„Schlechte Noten fürs Fahrradklima“ schrieben wir vor zwei Jahren hier bei Mainz&, da war Mainz gerade beim ADFC-Fahrradklimaindex um vier Plätze abgerutscht und kam nur noch auf eine Note von 3,9. Zwei Jahre danach müssen wir feststellen: In den Augen der vom ADFC befragten Radfahrer hat sich daran nichts zum Positiven geändert – im Gegenteil: Beim Fahrradklimatest 2018 kommt Mainz nur noch auf die Note 4,0, die Beurteilung fällt düster aus. Schlechter Zustand der Radwege, schlechte Ampelschaltungen für Radfahrer, miese Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen – nein, die Mainzer Tester sind mit dem Zustand der Radinfrastruktur überhaupt nicht zufrieden.
Alle zwei Jahre befragt der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Radfahrer in der ganzen Republik nach ihrer Meinung zu, Thema Radfahren in Deutschland. Gefragt wird nach der Breite der Radwege und dem Zustand der Oberfläche, nach Wegweisung für Radler, Radmitnahme im ÖPNV, nach Konflikten mit Autofahrern und ganz allgemein, ob Radfahren in der jeweiligen Kommunen eher Spaß macht oder eher Stress verursacht. Rund 170.000 Menschen stimmten bundesweit ab, das waren 40 Prozent mehr als beim Fahrradklimatest 2016. Insgesamt gaben die dem Fahrradklima in ihren Städten die Note 3,9 im Schnitt.
In Rheinland-Pfalz nutzten 4.900 Menschen die Gelegenheit, ihre Meinung kund zu tun, das waren 30 Prozent mehr als 2016. In 18 Kommunen gab es genügend Teilnehmer, um auch eine aussagekräftige Bewertung zu erhalten. „Das zeigt, wie groß das Interesse am Radfahren ist“, sagte Andreas Geers, Landesvorsitzende des ADFC Rheinland-Pfalz, und betonte: „Wir fordern die Städte auf, diese Ergebnisse ernst zu nehmen, und bessere Bedingungen für ihre Bürger zu schaffen.“ Wer sich in der Stadt auf dem Rad sicher fühle, nutze es besonders auf kurzen Strecken dann auch gerne im Alltag, das sei ein Gewinn für alle.
Doch genau an diesem Sicherheitsgefühl mangelt es massiv. Bundesweit habe sich die Zufriedenheit der Radfahrenden immer weiter verschlechtert, ebenso das Sicherheitsgefühl – die Fahrradfreundlichkeit der Städte kam im Durchschnitt nur noch auf die Note 3,9. Falschparker auf Radwegen, die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen und die fehlende Breite von Radwegen seien die am meisten kritisierten Probleme. „Drei Viertel der Befragten gaben an, dass man Kinder nur mit ungutem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen kann“, teilte der ADFC weiter mit – das sei alarmierend.
Auch für die Stadt Mainz sieht das Ergebnis ganz ähnlich aus, die Tester kritisierten vor allem häufige Hindernisse auf Radwegen (4,8), eine schlechte Oberfläche der Radwege (4,8), ein schlechtes Sicherheitsgefühl (4,4) und erhebliche Konflikte mit Autofahrern (4,4). Die Abstellanlagen für Radfahrer bekommen nur eine 4,1, die Fahrradförderung in jüngster Zeit eine 4,3 und die Breite der Radwege wird gar mit der Note 5 bewertet. Zwei Drittel der Befragten und mehr kritisieren, dass Radwege nur selten gereinigt und im Winter nicht geräumt werden, 81 Prozent finden, die Ampelschaltungen seien nicht gut auf Radfahrer abgestimmt.
82 Prozent finden, es werde in Mainz offenbar großzügig geduldet, wenn Autos auf Radwegen parkten, 69 Prozent meinten, es sei in jüngster Zeit in Mainz kaum etwas für den Radverkehr getan worden – wir haben für die Zahlen jeweils die Prozent der Noten 4-6 zusammengezählt. Auch die Führung an Baustellen wird von den Testern nur mit der Note 4,8 bewertet – alles Punkte, die bereits vor zwei Jahren schon genau so kritisiert wurden. Noch immer werden Radfahrer an Baustellen in Mainz meist zum Absteigen und Schieben gezwungen, etwas, was vor Jahren schon der damalige Radfahrbeauftragte Harry Tebbe abstellen wollte.
In der Konsequenz geben 76 Prozent der Befragten an, sich beim Radfahren in Mainz eher oder mehr gefährdet zu fühlen – ein Sicherheitsgefühl sieht anders aus. Die Note 1 und 2 gaben hier nur 8 Prozent der Befragten, 15 Prozent gaben für das Sicherheitsgefühl die Note 3. Und 78 Prozent erleben offenbar häufige Konflikte zwischen Radfahrern und Autofahrern, 79 Prozent erleben noch immer, dass Radfahrer auf der Fahrbahn von Autos bedrängt werden – gleichzeitig sagen 83 Prozent, man könne auf Radwegen und Radstreifen nicht sicher fahren.
Gute Noten bekommt Mainz lediglich in Sachen Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr (aber auch hier nur eine 3,4), bei der Erreichbarkeit des Stadtzentrums (3,1), der Öffnung der Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Fahrräder (2,1) und für das Fahrradmietsystem MVGmeinRad (2,0). 1236 Radfahrer beteiligten sich an der Umfrage für Mainz, das waren gut 300 mehr als vor drei Jahren.
Dass Mainz trotz seiner schlechten Werte auf dem 11. Platz im Ranking landete, liegt an einer neuer Einstufung: Mainz sei 2018 in die Gruppe der Großstädte bis 500.000 Einwohner eingruppiert worden, die Änderungen seien gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium festgelegt worden, teilte der ADFC auf Nachfrage mit. Damit sei der Listenplatz 2018 nicht mit dem von 2016 vergleichbar – damals war Mainz in einer anderen Kategorie auf den 17. Platz gekommen.
Die CDU-Opposition wertete das Mainzer Abschneiden denn auch als Versagen der Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) sowie der im Stadtrat regierenden Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. „Die vorgelegte Umfrage des ADFC bestätigt nun schwarz auf weiß, dass die Stadt Mainz in Sachen Fahrradfreundlichkeit in den letzten Jahren schwer abgebaut und einigen Nachholbedarf hat“, sagte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Eder habe in ihrer Amtszeit als Verkehrsdezernentin 20 Kilometer Fahrradwege der Nutzungspflicht entzogen, die Ampel habe in ihrer Regierungszeit „kaum etwas ins Radwegenetz investiert.“
Gerster verwies darauf, dass die CDU in den Haushaltsberatungen beantragt hatte, den Etat zur Pflege und zum Ausbau der Radwege um eine Million Euro zu erhöhen – aktuell beträgt er lediglich 150.000 Euro. Die Ampel-Koalition habe das abgelehnt. „Das ideologisch motivierte Konzept der Ampel-Koalition, die Fahrradfahrer auf die Straße zu zwingen, fördert darüber hinaus die Unsicherheit der Fahrradfahrer“, kritisierte Gerster.
Die Mainzer SPD forderte unterdessen mehr Geld und Personal für den Radverkehr in Mainz – die Stadt hat aktuell eine Radfahrbeauftragte. Mainz brauche „endlich ein umfassendes Mobilitätskonzept für den Verkehr“, sagte der Mainzer SPD-Parteivize Erik Donner. Dazu werde die Radverkehrspolitik „momentan leider nicht an allen Gruppen, die das Rad nutzen, ausgerichtet“, kritisierte Donner und nannte als Beispiel die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht: „Für die stärkeren, selbstbewussten Radfahrer ist es ein Gewinn, wenn man auf der Straße fahren kann, aber Eltern mit Kindern oder ältere Menschen müssten weiterhin auf früheren Radweg fahren, um deren Zustand sich viel zu wenig gekümmert wird.“
Der ADFC startete als Konsequenz aus dem schlechten Fahrradklima nun die Kampagne „Mehr Platz fürs Rad“ und will nun verstärkt für gute und sichere Radwege, sichere Kreuzungen und viel mehr Fahrradparkplätze werben. Wer ein positives Beispiel für ein gutes Fahrradklima sucht, muss übrigens gar nicht weit fahren: Das kleine Ingelheim gilt als rheinland-pfälzische Vorzeigekommune in Sachen Radverkehr und kam in seiner Kategorie der Städte bis 50.000 Einwohner im bundesweiten Vergleich auf Platz zwei – mit einer sehr guten Note von 2,71.
Info& auf Mainz&: Mehr zur neuen ADFC-Kampagne „Mehr Platz fürs Rad“ findet Ihr hier im Internet, den ADFC-Fahrradklimaindex 2016 in aller Ausführlichkeit hier bei Mainz&. Die Ergebnisse des diesjährigen Fahrradklimaindexes 2018 könnt Ihr hier beim ADFC nachschlagen.