Am Samstag soll es endlich so weit sein: Die Schiersteiner Brücke soll endlich auch wieder für Lkw frei gegeben werden. Damit geht eine neunmonatige Sperrung der wichtigen Verkehrsader zwischen Mainz und Wiesbaden zuende – 270 Tage genau, hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) ausgerechnet. Für Pkw ist die Brücke ja seit Mitte April wieder befahrbar, allerdings nur mit großen Schikanen. Weil die vor der Freigabe am Samstag abgebaut werden müssen, wird noch mal gesperrt – ab Freitagabend 21.00 Uhr. Und. Es gibt neue Verzögerungen – dieses Mal auf hessischer Seite.
Die Schiersteiner Brücke war ja in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar aufgrund eines Bauunfalls abgesackt, als ein Pfeiler im Untergrund wegsackte, sich schief stellte – und die Brücke riss. Eine zweimonatige Komplettsperrung war die Folge – und ein totales Verkehrschaos im gesamten westlichen Rhein-Main-Gebiet. Damit die Brücke die Last der Lkw wieder tragen kann, wurde seither ein Stützenwald von 80 Stahlpfeilern in den Boden unter der beschädigten Brücke gerammt.
Diese Arbeiten hätten „früher als erwartet“ abgeschlossen werden können, die Brücke könne voraussichtlich im Laufe des Samstagnachmittags wieder für Lkw frei gegeben werden, teilte der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch mit. Das Aufatmen der Wirtschaft war bis in die Mainz&-Redaktionsstube zu hören 😉 Die IHK erinnerte daran, dass jeder Tag der Lkw-Sperrung die Unternehmen in der Region durch Umwegfahrten und Autobahn-Maut pro Tag rund 100.000 Euro kostete.
Bodenprobleme in Hessen, Bauverzögerung um ein halbes Jahr
Doch die Probleme am Brückenbauwerk häufen sich weiter – jetzt haben auch die Hessen Probleme mit dem weichen Untergrund am Rhein. Die Fertigstellung der neuen Rheinbrücke, die von Hessen gebaut wird, werde sich um ein halbes Jahr verzögern, teilte der Landesbetrieb Hessen Mobil diese Woche mit. Statt Sommer 2016 soll der erste Teil des Brückenbauwerks nun erst im Dezember 2016 fertig werden. Also noch ein halbes Jahr mehr Baustelle…
Der Grund für die neue Verzögerung: Es habe mehrere technische Probleme gegeben, die sich zeitlich addiert hätten, sagte Sprecher Veit Göbel Mainz&. Hauptgrund dafür: der Boden unter der Brücke. „Die Pfahlgründungen sind grundsätzlich technisch sehr anspruchsvoll, da kam es auch an mancher Stelle zu leichten Verzögerungen“, sagte Göbel. Vielleicht sind die Hessen ja auch inzwischen doppelt vorsichtig 😉
Boden muss auch in Wiesbaden verstärkt werden
Dazu bauen die Hessen ja die Brückenteile als Ganzes und schieben sie dann auf Schienen auf den Rhein hinaus – Mainz& war ja bei der ersten Brücken-Verschiebeaktion im Juli dabei. Die ausführende Firma habe aber „erst später festgestellt, dass der Boden unter der Brücke verbessert werden musste“, sagte Göbel. Die Verschubbahn musste durch Zementinjektionen verstärkt werden – das erinnert uns doch sehr an die Mainzer Seite…
Haben also die Fachleute auf beiden Seiten des Rheins den sandigen Baugrund unter der Schiersteiner Brücke falsch eingeschätzt? Das Anfang Oktober endlich vorgelegte Baugutachten hatte ja ergeben, dass auf Mainzer Seite viel zu viel Beton in den Boden gepumpt wurde, durch Verpressungen entstanden Hohlräume unter dem Brückenpfeiler – das Ergebnis war der absackende Pfeiler. Und das trotz ausführlicher Baugrundgutachten…
Kontaminierter Baugrund unter der Brücke 2013 beseitigt
„Wir haben im Vorfeld Baugrunduntersuchungen gemacht“, betonte nun auch Göbel für den hessischen Landesbetrieb. Ob die aber auch die ausführende Baufirma kannte, das blieb offen. Die Verstärkung durch Zementinjektionen sei aber „ein übliches, gängiges Bauverfahren“, fügte der Sprecher hinzu.
Als dritten Grund für die zeitliche Verzögerung nannte Göbel kontaminierten Boden unter der Schiersteiner Brücke in Schierstein. Dort habe es offenbar Firmen gegeben, die mit Teer wie für den Straßenbau gearbeitet hätten, zurück blieb Boden, der mit hochgiftigen PAK belastet war. Der Fund habe zu deutlich höheren Anforderungen beim Arbeitsschutz geführt, der Boden ausgetauscht müssen, sagte Göbel. Das sei aber alles bereits 2013 erfolgt, als der Fund gemacht worden sei, betonte er zudem.
Hessen: „Problem ausschließlich auf Mainzer Seite“
Während des halben Jahrs mehr Bauzeit werde es auf hessischer Seite aber durchgehend zwei Fahrstreifen geben, unterstrich Göbel weiter: „Die Probleme sind ausschließlich auf Mainzer Seite, das Herzstück ist das Nadelöhr, da entstehen die Probleme.“
Die IHKs in Mainz und Wiesbaden forderten nun etwas genervt beide Bundesländer auf, „jetzt mit Hochdruck daran arbeiten, die für das gesamte Rhein-Main-Gebiet wichtige Verkehrsschlagader wieder voll funktionstüchtig herzustellen.“Besonders die rheinland-pfälzische Landesregierung könnte den Zeitgewinn nutzen, um den sechsspurigen Ausbau der Autobahn 643 auf Mainzer Seite zu planen, schlug IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz vor.
Vor der Freigabe am Samstag gibt es zudem erst noch einmal eine Sperrung: Die Schikanen für die Lkw müssen abgebaut werden. Deshalb wird die A 643 ab dem Autobahndreieck Mainz in Richtung Wiesbaden-Äppellallee samt Schiersteiner Brücke ab Freitag 21.00 Uhr noch einmal voll gesperrt. Auch die Anschlussstellen Gonsenheim und Mombach sind dicht. Aus Richtung Wiesbaden wird es aber eine Fahrspur geben, die Brücke ist durchgehend befahrbar. Was nützt das aber, wenn man in Mainz nicht runter kommt…
Info& auf Mainz&: Freitag, 6. November ab 21.00 Uhr Vollsperung der A 643 zwischen dem Autobahndreieck Mainz und der Anschlussstelle Wiesbaden-Äppelallee (inklusive der Schiersteiner Brücke) in Fahrtrichtung Wiesbaden. Von Wiesbaden in Richtung Bingen ist die Überfahrt aber möglich. Im Laufe des Samstagsnachmittags (7. November) soll die Schiersteiner Brücke dann für alle Fahrzeuge, auch Lkw über 3,5 Tonnen wieder frei gegeben werden. Für den genehmigungspflichtigen Schwerverkehr mit einem Gesamtgewicht größer von 40 Tonnen blebt die Brücke gesperrt.