtszeit also zum September 2029, also nach der nächsten Kommunalwahl. Doch weil Dezernenten bis zu drei Monate vor Ablauf ihrer Amtszeit wiedergewählt werden müssen, oder ein neuer Kandidat bestimmt wird, fällt auch dieser Posten in die Machtbefugnis der aktuellen Koalition fallen – alle Koalitionen danach haben dann wieder auf Jahre hinaus das Nachsehen.
Die Besetzung hauptamtlicher Beigeordneter muss ausgeschrieben werden, bewerben kann sich hierbei theoretisch jeder Interessierte aus Deutschland – doch diese Ausschreibungen sind durch die Praxis längts zur Farce geworden. Vergeben werden die Posten nämlich durch Absprachen, das Vorschlagsrecht hat dann eine bestimmte Partei – und die vergibt stets an verdiente Parteimitglieder. Das kritisieren jetzt ÖDP und die Freie Wähler Gemeinschaft (FWG) in Mainz: „Eine bürgernahe Politik setzt faire und überprüfbare Auswahlprozesse voraus“, sagte die stellvertretende ÖDP-Fraktionsvorsitzende Dagmar Wolf-Rammensee – und forderte „mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit“ bei der Besetzung der Dezernentenstellen.
ÖDP kritisiert „Vergabe hinter verschlossenen Türen“ an Parteifreunde
Zum Anlass nahm die ÖDP dafür jetzt die Ankündigung der Grünen, ihr Fraktionschef Daniel Köbler solle 2026 Nachfolger des Grünen Beck werden. „Wir hinterfragen das kritisch“, sagte Wolf-Rammensee: „Entscheidend für die Besetzung solcher Ämter muss die fachliche Eignung sein – nicht parteipolitische Absprachen oder persönliche Netzwerke.“ Die ÖDP fordere „objektive und klar nachvollziehbare Auswahlkriterien“, die Bürger hätten ein Recht darauf zu wissen, auf welcher Grundlage Führungspersonal für die Stadtverwaltung ausgewählt werde.

„Eine Vergabe hinter verschlossenen Türen widerspricht dem Prinzip einer offenen und bürgernahen Politik“, kritisierte Wolf-Rammensee. Die ÖDP appelliere daher „an alle politischen Akteure“, sich für sachorientierte und qualifikationsbasierte Auswahlprozesse einzusetzen. „Nur wenn Kompetenz an erster Stelle steht, kann das Vertrauen in die Politik gestärkt werden“, mahnte sie.
In die gleiche Richtung bewegt sich auch die Kritik der Freien Wähler-Gemeinschaft FWG: Die Aufteilung der Dezernate sei von den neuen Koalitionären im Koalitionsvertrag geregelt worden. „Wir befürchten, dass auf Grundlage dieser Vereinbarung nicht deutschlandweit nach den besten Kandidaten gesucht wird, sondern nur innerhalb der eigenen Reihen nach möglichst verdienten Parteimitgliedern“, kritisierte die FWG. Die großen Parteien in Mainz griffen bei der Besetzung hoher städtischer Posten „häufig auf eigenes Personal zurück“, offenbar auch weil die hoch dotierten Gehälter „eine nicht unerhebliche Rolle spielen.“
Freie Wähler: Fachkenntnisse werden gar nicht gesucht
Tatsächlich hat sich der Grüne Daniel Köbler bisher ausschließlich in Parteiämtern bewegt: Der 44-Jährige war Landeschef der Grünen, ist seit 2011 Landtagsabgeordneter und seit 2019 Ortsvorsteher der Mainzer Oberstadt. Die Mainzer SPD wiederum hatte für die Besetzung der beiden ihr zustehenden Dezernentenposten erst eine Findungskommission ins Leben gerufen – die dann prompt die beiden Parteichefs Jana Schmöller und Ata Delbasteh „fand“.

Die 33 Jahre junge Schmöller ist seit 2022 Fraktionschefin der SPD im Mainzer Stadtrat und arbeitete bisher hauptberuflich als Referentin im Mainzer Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, zuständig für Verträge mit Religionsgemeinschaften. Bislang hat sie weder in einem Unternehmen außerhalb der Politik gearbeitet, noch eine höhere Leitungsfunktion inne gehabt – am 5. Februar wählte sie der Mainzer Stadtrat dennoch zur neuen Dezernentin für Soziales und Jugend. Der 45 Jahre alte Delbasteh wiederum war bisher vor allem als Gastronom in Mainz tätig, im Mai soll er zum neuen Dezernent für Schule und Soziales mit Start in 2026 gewählt werden.
„Die Bürgerschaft und die Stadt hätten es jedoch verdient, dass sich die Parteien mehr Mühe bei der Auswahl der Kandidaten geben und gezielt Personen suchen (und finden), die über einschlägige Fachkenntnisse verfügen“, klagten die Freien Wähler jetzt: „Menschen, die bereits erfolgreich einen Haushalt saniert haben, die aus einem Bildungsministerium kommen, um die Mainzer Schulen zu reformieren. Stadtplaner, Architekten oder Ingenieure, die als bewährte Manager Objekte und Projekte in vergleichbarer Größenordnung erfolgreich umgesetzt haben. Das würde sich die FWG für die Stadt Mainz wünschen.“
FWG: Statt „Bestenauswahl“ verdiente Parteifreunde
Stattdessen sei es „leider gängige Praxis, Partei- oder Fraktionsvorsitzende vorzuschlagen und zu wählen, die manchmal eher für ihre Parteiarbeit und -treue mit einem Posten belohnt werden“, kritisieren die Freien Wähler weiter: Das sei „nicht optimal“ für die Stadt. Viel besser wäre doch „die gesetzlich vorgeschriebene ‚Bestenauswahl‘ anzuwenden, und durch eine anspruchsvolle Ausschreibung Kandidaten zu finden, die nicht nur in Mainz und den Parteien verwurzelt sind, sondern auch über die notwendige fachspezifische Ausbildung verfügen“, fügte die Opposition hinzu, und fordert: Es brauche echte Ausschreibungen und ein transparentes Bewerbungsverfahren mit einem klaren Kriterienkatalog, wie in der freien Wirtschaft.
Die CDU hat sich bislang zur Verteilung ihrer Dezernentenposten übrigens zurückgehalten: Als einziger neuer CDU-Vertreter im Stadtvorstand wurde bisher Karsten Lange im Dezember 2024 als neuer ehrenamtlicher Dezernent für Fördermittelmanagement gewählt, als Nachfolger des FDP-Mannes Volker Hans. Die CDU hat aber laut Koalitionsvertrag das Recht, das wichtige Baudezernat neu zu besetzen, dazu steht ihr ein weiterer ehrenamtlicher Dezernent zu – womöglich für den Bereich Historisches Erbe. Nach Mainz&-Informationen könnte sich die Auswahl dieser Dezernenten kommende Woche entscheiden.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zur Nominierung des Grünen Daniel Köbler als neuer Finanzdezernent und Bürgermeister von Mainz lest ihr hier bei Mainz&.