Das Thema Ludwigsstraße wird komplett neu gedacht: Am Freitag präsentierte die Boulevard LU GmbH ein völlig neues Nutzungskonzept für den Baukomplex an dem Mainzer Prachtboulevard. Demnach soll das Karstadt-Kaufhaus dort bleiben, ebenso die Deutsche Bank – beide derzeitigen Mieter aber werden sich flächenmäßig verkleinern. Bauunternehmer Dirk Gemünden will den Baukomplex grundlegend sanieren. Neu dabei ist vor allem: Die heutige Pavillonstruktur soll sich auch in dem neuen Gebäude spiegeln, und damit die platzartige Gestaltung zwischen den Gebäudeteilen in weiten Teilen erhalten bleiben. Und: Wo heute der Haupteingang zu Karstadt ist, soll sich das Gebäude zu einem großzügigen Innenhof mit Freitreppe öffnen. So will der Bauunternehmer urbanes Leben ermöglichen und einen neuen Anziehungspunkt an der LU schaffen. Highlight außerdem: Die Mainzer sollen künftig freien Zugang zu einer Dachterrasse mit spektakulärem Blick über die Stadt und auf den Dom bekommen.
„Unser Dreiklang heißt Shoppen, Genuss und Kultur“, sagte der Geschäftsführer der Boulevard LU GmbH, F. Albrecht Graf von Pfeil, am Freitag im Gespräch mit Mainz&. An der Ludwigsstraße solle unter dem Motto „LU erleben“ ein Mix aus Einzelhandel, Gastronomie und kulturellen Angeboten entstehen, das den Besuchern Lust mache, in der Stadt zu verweilen. „Um ein zukunftsfähiges Konzept für die Ludwigsstraße zu entwickeln, haben wir uns intensiv mit den handelsformen der Zukunft auseinander gesetzt“, sagte Dirk Gemünden, Geschäftsführer der J. Molitor Immobilien GmbH, der Mutterfirma der Boulevard LU GmbH.
Um ein Zukunftskonzept für die LU zu entwickeln hätten die Projektentwickler Städte in ganz Deutschland besichtigt, Workshops mit Einzelhandelsexperten, Architekten und Stadtplanern abgehalten und Gespräche mit Mietern, Nachbarn und weiteren Mainzer Akteuren geführt. „Das Nutzungskonzept ist das Ergebnis eines langen Prozesses“, betonte Peter Scholten, Vorstandschef der Sparkasse Rhein-Nahe, dem zweiten großen Akteur neben Gemünden.
Um modernes Einkaufserleben zu realisieren setzen die neuen Investoren nun auf das Konzept belebter Plätze – ganz so, wie es erfolgreiche moderne Einkaufszentren wie etwa das Main-Taunus-Zentrum auch tun. Auch Vertreter der Bürgerinitiative Ludwigsstraße sowie der Altstadt hatten wiederholt gefordert, die Plätze zwischen den Pavillons an der LU zu erhalten – im Mai 2016 hatte der Stadtrat den Verkauf der Grundstücke an Gemünden abgesegnet. Noch im September 2018 hatte die Bürgerinitiative Ludwigsstraße in einem Offenen Brief gefordert, die hochgradige bauliche Verdichtung zu überdenken und mehr Raum für öffentliches Leben und für Grün in Zeiten des Klimawandels zu schaffen.
Das neue Konzept setzt nun viel davon um: „Wir grenzen uns eindeutig von dem Prinzip einer Einkaufs-Mall ab“, betonte von Pfeil gegenüber Mainz&. Dazu gehört auch, dass es die vom Stadtrat abgesegnete Blockrandbebauung, also einen geschlossenen Baukörper, der bis zur Ludwigsstraße vorgezogen wird, nicht geben wird. Die Grundstruktur des neuen Gebäudes solle vielmehr „die alte Pavillonstruktur noch erfahrbar werden lassen“, sagte von Pfeil. Entstehen soll ein Gebäude, das im Prinzip wie die jetzigen Pavillons samt Haupthaus dahinter geformt ist. Das Haupthaus bleibt in seinen Dimensionen weitgehend erhalten, so der derzeitige Plan, das Warenhaus Karstadt verkleinert sich künftig aber auf drei Etagen. „Das Konzept ist mit dem Karstadt Konzern abgestimmt“, betonte von Pfeil. Insgesamt wollen in dem Haus 15.000 Quadratmeter Einkaufsfläche entstehen, deutlich weniger als einstmals von dem Investor ECE geplant.
Karstadt will mit einem Auftritt von dann insgesamt 6.400 Quadratmetern als Ankermieter vor Ort bleiben, für weiteren Einzelhandel sollen weitere 8.600 Quadratmeter geschaffen werden. Neue Läden sollen vor allem in die neu zu errichtenden Vorbauten einziehen, mit Ladenzugängen von der Straße und den Plätzen aus., aber auch in den Gebäudeteil, den heute die Deutsche Bank allein bewohnt „Die Pavillons waren im Grunde eine nicht funktionierende Struktur“, erläuterte von Pfeil: „Aber der Grundgedanke, durch die Pavillons eine Gliederung vorzunehmen, war nicht falsch.“ Das neue Konzept sehe deshalb vor, den Plätzen Tiefe zu geben und sie dadurch „heimeliger“ zu machen. „Wenn wir die Leute dazu bringen, hier zu verweilen, haben wir eine wesentlich bessere Chance, dass das angenommen wird“, sagte von Pfeil: „Wir öffnen die Plätze in das Gebäude hinein und ziehen so die Stadt in das Gebäude.“
Erreicht werden soll das durch einen luftigen Durchgang in das Karstadt-Gebilde, der auf einem Innenhof mit Öffnung nach oben mündet. Entlang des Durchgangs könnten künftig Budenartige Gebilde stehen, in die Popup-Stores einziehen sollen. „Wir wollen dort Local Heroes ansiedeln“, sagte von Pfeil mit Blick auf junge Unternehmensgründer etwa aus der Gastronomieszene, auch saisonale Produkte und Newcomer-Angebote seien denkbar. In den Popup Stores solle es einen ständigen Wechsel geben, um Anlässe zu schaffen, immer wieder neu im Boulevard LU vorbei zu schauen, sagte von Pfeil.
Von dem rund 900 Quadratmeter großen Innenhof soll außerdem eine Freitreppe hinauf auf das Dach des Gebäudes führen. Laut Pressemitteilung der Boulevard LU sollen die Popup Store allerdings in einer 900 Quadratmeter großen Halle entstehen – und auch die Freitreppe werde in dieser Halle sein. Soi sollen Indoor-Kulturveranstaltungen mit der Treppe als Bühne möglich werden. Die gesamte Fläche über den früheren Pavillons solle künftig zu einer 1.500 Quadratmeter großen Dachterrasse werden, sagte von Pfeil weiter.
Die Dachlandschaft soll zum Teil gastronomisch bespielt werden, ein Teil der Fläche aber auch öffentlich für die Mainzer zugänglich sein – als Aufenthaltsraum und Aussichtsplattform. Die Höhe der vorgelagerten Gebäude benannte von Pfeil mit 12,50 Meter Höhe, das entspreche dem Beschluss des Mainzer Stadtrats, betonte von Pfeil. Im Vergleich zu den heutigen Pavillons werde das neue Gebilde sogar weniger weit in die Ludwigsstraße hineinragen – der Mainzer Boulevard, die Festmeile schlechthin, bleibt damit in voller Breite erhalten.
Neu ist auch ein weiterer Baustein, der für Frequenz sorgen soll: Im obersten Geschoss des Gebäudes und auf dem Dach des Parkhauses soll ein Hotel mit 150 Betten entstehen. „Es gibt bestimmt 20 Interessenten dafür“, sagte von Pfeil, die Boulevard LU GmbH habe hier ab noch keinerlei Gespräche geführt. Für das Hotel sowie die neue Pavillonstruktur braucht der Investor die Zustimmung des Mainzer Stadtrats und wohl auch eine Änderung des existierenden Bebauungsplan. Schon am 17. April soll es dazu eine Beschlussvorlage im Mainzer Stadtrat geben, hieß es von Seiten der Stadt.
Die Außengestaltung des neuen Baus soll in einem städtebaulichen Wettbewerb ermittelt werden, betonte von Pfeil. Denn als ersten Schritt wird die Boulevard LU GmbH das ehemalige Karstadt-Sport Gebäude angehen. „Wir haben vergangene Woche gemeinsam mit dem Bistum Mainz eine Gesellschaft gegründet“, sagte von Pfeil – der Teil der Liegenschaft, die zum Bischofsplatz hin liegt, gehört dem Bistum Mainz. Das hatte verkündet, es wolle hier Wohnungen schaffen, von Pfeil sagte nun Mainz&, geplant seien hier 10 bis 11 Wohnungen, die vorwiegend an Mitarbeiter des Bistums vergeben werden sollten.
Zudem soll in dem dann entstehenden Neubau im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss Einzelhandelsflächen mit rund 1.900 Quadratmetern Fläche entstehen. „Wir brauchen diese Flächen als Interimsflächen für Karstadt während des Umbaus des Haupthauses“, sagte von Pfeil, der Konzern wolle unbedingt am Standort bleiben. Platz sein soll hier auch für Kultur, denkbar seien hier viele Nutzungen etwa auch durch Kulturinitiativen. Seit vergangenen Herbst bespielt das Staatstheater Mainz das ehemalige Karstadt Sport-Haus als Interimsnutzung mit einer „Filiale“. „Wir sind ganz begeistert davon was da entsteht“, sagte von Pfeil. Und noch ein Schmankerl haben die neuen herren an der LU in der Hinterhand: In dem alten Tresorraum unter der Deutschen Bank könne man sich gut einen Club vorstellen, verriet von Pfeil.
Auch für das Gebäude an der Fuststraße soll es einen städtebaulichen Wettbewerb geben. „Diese Immobilie ist das Verbindungsglied zwischen der 60er-Jahre-Struktur der Ludwigsstraße und der ganz anders aussehenden Altstadtstruktur“, sagte von Pfeil, mit einem Neubau wolle man diesen Übergang auch architektonisch schaffen. Der Ideenwettbewerb soll übrigens Ideen für den gesamten Teil inklusive dem vorgelagerten Leuchter-Pavillon umfassen – früher war hier ein China-Restaurant, heute ist dort die In-Gastronomie „Stadtbalkon“. Es waren die Besitzer genau dieses Pavillons, die mit ihrer Weigerung, das Gebäude zu verkaufen, die Entwicklung einer Riesenmall unter ECE maßgeblich behinderten.
„Es geht uns darum, eine Idee zu entwickeln, wie man an der Stelle ein Stück Stadtreparatur machen kann“, sagte von Pfeil – und dann werde man versuchen, sich mit den Besitzern des Pavillons „an einen Tisch zu setzen und darüber zureden, was man gemeinsam entwickeln kann.“ Er sei überzeugt, dass eine vernünftige Entwicklungsidee diskutierbar sein werde, „das geht aber nicht gegen die Eigentümer, sondern nur miteinander“, fügte er hinzu.
Ziel sei nun, bis Jahresende eine Baugenehmigung sowohl für den Neubau an der Fuststraße als auch für einen Umbau im Bestand der Deutschen Bank-Immobilie zu bekommen, sagte von Pfeil weiter: „Und dann geht es auch direkt los.“ Bis aber das große Karstadt-Gebäude angegangen werden kann, wird es nach von Pfeils Schätzung mindestens 2 bis 2,5 Jahre dauern. „Es ist wichtig, dass wir in Abschnitten denken“, betonte er, „wir wollen ja keine Riesen-Baugrube mitten in Mainz.“ Zur Investitionssumme sagte von Pfeil nur, diese werde „gesichert über 100 Millionen Euro“ liegen.
Einer Öffnung der Hinteren Präsenzgasse, wie ebenfalls schon von der BI Ludwigsstraße gefordert, erteilte von Pfeil aber eine klare Absage: „Eine richtige Altstadtgasse bekommt man dort nicht umgesetzt“, betonte er, die Gasse werde vor allem für Anlieferungsverkehr für Geschäfte und Gastronomie gebraucht. Das Areal werde aber in jedem Fall schöner werden, die Parkgarage soll zudem saniert und mit mehreren Ebenen an das Kaufhaus angebunden werden. All das dient auch einem weiteren Ziel: Das Parkhaus soll zu einem hochmodernen „City Hub“ werden, verriet von Pfeil: Einer modernen Logistik-Drehscheibe , die es dem Kunden ermöglicht, sich ganz bequem Einkäufe direkt ans Auto oder zum Bus liefern zu lassen. „Das soll nicht nur für unser Immobilie gelten, sondern dem gesamten Mainzer Einzelhandel dienen“, betonte von Pfeil, in der ganzen Innenstadt sollten Besucher unbeschwert bummeln und shoppen können, während die Einkaufstüten im City Hub warteten. Auch Warentransporte zwischen Filialen könne das erleichtern, sagte von Pfeil, immer mit dem obersten Ziel: „Der Kunde hat es bequemer und kriegt dadurch mehr Zeit, in der Stadt zu verweilen.“
Info& auf Mainz&: Natürlich waren heute auch Vertreter der Stadt vor Ort, mehrere Reaktionen haben uns schon erreicht – all das fassen wir für Euch in diesem Mainz&-Artikel zusammen. Die Ideen und Forderungen der BI Ludwigsstraße vergangenen Herbst könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Informationen und Pläne des Investors gibt es auch auf der neuen Internetseite „LU erleben“, genau hier. Dass die Ludwigsstraße tatsächlich einmal als Korridorstraße und/oder (Pracht-)Boulevard geplant war, findet Ihr hier bei Mainz&. Und als kleines Schmankerl noch ein besonderes Panoramabald: Der Ausblick von der Dachterrasse des Karstadthauses. Ein Video dazu findet Ihr auf unserer Mainz&-Facebook-Seite.