Heute vor genau 200 Jahren absolvierte ein gewisser Karl von Drais in Mannheim die Jungfernfahrt mit einem neuen Fahrgerät: Das Laufrad war die Urmutter des Fahrrads, heute, 200 Jahre später, ist der Drahtesel ein wichtiges Verkehrsmittel vor allem in unseren Städten geworden. Doch die Entwicklung der Infrastruktur hält damit nicht Schritt: Beim Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) kamen die deutschen Großstädte über die Note 3 nicht hinaus. Auch für das Fahrradklima in der Fahrradstadt Mainz gab es einen Dämpfer: Mainz rutschte um vier Plätze auf Rang 17 von 29 ab und kam nur noch auf eine Bewertung von 3,9. Besonders die für Radfahrer wichtige Infrastruktur werde überwiegend schlecht bewertet, bilanziert der ADFC.

Mieträder in Mainz: Gute Noten fürs Mietradsystem, schlechte für Radwege beim ADFC-Fahrradklimatest. – Foto: gik

Alle zwei Jahre etwa misst der Interessenverband für Radfahrer das Fahrradklima bundesweit, und zwar mit Hilfe der Radfahrer selbst. In einem Online-Fragebogen können die Radfahrer detailliert die Fahrradbedingungen ihrer Stadt bewerten, angeben, was sie besonders gut und was sie besonders schlecht finden. 2016 fand der Test zum siebten mal statt, mit rund 105.000 Befragten nahmen so viele Radinteressierte an dem Test teil wie noch nie. Alle 39 Großstädte über 200.000 Einwohner – darunter auch Mainz – kamen auf genügend beantwortete Fragebögen, um in den Test Eingang zu finden.

Damit repräsentiere der Test mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung und das bei einem großen Querschnitt, betonte der ADFC-Projektleiter der Bundesstudie, Thomas Böhmer. Nur 18 Prozent der Teilnehmer waren nämlich ADFC-Mitglieder, damit spiegele die Umfrage keineswegs nur die Meinung dieser Verbandsgruppe, sondern die einer breiten Bevölkerung. 75 Prozent der Teilnehmer am Test sagten zudem, sie fahren fast täglich Fahrrad. „Was wir hier am Ende messen ist eine Kundenzufriedenheit im Fahrradverkehr“, betonte Böhmer: „Das ist unser Kundenbarometer.“

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Radweg in Mainz an der Agentur für Arbeit: Eng, zwischen Autos eingeklemmt, Oberfläche voller Hubbel. Solche Wege führten zur schlechten Bewertung der Radwege im ADFC-Fahrradklimatest. – Foto: gik

Und das muss man angesichts der Ergebnisse von Test Nummer 7  sagen, fällt auch im Jahr 2016 eher schlecht aus: „Fahrradfahren wird immer mehr als Stress betrachtet“, sagte Böhmer bei der Vorstellung der Ergebnisse in Mainz. Schlecht schneide vor allem die Breite und Qualität der Radwege ab, besonderer Schwachpunkt in vielen Städten sei zudem die Wegeführung für Radfahrer an Baustellen. Falschparker auf Radwegen, schlechte Ampelschaltungen, Hindernissen auf Radwegen sowie die Reinigung waren weitere Negativpunkte.

Stärken seien hingegen Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln, die Öffnung von Einbahnstraßen für Radfahrer und die Bereitstellung öffentlicher Fahrräder. Damit würden die für Radfahrer besonders wichtigen Punkte wie Infrastruktur überwiegend schlecht bewertet, während eher unwichtige Dinge wie Werbung fürs Radfahren eine gute Bewertung bekämen, sagte Böhmer weiter.

Und das gilt genau so auch für Mainz: Positiv schlägt hier das Mietradelsystem MVGmeinRad zu Buche, die vielen für Radfahrer in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen sowie eine gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums mit dem Rad. Auch die Fahrradmitnahme in Bussen und Bahnen wird gelobt, ebenso, dass in Mainz viel Rad gefahren wird. Doch dann hört es leider mit den positiven Bewertungen für das Fahrradklima auch schon auf: Weder bei der Akzeptanz der Fahrradfahrer als Verkehrsteilnehmer noch an Ampelschaltungen, Abstellanlagen oder dem Sicherheitsgefühl habe sich irgendetwas verändert, befanden die Teilnehmer des Klimatests.

Verschlechtert hat sich aus Sicht der Studienteilnehmer sogar leicht die Fahrradförderung in jüngster Zeit, die Reinigung der Radwege sowie überhaupt die Beschaffenheit der Radstrecken in Mainz: Die allerschlechtesten Noten gab es für den Zustand der Infrastruktur. Demnach wird die Oberfläche von Radwegen mit 4,8 bewertet bei einer Skala von 1 (fahrradfreundlich) bis 6 (nicht fahrradfreundlich). Die Falschparkerkontrolle auf Radwegen bekommt eine 4,8, ebenso die Führung an Baustellen, und an letzter Stelle liegt mit 4,9 die Breite der Radwege. Die Frage, ob Radfahren in Mainz Spaß macht, wird mit einer 3,6 bewertet, die Frage der Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer bekommt nur eine 3,9. Die Frage der Ampelschaltungen für Radfahrer bekommt nur eine 4,6, die Frage, wieviel in jüngster Zeit für den Radverkehr getan wurde, bekommt lediglich eine 4,0.

Radweg optimal: Breit, eigener Bereich, glatte Oberfläche – so macht Radfahren Spaß! An der Unteren Zahlbacher Straße. – Foto: gik

Frappierend ist dabei vor allem: Sieht man sich die Ergebnisse des Fahrradklimatests von 2014 an, stellt man fest: Es hat sich praktisch nichts verändert. Auch damals schon bekam der Zustand der Radwege die schlechtesten Noten, die Oberfläche von Radwegen wurde vor drei Jahren sogar noch leicht besser bewertet (4,5) als im vergangenen Jahr, auch haben nach Wahrnehmung der Radfahrer in Mainz Hindernisse auf Radwegen eher zugenommen, Winterdienst und Reinigung dafür eher abgenommen.

In der Klasse der Städte mit mehr als 200.000 Einwohner fiel Mainz deshalb vom 13. auf den 17. Platz von insgesamt 39 Städten zurück – auch weil andere Städte wie Wuppertal und Augsburg mit deutlichen Verbesserungen vorbeizogen. In Mainz nahmen übrigens 912 Teilnehmer an der Umfrage Teil, das waren fast doppelt so viele wie 2014 mit damals 475 Teilnahmern und sogar mehr als in Frankfurt, wo sich im vergangenen Jahr 785 Radinteressierte an dem Fahrradklimatest beteiligten. Auf Platz 1 steht weiter unverändert die Fahrrad-Vorzeigestadt Münster, gefolgt von Karlsruhe und Freiburg. „Fahren Sie ins Münsterland, machen Sie eine Exkursion“, riet der ADFC-Experte deshalb – was die Städte hier auszeichne sei „die Alltäglichkeit des Radfahrens, hier ist jeder gewohnt, Radfahren mitzudenken.“

Ergebnis für Mainz beim ADFC Fahrradklimatest 2016. Eine 0 in der linken Spalte steht übrigens für „gleich geblieben“, ein Plus für „besser“, ein Minus für „schlechter“. Rechts die Bewertung nach Schulnoten. – Grafik: ADFC

Mainz sei „stolz“ auf sein Ergebnis, sagte die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne), die Ergebnisse zeigten: „Das Thema Radfahren ist in den Köpfen der Mainzer angekommen.“ Ja, Mainz liege bei den Bewertungen nur im Mittelfeld, „besser geht immer“, räumte Eder ein, fügte zugleich aber hinzu: „Aber ich interpretiere das anders.“ Mittlerweile sei der Anteil des Radverkehrs auf 20 Prozent angewachsen, das sei für eine rheinland-pfälzische Stadt „sehr gut, daran messen wir uns“, betonte Eder: „Der Radverkehr in Mainz hatte in den vergangenen Jahren einen Schub zu verbuchen, das macht uns sehr stolz.“

„Ich habe das Gefühl, dass die Radfahrer ein eher ungutes Gefühl beim Radfahren haben“, sagte jedoch ADFC-Landeschef Christian von Staden. Allerdings seien die Städte auch in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt: „Die Städte machen das ja nicht aus Böswilligkeit, die haben häufig wenig Geld“, sagte von Staden. Das Problem: „Häufig ist es die Angst vor dem Autofahrer“, sagte der ADFC-Landesvorsitzende, „wenn ich dem Radverkehr mehr Platz gönne, muss ich den jemand anders wegnehmen.“

Allerdings hinke Rheinland-Pfalz bei der Förderung und Entwicklung anderen Ländern durchaus hinterher, sagte Böhmer: In Nordrhein-Westfalen sei schon seit den 1980er und 1990er Jahren „eine sehr kontinuierliche Arbeit passiert“, Baden-Württemberg habe eine eigene Radverkehrs-Abteilung im Verkehrsministerium eingerichtet. Insgesamt werde für den Fahrradverkehr einfach „sehr, sehr wenig Geld ausgegeben“, sagte Böhmer.

Für diese Piktogramme auf der Fahrbahn bekam Mainz jüngst den Deutschen Fahrradpreis. – Foto: gik

Im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium hieß es dazu, die Mittel für den Radverkehr seien aufgestockt worden, 2017 stünden für Radwege an Bundesstraßen 9,62 Millionen Euro bereit, für Radwege an Landesstraßen 2,385 Millionen Euro und für die Kommunale Radwegeförderung noch einmal 3 Millionen Euro. Für den Bau von Radwegen an Kreisstraßen oder für kommunale Radwege sei man nicht zuständig, fördere aber den Bau dieser Wege auf Antrag. Zudem soll nun die Pendler-Radroute Mainz-Bingen-Ingelheim ausgebaut werden. Zum Vergleich: Hessen stellt im laufenden Jahr mehr als 10 Millionen Euro für den Radverkehr bereit und will damit den kommunalen Radwegebau fördern. Nötig ist es: Beim ADFC-Fahrradklimatest 2016 kam die Landeshauptstadt Wiesbaden auf den letzten Platz.

Info& auf Mainz&: Am kommenden Wochenende feiert die Kulturei auf der Zitadelle in Mainz den 200. Geburtstag des Fahrrads mit einem großen Fest. Am 17. und 18. Juni 2017 gibt es einen Fahrradbasar und viele, viele Infos rund ums Fahrrad. Mit dabei sind auch das Verkehrsdezernat der Stadt, die Reparaturwerkstatt Bike Kitchen sowie die Mainzer Polizei mit Tipps und Tricks rund ums sichere Radfahren. Der 18. Juni ist zudem Familiennachmittag mit Bücherkisten, Vorlesetanten und natürlich Polizei-Tipps zum Fahrradverkehr auch für die Kleinen. Los geht’s am 17. Juni um 15.00 Uhr, alle Infos dazu hier im Internet. Nicht verschweigen wollen wir übrigens, dass Mainz 2014 eine erste eigene Fahrradstraße eingerichtete hat und jüngst den Deutschen Fahrradpreis erhielt – für eine Piktogrammkette auf der Straße. Alle Details zum ADFC-Fahrradklimatest 2016 findet Ihr hier im Internet, für jede Stadt könnt Ihr Euch hier die detaillierten Ergebnisse herunterladen.

 

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