Es wird die nächste große Baustelle in der Mainzer Innenstadt: Voraussichtlich 2019 wird der Bereich Schillerstraße vom Münsterplatz in Richtung Schillerplatz zur Großbaustelle. Eine Einbahnstraße wollen die städtischen Planer aus der Straße entlang des Finanzamtes machen, doch Geschäftsleute entlang der Meile haben erhebliche Bedenken. Die hängen auch mit dem Großbauprojekt Große Langgasse zusammen: Ab 2018 will die Stadt hier komplett umbauen, ein Verkehrskreisel soll dann an der Einmündung Große Langgasse/Kleine Langgasse entstehen – obwohl hier Busse und Lastwagen durch müssen. Vom Parkhaus Proviantamt wiederum müsste dann der gesamte Verkehr über Kleine Langgasse und Große Langgasse zur Bleiche führen – Anwohner befürchten ein Chaos. Die CDU fordert nun, die Pläne zu überdenken – beschlossen sei nämlich entgegen den Behauptungen der Stadt noch gar nichts.
Es ist ein Mammutprojekt in Sachen Stadtverschönerung, das die Stadtverwaltung da angeht: In diesem Jahr wird die Bahnhofsstraße zum Boulevard, das wichtige Einfalltor vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt aufgewertet und völlig neu gestaltet. Doch das soll nicht alles sein: Von 2018 an wird es dem Bereich Große Bleiche/Große Langgasse an den Kragen gehen: Vor allem in der Großen Langgasse soll eine deutlich verschönerte Einkaufsstraße mit breiteren Fußwegen entstehen, mit Mittelinseln und breitem Radweg. Die Große Langgasse sei jetzt „eine Barriere“ in der Innenstadt, eine Aufwertung könne auch die Einkaufsstadt Mainz aufwerten, heißt es in den Plänen der Stadtverwaltung.
Große Langgasse: Nur eine Fahrspur je Richtung, 66 Parkplätze weniger und ein Verkehrskreisel
Für die Autofahrer bedeutet das wieder einmal gravierende Änderungen: Eine Fahrspur pro Richtung wird dort wegfallen, dazu außerdem 66 der derzeit 99 Parkplätze – erhalten bleiben sollen 33. Und an der Einmündung von Kleiner Langgasse zur Großen Langgasse soll ein Verkehrskreisel gebaut werden – Ihr habt richtig gehört. Platz sei dort genug, versicherten die Planer bei einer Bürgerbeteiligung, wie der Kreisel baulich umgesetzt werden soll, sagten sie nicht. Rein räumlich gesehen wird es wohl nur gehen, wenn an der Kreuzung Parkplätze und Bäume wegfallen – so unsere Vermutung. Einen Plan dazu haben wir nicht gefunden.
Ein Grund für die Kreiselplanung: Die Schillerstraße soll nach dem Willen der Planer zur Einbahnstraße werden und wäre dann nur noch vom Münsterplatz in Richtung Schillerplatz befahrbar. Das aber bedeutet: Jeder Verkehr, etwa aus dem Parkhaus unter dem Proviantamt, müsste künftig durch die Kleine Langgasse zur Großen Langgasse fahren und dort über die Umbach zur Großen Bleiche. Aus dem Parkhaus in Richtung Gaugasse abfahren, das ginge noch, links abbiegen Richtung Finanzamt aber nicht mehr. „Wir wollen vom Münsterplatz ein Band Richtung Schillerplatz ziehen“, erklärte Architekt Klaus-Dieter Aichele bei einem Bürgerbeteiligungstermin: „Wir wollen die Idee des Boulevards von der Bahnhofstraße aus weiter führen.“ Auch optisch soll die Schillerstraße denselben Look erhalten, mit den gleichen Bänken und den gleichen Papierkörben.
Geschäftsleute kritisieren geplante Einbahnstraßenregelung in der Schillerstraße
Die Verkehrsregelung via Kleine Langgasse aber stieß auf erheblichen Wiederstand bei Anwohnern und Geschäftsleuten: „Ich kann nicht verstehen, dass man den Verkehr über die Umbach verlängert“, sagte Juwelier Jan Sebastian, der das Schmuckgeschäft Willenberg am Schillerplatz betreibt: „Das bringt eine Verlängerung des Verkehrswegs, damit wird auch der Schadstoffausstoß mehr werden.“ Ja, die Strecke über die Umbach sei ein Umweg, „aber die Reisezeit verlängert sich nicht wesentlich“, betonten die Planer – mussten aber auch einräumen, dass etwa die Hälfte der Autofahrer aus dem Parkhaus in Richtung Binger Straße wolle. Um das Dreifache steige dann die Fahrstrecke in Richtung Große Bleiche, widersprach eine Anwohnerin – eine Strecke mit deutlich mehr Ampeln. „Wir wollen die umweltgerechte Stadt, aber verlängern die Tour für die Autofahrer“, monierte sie.
„Ich bin ein bisschen schockiert über den Planungsstand“, sagte auch Friedrich Demmler, Inhaber des Kinderladens Wirth: „Wir haben dann 15 Prozent mehr Verkehr auf der Umbach – mindestens.“ Das aber werde zu erheblichem Rückstau am neuen Kreisel auf der Langgasse führen. Die Schillerstraße habe bislang nämlich als Entlastungsstrecke für die Große Langgasse und die Umbach gedient, falle das weg, werde sich der gesamte Verkehr auf der Großen Langgasse stauen. „Die Schillerstraße wird ohne Not geschlosse, und der Verkehr in der Kleinen Langgasse verdichtet“, kritisierte Sebastian: „Wir Einzelhändler glauben, dass es besser ist, wenn die Schillerstraße weiter für den Individualverkehr und den Radverkehr da ist.“
Kleine Langgasse könnte zum Nadelöhr werden
Die Planer widersprachen, präsentierten eine Computersimulation, die eine problemlose Abwicklung des Verkehrs Dank Kreisel zeigen sollte. Doch auch in der Simulation entstand durchaus ein merklicher Rückstau auf der Kleinen Langgasse und der Umbach, das aber führe zu einem weiteren Problem, kritisierten die Anwohner: Die Kleine Langgasse sei enorm eng, dort müssten zwei Kneipen beliefert werden – die Lastwagen müssten auf der Straße stehen, um ausladen zu können. Schon jetzt müsse man mit dem Kinderwagen auf die Straße ausweichen, wenn dort geladen werde, weil einfach nicht genügend Platz sei, berichtete eine Anwohnerin – wie solle das mit deutlich mehr Verkehr gehen?
Die Antwort der Stadt: „Illegal abgestellte Lkw können wir nicht berücksichtigen“, sagte Günther Ingenthron, Leiter des Stadtplanungsamtes, es seien Ladezonen eingeplant. Das Thema Anlieferung werde sich für die Geschäftsleute „nicht verbessern“, sagte Ingenthron weiter, „das Optimum ist einfach nicht machbar.“ Das aber stieß auf Empörung und Widerspruch: „Man darf in der Kleinen Langgasse sehr wohl zu Ausladezwecken stehen – wo auch sonst?“, sagte Sebastian – alle Ladezonen seien viel zu weit entfernt. Die Enge in der Kleinen Langgasse lasse sich nur mit einem absoluten Halteverbot lösen, sagte SPD-Stadtrat Andreas Behringer, dann aber „müssen die Lieferanten auch woanders stehen können.“ Wenn gleichzeitig aber auch noch 30 Parkplätze in unmittelbarer Umgebung gestrichen würden, „verschärfen wir das Problem.“
Schillerstraße: Parkplätze und Ladezone vor dem Kinderladen sollen weg
In der Schillerstraße nämlich sollen alle Parkplätze auf der Seite des Erthaler Hofes zugunsten des neuen Boulevards verschwinden, lediglich einige Stellplätze vor dem Finanzamt soll es weiter geben. Verschwinden soll aber auch die große Ladezone vor dem Kinderladen – auch das stieß auf herbe Kritik. „Ich weiß nicht, wie viele tausend Kindersitze schon an dieser Stelle eingepasst, wie viele Kinderwägen hier eingeladen wurden“, sagte Behringer, die Ladezone sei für Anlieferer wie für Kunden enorm wichtig. Ingenthron verwies daraufhin auf eine Ladezone auf der anderen Straßenseite, an der Ecke zum Telekom-Laden. „Soll ich den Kindersitz dann samt Kind durch den Straßenverkehr mit Bus und Bahnen ‚rübertragen?“, fragte ein Anwohner empört.
„Dass die Vorfahrt bei uns nicht mehr möglich sein wird, ist ein echtes Problem“, kritisierte Kollege Demmler: Die Kunden wollten heutzutage „die Stadt mal kurz anfahren, weil man vorher online was bestellt hat – das ist die Zukunft. Das wird künftig aber nicht mehr möglich sein.“ Die Stadtplanung richte sich überhaupt nicht mehr nach den Bedürfnissen der Geschäftsleute, kritisierte er: „Wenn Sie mir schon die Ladezone nehmen, dann zeigen Sie mir wenigstens den Mehrwert.“
Das Wegfallen der Ladezone tangiere auch die Geschäftsleute in der Großen Bleiche, kritisierte Olaf Decker, Inhaber des Geschäfts Koffer Klein auf der Großen Bleiche: „Wo sollen denn unsere Lieferanten künftig halten? Auf dem Radweg?“ Die Anlieferung sei „ein ganz dringliches und wichtiges“ Problem, betonte auch die Grünen-Ortsbeirätin der Altstadt, Renate Ammann, und forderte: „Die Stadt muss sich dringend mal ein vernünftiges Konzept in Sachen Anlieferung für die ganze Innenstadt überlegen.“
Stadt behauptet, Pläne seien vom Stadtrat beschlossen – Städträte: stimmt nicht
„Wir verlieren drei Viertel an Stellfläche an dieser Stelle“, kritisierte Behringer, „mir leuchtet nicht ein, wieso wir in der Schillerstraße an beiden Seiten so viele Parkplätze verlieren müssen – damit bin ich nicht einverstanden.“ Die Planungen seien ja „nicht vom Himmel gefallen“, konterte daraufhin Ingenthron, „wir haben uns in den Gremien die Genehmigung eingeholt, das so zu planen“, der Stadtrat habe die Planung beschlossen. „Die Gremien haben die Planung keineswegs beschlossen, sie haben sie lediglich zur Kenntnis genommen“, widersprach Behringer verärgert und zitierte die entsprechende Vorlage der Stadt: „Die Ausschüsse haben den Entwurf zur Kenntnis genommen – bewertet haben wir ihn noch nicht.“
Und auch weitere Elemente der Planungen stießen bei den Anliegern auf Unverständnis: Deutlich mehr Fahrradstellplätze brauche es, „wir sind doch Universitätsstadt“, da reichten die eingeplanten acht bis zehn Stellplätze nicht ansatzweise aus, sagte Demmler. Warum man denn nicht vor dem Erthaler Hof eine ganze Fahrradstellzone einrichte? Was denn mit E-Moblität und Ladesäulen sei, warum plane die Stadt da nichts ein, wollte Decker wissen, und forderte seinerseits: „Wenn ihr schon Parkplätze wegnehmt, dann macht wenigstens die Parkgebühren attraktiver, um dem Handel auch etwas anzubieten.“
Münsterplatz vor Telekom-Gebäude wird neu gestaltet: Grünflächen statt Parkplatz
Tatsächlich wird durch die Umgestaltung auch der Parkplatz vor dem Telekom-Gebäude verschwinden, denn auch dieser Teil des Münsterplatzes soll runderneuert werden. „Der Platz ist in die Jahre gekommen, die Infrastruktur veraltet“, sagte Planer Aichele, „zwei Drittel des Platzraumes ist letztendlich nur für die Autos da und dient nicht den Menschen.“ Das solle sich künftig ändern, der Platz wieder städtebauliche Qualität bekommen. „Mit dem Lavendelfeld vor dem Bahnhof haben wir ja gezeigt, dass auch solche Plätze Aufenthaltsqualität haben können“, sagte Aichele. Man wolle auch hier „die Abfolge der Mainzer Plätze in der Innenstadt aufgreifen und zur unverkennbaren Visitenkarte der Stadt Mainz weiter entwickeln.“
Künftig soll deshalb der Verkehr auf ein deutlich engeres Band begrenzt werden, dabei aber alle heutigen Fahrspuren erhalten bleiben. Trotzdem soll deutlich mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer gewonnen werden, Hochbeete, Grünflächen und Sitzgelegenheiten Aufenthaltsqualität schaffen. Die zwei großen Ahornbäume auf dem Platz sollen stehen bleiben und durch neue Bäume ergänzt werden, die Abbiegung in Richtung Altmünsterstraße optisch in den Platz integriert werden.
Radweg in der Großen Bleiche endlich entschärft: Radweg künftig auf der Fahrbahn
Für die Radfahrer in Richtung Große Bleiche gibt es dazu eine gute Nachricht: Der Radweg soll endlich entschärft werden. Der Radstreifen soll künftig nicht mehr Teil des Fußwegs sein, sondern ein Teil der Fahrbahn, und vom Fußgängerweg durch einen Bordstein abgetrennt werden. Zu den Autos werde der Radbereich mit einer durchgezogenen weißen Linie als abgetrennter Bereich gekennzeichnet, versprachen die Planer. Der Fußgängerbereich wiederum bleibe genauso breit wie jetzt, werde aber „nutzbarer“, weil der Konflikt mit den Radfahrern wegfalle. Für die verschwindet die Hindernistour mit Fußgängern, Pollern und Abtrenngittern, die bislang eine echte Gefahr für den Radverkehr darstellten. Trotzdem sollen beide Auto-Fahrspuren pro Richtung erhalten bleiben, man habe aus dem vorhandenen Platz „das Äußerste herausgeholt“, hieß es weiter.
CDU: Pläne Schillerstraße überdenken, Einbahnstraßenregel kippen
Über die Pläne zur Schillerstraße soll aber der Stadtrat im September noch einmal abstimmen. Die CDU-Opposition im Stadtrat kritisiert inzwischen die geplante Einbahnstraßenregelung scharf: Die Vorschläge machten „überhaupt keinen Sinn“, die Begründung, die Variante sei ökologisch nachhaltiger, „hanebüchen“, schimpfte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Vielmehr nehme die Stadt durch die längere Wegstrecke und längere Wartezeiten an dann drei statt zwei Ampeln eine höhere Umweltbelastung durch Schadstoffe in Kauf. Problematisch sei auch dir Verkehrszunahme in der Großen Langgasse und der Umbach durch die neue Variante.
Die CDU fordert die Verwaltung nun auf, die Pläne zu überdenken und von der Einbahnstraßenregelung in Richtung Schillerplatz wieder abzurücken. „Damit würde man auch Rücksicht auf Vertreter des Einzelhandels nehmen“, sagte Gerster. Zudem widersprach der Stadtrat ebenfalls Planer Ingenthron: Die Behauptung, die Pläne der Verwaltung seien so von den Gremien beschlossen worden, „ist falsch“, betonte Gerster: „Richtig ist, dass die Vorschläge lediglich zur Kenntnis genommen wurden. Beschlossen wurde lediglich die Durchführung der Bürgerinformation.“
Info& auf Mainz&: Die detaillierten Konzepte der Stadt Mainz zum Umbau des Bereichs Schillerstraße, Große Langgasse und Große Bleiche samt Münsterplatz findet Ihr hier im Internet. Weitere Pläne findet Ihr hier zur Bahnhofstraße und dem Münsterplatz. Eine Karte mit eingezeichnetem Verkehrskreisel in der Großen Langgasse konnten wir nicht finden – obwohl die Planungen angeblich schon in allen Ausschüssen der Stadt 2016 beschlossen wurden.