Die Vorfälle an Silvester in Köln werden natürlich auch in Mainz heiß diskutiert. „Wir haben die Vorfälle auf dem Schirm“, sagte Werner Neuhof von der Mainzer Polizei am Mittwoch Mainz&. Vergleichbare oder auch nur ähnliche Vorfälle habe es in Mainz aber nicht gegeben, auch nicht an Silvester. Die Blicke richten sich nun aber auf die Fastnacht und vor allem auf Rosenmontag: Stadt und Polizei würden in enger Abstimmung mit dem Veranstalter, dem Mainzer Carnevals Verein, „alles Mögliche tun, um die Sicherheit der Feiernden zu gewährleisten“, versicherte Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP).
In Köln hatten ersten Berichten zufolge mehrere Dutzend Männer in der Silvesternacht vor dem Hauptbahnhof Frauen massiv belästigt, betatscht und sogar sexuell drangsaliert. Die Faktenlage ist allerdings äußerst verworren, nach unserem Eindruck und ausführlicher Recherche in Medien und sozialen Netzwerken scheint es sich um Banden von Männern mehrheitlich nordafrikanischer Herkunft gehandelt zu haben.
Derzeit ist die Rede von rund 100 Anzeigen von Frauen sowie von rund 90 Verdächtigen, die innerhalb einer Menge von rund 1.000 Menschen agiert haben sollen. Verschiedene Medien berichten, die Männer seien polizeibekannt, von Banden von Taschen-Betrügern und Drogenhändlern ist die Rede, die schon länger den Bahnhofsvorplatz in Köln bevölkern. Immer wieder ist auch die Rede von Asylbewerbern, diese sollen aber wohl schon seit mehreren Jahren in Deutschland sein – demnach ist völlig unklar, ob bei den Vorfällen auch aktuell gekommene Flüchtlinge involviert waren.
Sitte sprach von „absolut inakzeptablen Übergriffe auf Frauen“, die Stadt werde nicht hinnehmen, „dass hier auch nur der Versuch gestartet werden könnte, rechtsfreie Räume zu schaffen.“ Sitte berichtete auch, es habe viele Nachfragen besorgter Bürger gegeben, die wissen wollten, ob auch in Mainz an Fastnacht solche Situationen entstehen könnten.
Rosenmontag bis zu 50 mobile Eingreiftruppen der Polizei unterwegs
Die Antwort von Stadt und Polizei lautet: Nein. Nun gut, dass war jetzt etwas verkürzt ausgedrückt 😉 Tatsache ist aber: Die Polizei hat die Vorfälle genau registriert und will Vorsorgemaßnahmen treffen, dass sich so etwas in Mainz nicht ereignen kann. An Rosenmontag werden bis zu 50 mobile Eingreiftruppen unterwegs sein, die im Notfall schnell eingreifen könnten, sagte der Mainzer Polizeichef Achim Zahn dem SWR. Zugleich warnte Zahn davor, die Übergriffe in Köln für Panikmache und Vorverurteilungen von ausländischen Mitbürgern zu missbrauchen. Die Vorfälle in Köln müssten noch aufgeklärt werden.
Die mobilen Eingreiftruppen der Polizei an Fastnacht gebe es schon seit einigen Jahren, mit gutem Erfolg, sagte Neuhofer Mainz&. „Wir hatten vor ein paar Jahren Störergruppen, das hatten wir aber ganz gut im Griff“, sagte er weiter. Leider gebe es an Fastnacht einige, die meinten, „sie dürfen sich alles erlauben“, da sei es auch schon zu sexuellen Übergriffen gekommen. Mit den mobilen Einsatzgruppen könne man aber schnell und massiv eingreifen.
„Natürlich nehmen wir die Vorfälle in Köln zum Anlass, um dieses neue Thema in Zusammenhang mit den bevorstehenden Fastnachtstagen noch einmal explizit in Gesprächen zwischen Polizei und Ordnungsamt zu erörtern“, betonte Sitte. Zugleich forderte er die Bürger auch auf, mögliche Übergriffe umgehend der Polizei meldet, damit diese auch möglichst schnell reagieren und einschreiten könne.
Land: Polizei wird Straftaten konsequent ahnden – auch mit Abschiebung
Auch der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) meldete sich zu Wort und betonte, Straftaten würden „konsequent verfolgt und geahndet“, der Staat werde „mit aller Härte durchgreifen, wenn es gilt, die Einhaltung von Recht und Gesetz zu wahren.“ Dazu gehörten auch alle ausländerrechtlichen Sanktionen, also Abschiebungen – sofern denn die Täter überhaupt Ausländer sind… „Jedem potentiellen Gewalttäter muss klar sein, dass er mit keinerlei Toleranz zu rechnen hat, wenn es um den Schutz unserer Werte und Normen geht“, unterstrich Lewentz mit deutlich Wahlkampf-geprägter Rhetorik.
Die CDU warnte unterdessen vor Folgen einer Unterbesetzung der rheinland-pfälzischen Polizei, die allerdings im Landtagswahlkampf umstritten ist – auch die CDU hatte sich in der Vergangenheit zufrieden mit den rund 9.000 Polizisten im Land gezeigt. Durch die Flüchtlingssituation werde die Personaldecke aber dünner, warnte die CDU. Die Gewerkschaft der Polizei hatte jüngst gefordert, zur Bewältigung der neuen Aufgaben seien rund 200 bis 300 Polizisten mehr nötig, landesweit wohlgemerkt.
JU schlägt sichere Sammelpunkte an zentralen Orten vor
Die Junge Union (JU) Mainz schlug unterdessen für Fastnacht und andere Großveranstaltungen die Einführung sicherer Sammelpunkte vor. Diese sicheren Sammelpunkte „weithin sichtbar gekennzeichnet, gut ausgeleuchtet und von ständiger Polizeipräsenz begleitet sein“, sagte JU-Kreischef Felix Leidecker. So könne es „Treffpunkte und Rückzugsräume“ für Menschen geben, die ihre Begleiter in der Menge verloren hätten oder sich belästigt fühlten – „speziell auch für junge Frauen oder Kinder, die ihre Eltern im Getümmel verloren haben.“
Solche Sammelpunkte könne es in der Straßenfastnacht etwa am Hauptbahnhof, am Schillerplatz, in der Nähe des Doms und in der Südstadt geben und diese ähnlich der Fluchtwege mit Hilfe von Bannern ausgewiesen werden. Das sei keine Kritik an der Mainzer Polizei, sondern „eine Reaktion auf ein öffentlich artikuliertes, erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, gerade von und für Frauen“, betonte JU-Kreisvize Torsten Rohe.
Scharfe Kritik an „Verhaltensregeln“ für Frauen
Die JU kritisierte – ebenso wie die Mainzer Grünen übrigens – explizit die jetzt kommunizierten „Verhaltensregeln“ für Frauen, wie sie die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) vorgeschlagen hatte. Wer meine, Frauen Ratschläge erteilen zu müssen, wie nur in Gruppen aus dem Haus zu gehen und immer eine Armlänge Abstand von Fremden halten, „verwechselt Täter und Opfer“, kritisierte Leidecker: „Männer sind nicht das Opfer eines liberalen ‚modus vinendi‘ von starken, aufgeklärten Frauen.“
Deutlicher wurde noch die Mainzer Grünen-Stadträtin Katharina Binz: „Wer Frauen sexuell belästigt oder ihnen Gewalt antut ist ein Arschloch“, schreibt Binz in einem Facebook-Post. Wer seine Söhne erziehe mit der Haltung „Mein Gott, das bißchen Spaß müssen die Weiber schon aushalten“, „Frauen, die sich in dem Outfit / um die Uhrzeit / ohne Begleitung / unter Alkoholeinfluss rumtreiben, wollen es doch so“ oder „Wenn eine Frau Nein sagt, meint sie eigentlich Ja“ ist ebenfalls ein Arschloch.“
Sexuelle Gewalt und Belästigung seien aber leider Alltag in Deutschland, schreibt Binz weiter – und die Rechtfertigungen und Begründungen seien „eben tief verwurzelt in unserer Gesellschaft.“ Durch die Vorfälle von Köln „wäre jetzt die Chance da, eine breite Debatte darüber zu führen, was es in unserer Gesellschaft braucht, damit Frauen nicht Opfer sexueller Gewalt werden und dass sie sich selbstbestimmt und sicher in der Öffentlichkeit bewegen können, feiern können, anziehen können was sie wollen, also kurzum: frei sind“, betont Binz: „Ich finde wir sollten diese Chance nutzen.“