Die Suche nach einer Lösung im Streit um die Schiffsanlegestellen am Mainzer Zollhafen gestaltet sich weiter schwierig. Bei einem Runden Tisch mit zahlreichen Vertretern der Binnenschifffahrt am Mittwoch wurde schnell klar: Die Schiffer beharren auf ihren Anlegestellen vor der Südmole des ehemaligen Hafengeländes. „Wir sind erstaunt, dass hier nicht Wort gehalten wird“, sagte Gerd Heidenstecker: „Wir möchten uns nicht verdrängen lassen.“ Doch so einfach werde die Sache nicht, betonte die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer: Angesichts von Lärmgutachten und Abgasen halte man das Projekt „an dieser Stelle nicht für genehmigungsfähig“, betonte BI-Sprecher Torsten Kirchmann. Vorschläge für alternative Liegestellen in Mainz und Wiesbaden wurden von den Schiffern abgelehnt.
Vor der Südmole des heutigen Wohngebiets Mainzer Zollhafen plant das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Bingen (WSA) vier Schiffsliegeplätze für bis zu 16 Binnenschiffe, insgesamt sieben Landestege sowie eine Autoabsetzanlage vor der Caponniere am Ufer der Mainzer Neustadt. Gegen die Pläne wehrt sich seit Oktober 2018 eine Bürgerinitiative, die eigenen Angaben zufolge inzwischen rund 1.500 Anwohner aus der Taunusstraße, vom Feldbergplatz sowie aus dem neuen Wohngebiet Zollhafen vertritt. „Wir richten uns dagegen, dass die Stadt die Anwohner bewusst getäuscht hat“, betonte BI-Sprecher Torsten Kirchmann am Mittwoch noch einmal: „Wir sehen Binnenschiffer nicht als Gegner.“
Eingeladen zu diesem zweiten Runden Tisch in Sachen Schiffsanleger hatte die Mainzer Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich (CDU). „Wir haben das Ziel, eine Lösung zu finden“, betonte Groden-Kranich zu Beginn des Termins, und unterstrich: „Die Lösung, die hier derzeit präsentiert wird, ist für mich und für viele keine Lösung.“ Bei einem ersten Runden Tisch zu dem Thema hatten sich Ende Mai Vertreter des Bundes erstmals mit Vertretern der Bürgerinitiative und der Politik in Mainz getroffen. Vereinbart wurde damals, der Bund werde einen Alternativstandort in Mainz noch einmal neu prüfen, es gebe eine „veränderte Sachlage.“
„Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen“, betonte Groden-Kranich nun, das habe man ihr auf Nachfrage mitgeteilt. Man habe sich beim Bund die Pläne und möglichen Standorte noch einmal angeschaut, im Kern gehe es um eine weiter nördlich gelegene Anlandemöglichkeit im Bereich Mainz. „Es gibt im Moment noch keine abschließende Beurteilung“, sagte Groden-Kranich, im Zweifel sei die Alternative aber „ohne bauliche Veränderungen“ nicht zu realisieren. „Die Situation ist sehr verfahren“, räumte die Abgeordnete und Mainzer Stadträtin ein, eine Lösungssuche sei „eigentlich Aufgabe der Stadt“, betonte sie und kritisierte: „Es gibt keine Beweglichkeit von Seiten der Stadt.“
Wie verfahren die Situation ist, zeigte dann auch die folgende Diskussion. „Wir bestehen darauf, dass der Liegeplatz der Binnenschiffer erhalten bleibt“, sagte Gerd Heidenstecker stellvertretend für die Binnenschiffer. Seit 130 Jahren lägen Binnenschiffer in am Mainzer Zollhafen, „wir haben ein historisches Recht, dort zu liegen“, betonte er. Die Schiffer bräuchten „menschenwürdige Anlandemöglichkeiten“, man wolle sich durch die neuen Anwohner „nicht verdrängen lassen“, sagte er: „Wir sind nicht Menschen zweiter Klasse.“
Die Binnenschiffer bräuchten „ein Gelände, wo wir gefahrlos trockenen Fußes an Land gehen können, und das in Stadtnähe“, sagte Heidenstecker weiter. „Uns werden die Liegeplätze entlang des Rheins genommen“, klagte ein anderer Binnenschiffer, zwischen Bingen und Mannheim gebe es keinen Liegeplatz mehr, um an Land zu gehen. „Was mache ich bei einem Notfall? Bei einem Herzinfarkt an Bord?“, fragte er. In Holland werde dafür gesorgt, dass den Schiffern alle zwei Stunden ein Hafen zur Verfügung stehe, in dem man sicher anlanden könne.
Alternativen seien zwar auch entlang des Rheins immer wieder zugesichert worden, die Umsetzung aber dauere Jahre, kritisierte Torsten Stuntz, Vorsitzender des Bundesverbandes der Selbstständigen Binnenschifffahrt (BDS): „In meinen 35 Berufsjahren sind auf dem Rhein ganze zwei Liegestellen errichtet worden.“ Die Binnenschiffer hätten in Mainz auf die Liegeplätze verzichtet, aber nur während der Baumaßnahmen im Zollhafen. 2004 sei von der Stadt und der WSA zugesichert worden, dass die Liegeplätze erhalten blieben, betonte auch Heidenstecker: „Wir sind erstaunt, dass hier nicht Wort gehalten wird.“
„Wir wohnen seit 36 Jahren in der Mainzer Neustadt, uns hat niemand gefragt“, konterte hingegen Wolfgang Gronau von der Bürgerinitiative Neustadt-Ufer. Der Autoabsetzplatz solle direkt vor den Häusern in der Taunusstraße errichtet werden, die Anwohner seien aber nie einbezogen worden in die Pläne. „Die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert“, hielt Gronau den Binnenschiffern entgegen: Früher sei der Mainzer Zollhafen Hafengebiet gewesen, seit 2013 aber ein Wohn-Mischgebiet, in dem hochwertige Wohnbebauung entstanden sei. „Überall woanders ist das ein Ausschlusskriterium für Schiffsanleger“, sagte Gronau, „das Versprechen, das die Stadt Ihnen gegeben hat, kann sie womöglich jetzt nicht einhalten.“
„Wir sehen nicht, dass dieses Projekt an dieser Stelle genehmigungsfähig ist“, sagte auch Kirchmann: Durch die Umwidmung zu einem Wohn-Mischgebiet würden im Zollhafen heute andere Grenzwerte für Lärm und Schadstoffemissionen gelten, die zudem 2018 noch einmal verschärft worden seien. Gutachten der Stadt Mainz zufolge würden diese Grenzwerte durch einen Schiffsbetrieb vor der Südmole gerissen, betonte Kirchmann.
Tatsächlich errechnete ein Schallgutachten im Auftrag der Stadt Mainz aus dem Juni 2014 einen Lärmpegel von bis zu 54 Dezibel an der Südmole am Tag und von bis zu 53 Dezibel bei Nacht durch die an- und abfahrenden Schiffe. Für den Zollhafen gilt aber seit dem Inkrafttreten der neuen Immissionsschutzverordnung TA Lärm 2018 ein Grenzwert von 45 Dezibel bei Nacht – ausführlich könnt Ihr die Einzelheiten dazu hier bei Mainz& nachlesen.
„Die Grenzwerte werden gerissen“, betonte Kirchmann, und das gelte vermutlich auch für die Stickoxide, die schon jetzt in der Mainzer Rheinallee über dem erlaubten Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahr lägen. Binnenschiffer Stephen Mnich widersprach energisch: „Wir kümmern uns permanent darum, unsere Schiffe sauberer zu machen“, sagte er, „wir würden da sicherlich niemals über den Grenzwert kommen.“ Gerade auf dem Rhein sei die Schiffsflotte modern und vergleichsweise jung, der Druck, umweltfreundlich zu fahren sei groß. „Auch wir wollen gerne Feierabend machen und den Gestank nicht haben“, betonte Mnich, „wenn wir da liegen, das wird nicht so schlimm, wie im Vorfeld behauptet wird.“ Viele Schiffer nutzten inzwischen moderne Gas to Liquid-Kraftstoffe, das werde sich weiter durchsetzen.
„Eine Behörde, die weiß, dass die Grenzwerte nicht eingehalten werden können, muss das Projekt der Realität anpassen“, sagte hingegen Kirchmann, genau das sei aber nicht geschehen. Das Planfeststellungsverfahren für die Schiffsanleger werde unverändert weiter geführt, dazu „hat man nicht die geringste Anstrengung gemacht, eine Alternative zu suchen“, kritisierte er. Das mit der Alternative erwies sich indes als schwierig: Sämtliche Vorschläge aus der Runde für Alternativplätze im Umfeld lehnten die Binnenschiffer einhellig ab. „Wir wollen den Liegeplatz nicht aufgeben, weil er so schön stadtnah ist“, sagte Heidenstecker schließlich.
So einfach werde das nicht werden, hielt ihm schließlich Groden-Kranich entgegen: „Recht ändert sich, Situationen ändern sich.“ Die Planungen würden einer gerichtlichen Prüfung „wahrscheinlich nicht Stand halten“, warnte sie, Gerichtsverfahren könnten die Umsetzung auf Jahre hinaus verzögern. Sie setze deshalb weiter auf die Suche nach einer Alternativlösung, sagte Groden-Kranich: „Es gibt kein Recht, in einer 1a-Lage anzulanden.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Frage von Alternativstandorten und zu Lärmgrenzwerten lest Ihr hier bei Mainz&, was genau die WSA am Mainzer Zollhafen plant, haben wir hier detailliert aufgeschrieben. Die Ergebnisse des ersten Runden Tischs haben wir hier zusammengefasst.