Da staunten die Mainzer nicht schlecht: Niemand Geringeres als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) meldete sich auf einmal zur OB-Wahl in Mainz zu Wort. Wenig überraschend empfahl der SPD-Kanzler die Wahl der Mainzer SPD-Kandidatin – und Scholz ist nicht der einzige:  Ob Friedrich Merz (CDU) oder Robert Habeck (Grüne), Janine Wissler (Linke) oder Volker Wissing (FDP) – die Bundespolitik mischt im Mainzer Wahlkampf fleißig mit. Nützen solche „Testimonials“ – oder können Sie sogar eher schaden? Eine Mainz&-Analyse.

Wirbt für die SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). - Foto: gik
Wirbt für die SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). – Foto: gik

„Für mich ist klar: Mareike ist die beste Wahl“, spricht Olaf Scholz in die Kamera, die SPD-Kandidatin von Jungenfeld müsse am 12. Februar 2023 Oberbürgermeisterin von Mainz werden. Das Bekenntnis kommt ein wenig überraschend, hatte sich der Bundeskanzler doch zuletzt in Mainz eher rar gemacht – selbst im Bundestagswahlkampf 2021 machte der SPD-Spitzenmann um Mainz einen Bogen. Zuletzt war Scholz am 17. Januar in Mainz – zu einem Spitzentreffen in Sachen chemische Industrie in der Mainzer Staatskanzlei.

„Als erste Oberbürgermeisterin von Mainz wäre ihr die Biotechnologie ein besonderes Anliegen“, empfiehlt nun der Kanzler die SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld für die OB-Wahl in Mainz, dabei hatte von Jungenfeld bisher im OB-Wahlkampf über die Mainzer Firma Biontech eher weniger Worte verloren. „Mit ihr als Sozialdemokratin bleibt Mainz eine starke und lebenswerte Stadt“, sagt der Kanzler, „ich bitte um Ihr Vertrauen“. Was bringen solche „Testimonials“ von Bundespolitikern?

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„Testimonials“ sollen Vertrauen in Kandidaten stärken

„Testimonials“ sind ein beliebtes Wahlkampfinstrument, das Statement einer möglichst hochrangigen und bekannten politischen Persönlichkeit soll dem Wahlkämpfer vor Or6t Vertrauen und Glaubwürdigkeit bei den Wählern bescheren. „Die Währung der demokratischen politischen Arbeit ist das Vertrauen“, sagte einmal der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD-Chef Kurt Beck auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung – genau das sollen diese „Testimonials“ bewirken: Der Wähler soll das Ansehen der Polit-Prominenz auf den Kandidaten oder die Kandidatin vor Ort übertragen. Aber klappt das überhaupt?

CDU-Bundeschef Friedrich Merz kam am Donnerstag zur Unterstützung für Manuela Matz nach Mainz. - Foto: gik
CDU-Bundeschef Friedrich Merz kam am Donnerstag zur Unterstützung für Manuela Matz nach Mainz. – Foto: gik

Ja, der Wähler übertrage durchaus, was er von einer Partei auf Bundesebene halte, auch auf eine Wahl in seiner Stadt, sagte der Mainzer Publizistik-Professor Gregor Daschmann jüngst im Interview mit Mainz&. Das gelte besonders, wenn der Wähler die Personen im Kommunalen nicht kenne, „dann greifen sie zu dem Strohhalm der Partei“, sagte Daschmann weiter.

Mit dieser Übertragung versuchen derzeit praktisch alle Kandidaten bei der Mainzer OB-Wahl zu punkten. Am Donnerstag machte sich da etwa CDU-Bundeschef Friedrich Merz für die Mainzer OB-Kandidatin Manuela Matz stark – viel hatte Merz über die Kandidatin allerdings nicht zu sagen, nannte sie gar mehrfach „Manz“ statt „Matz“, bevor er selbst seinen Fauxpas merkte, und sich korrigierte. Merz Rede wurde zudem durch eine Störung durch Vertreterinnen der „Letzten Generation“ überlagert, die positive Botschaft pro Kandidatin rückte da medial völlig in den Hintergrund.

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Habeck und Lang für Viering – aber Lützerath als Gegenwind

Der Einsatz der Bundesprominenz ist also nicht ohne Risiko: Gibt es etwa gerade massive Kritik etwa am Kanzler, oder eine Polarisierung durch den Oppositionschef, könnte sich diese aktuelle Entwicklung auf Bundesebene auch durchaus negativ für den Kandidaten im Kommunalen niederschlagen. So klagte etwa die CDU in Rheinland-Pfalz nach dem Bundestagswahlkampf 2021, die Personalie Armin Laschet habe „nicht gerade für Rückenwind“ gesorgt.

"Testimonial" von Robert Habeck für den Grünen-Kandidaten Christian Viering. - Screenshot: gik
„Testimonial“ von Robert Habeck für den Grünen-Kandidaten Christian Viering. – Screenshot: gik

Auch die SPD hatte regelmäßig in früheren Wahlkämpfen mit „Gegenwind“ durch denn Bundestrend zu kämpfen – je nachdem, wer eben in Berlin gerade in der Kritik stand. Dennoch nutzen gerade in diesem OB-Wahlkampf praktisch alle Kandidaten Statements von Bundes-Prominenz, das dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass die meisten Kandidaten den Mainzern persönlich eher unbekannt sind: Glaubwürdigkeit ist stark gefragt.

Besonders stark fällt der Grünen-Kandidat Christian Viering mit Testimonials auf seinen Social Media-Kanälen auf: „Mainz braucht einen Oberbürgermeister, der ein soziales Herz hat, und Mut für Klimaschutz“, wirbt da etwa Grünen-Bundeschefin Ricarda Lang den Mainzer Kandidaten. Und Bundes-Wirtschaftsminister Robert Habeck lässt sich mit dem Bekenntnis zitieren, Viering sei „der richtige Kandidat für ein lebenswertes Mainz von morgen. Als Meenzer ist er bestens in der Stadt verwurzelt; ein soziales und gerechtes Mainz ist ihm eine Herzensangelegenheit.“ Doch seit in Lützerath die Bagger rollen, weht den Grünen bundesweit ein rauer Wind entgegen – der Kompromiss zum Abbau der Braunkohle gilt vielen an der grünen Basis als Verrat.

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Wissing wirbt für Marc Engelmann, Wissler für Malcherek

Für Marc Engelmann spricht sich hingegen Bundes-Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) aus – der gebürtige Pfälzer ist immerhin Ex-Mainzer-Minister, der Wähler kann also zumindest davon ausgehen, dass Wissing Stadt, Themen und sogar den Kandidaten kennt. Doch Wissing ist gerade wegen seiner Verkehrspolitik bundesweit stark umstritten, für manche sogar ein „Rotes Tuch“. „Liebe Mainzer, haben Sie ein Glück, dass sich bei Ihnen jemand um das Amt des Oberbürgermeisters bewirbt, der etwas von Mobilität versteht“, sagt Volker Wissing in seinem Unterstützer-Video, das Mainz& exklusiv schon vor Veröffentlichung vorlag: „Für ein innovatives Mainz der Zukunft.“ Ob so ein Unterstützer-Bekenntnis hilft?

Wirbt für den FDP-Kandidaten Marc Engelmann: Bundesverkehrsminister Volker Wissing, hier noch als Minister in Mainz. - Foto: gik
Wirbt für den FDP-Kandidaten Marc Engelmann: Bundesverkehrsminister Volker Wissing, hier noch als Minister in Mainz. – Foto: gik

Bei den Linken wurde am Freitag wiederum Bundeschefin Janine Wissler erwartet, die gebürtige Hessin will gemeinsam mit OB-Kandidat Martin Malcherek in der Dorett-Bar bei einer Karaoke Party für linke Politik werben.  Wissler kämpfte zuletzt aber mit Vorwürfen über sexuelle Belästigungen in ihrem hessischen Landesverband und zudem mit Spaltungs-Gerüchten der linken Partei um Sarah Wagenknecht – die Linke steht bundesweit als zerstritten da, und sorgt zudem mit ihrem Russland-freundlichen Kurs im Ukraine-Krieg für Skepsis.

Nur einer verzichtet bisher ganz auf solche „Testimonials“: Nino Haase postet auf seinen Social Media-Kanälen mit Hunden, Stoffbeuteln und seiner Frau Mandy. Für den parteilosen Kandidaten wäre das Werben mit Partei-Prominenz auch eher ungeschickt – ob ihm die fehlenden Unterstützer-Statements am Ende schaden, entscheiden ohnehin die Wähler am 12. Februar.

Unter dem Video von Olaf Scholz fanden sich kurz nach Veröffentlichung auf Facebook jedenfalls überwiegend kritische Kommentare – die inzwischen wieder verschwunden sind. Auf Instagram schreibt derweil noch ein Kommentator: „Ob das für die Kandidatin wirklich so hilfreich ist?“

Info& auf Mainz&: Das ganze Interview mit dem Mainzer Publizistik-Professor Gregor Daschmann zum OB-Wahlkampf könnt Ihr hier auf Mainz& nachlesen. Alles rund um die OB-Wahl in Mainz mit dem ersten Wahlgang am 12. Februar 2023, findet Ihr hier in unserem Mainz&-Wahldossier.