Es ist ein ganz besonderes Jubiläum: Seit 20 Jahren bereits kümmert sich der Verein „Armut und Gesundheit“ um die Allerärmsten in unserer Gesellschaft. Eine medizinische Ambulanz für Obdachlose, Sozialberatung, Flüchtlingshilfe – Armut und Gesundheit hilft wahrlich da, wo es am meisten Not tut. Der Verein um den „Obdachlosenarzt“ Gerhard Trabert mischt sich auch politisch ein – Armut ist ein Phänomen, das die ganze Gesellschaft betrifft und jeden etwas angeht, sagen sie hier. Am Samstag nun wird Geburtstag gefeiert, mit einem großen Fest auf dem Gutenbergplatz. „Solidarität blüht“, lautet das passende Motto – es soll ein Fest gerade auch für Bedürftige sein.
Angefangen hat alles mit dem „Mainzer Modell“ für wohnungslose Menschen auf der Straße: Gerhard Trabert, Mainzer Arzt und Sozialpädagoge, suchte Anlauf- und Beratungsstellen der Wohnungslosenhilfe auf und rief ein Arztmobil ins Leben, eine rollende Ambulanz, mit der er die Menschen an den bekannten Verweilplätzen in Form von „medical streetwork“ aufsucht. Auslöser war die erschreckende Erkenntnis, dass Armut bei uns nicht einfach „nur“ geringere gesellschaftliche Teilhabe bedeutet – sondern, dass Armut in einem der reichsten Länder der Erde bedeutet, früher sterben zu müssen.
Denn die Sterberate ist bei von Armut betroffenen Menschen deutlich erhöht, Statistiker haben einen Lebenserwartungsunterschied von 11 Jahren bei Männern und von 8 Jahren bei Frauen zwischen dem reichsten und dem ärmsten Viertel der deutschen Bevölkerung ausgemacht. 31 Prozent der von Armut betroffenen Männer erreicht nicht das 65. Lebensjahr. Von Einkommensarmut betroffene Menschen suchen deutlich seltener den Arzt auf und können sich notwendige Medikamente nicht besorgen.
„Armut macht krank, und Krankheit macht arm“, betont Trabert wieder und wieder, diesem Kontext werde in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung geschenkt. Genau deshalb gründete der Arzt 1997 den Verein Armut und Gesundheit, um auf die Missstände aufmerksam zu machen, aber auch aktiv für eine bessere medizinische Versorgung sorgen zu können. Heute leisten das Arztmobil und die Ambulanz für Obdachlose nach Angaben des Vereins zwischen 2.500 und 3.000 Behandlungen im Jahr an rund 600 Patienten.
Als erster Arzt in der Bundesrepublik bekam Trabert zudem von der Kassenärztlichen Vereinigung eine Ermächtigung, speziell und ausschließlich als Wohnungslosenarzt tätig zu sein. So können entstandene Kosten mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der ARGE oder dem Sozialamt abgerechnet werden. Weitere Projekte waren eine feste Ambulanz an der Mainzer Zitadelle, ein Street Jumper-Modell und weitere Projekte zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Der Street Jumper ist ein Wohnmobil mit Spielmöglichkeiten und Therapieangeboten, das seit 2008 Kindern und Jugendlichen in benachteiligten Wohngebieten unterstützende Angebote macht.Außerdem ist Trabert Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden, der früheren Fachhochschule.
Mit der Flüchtlingskrise richtete sich Traberts Augenmerk auch stark auf diese Gruppe Hilfsbedürftiger. Armut und Gesundheit ist seither auch für Flüchtlinge aktiv, Trabert und sein Team wiederum helfen regelmäßig auf dem Kutter Sea Watch bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Gerade kehrte der Arzt von einer Reise in den Norden Syriens zurück, wo er Flüchtlingslager, Hilfsorganisationen und medizinische Einrichtungen besuchte. Das ganze Spektrum der Arbeit will der Verein auch diesen Samstag bei seiner Jubiläumsfeier präsentieren und so für die Themen sensibilisieren.
Aber natürlich soll auch gefeiert werden: Um 11.00 Uhr geht es los, zur offiziellen Eröffnung um 12.00 Uhr sprechen neben Trabert der neue Mainzer Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD), der Präsident des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, Detlef Placzek, sowie der rheinland-pfälzische DGB-Chef Dietmar Muscheid. Ab 14.00 Uhr startet das Musikprogramm, organisiert durch die Künstleragentur Musikmaschine, mit den Afro-Cuban Tigers of India, gefolgt von My Friend the Immigrant und um 17.30 Uhr Hanne Kah.
Außerdem soll grade auch bedürftigen Menschen die Möglichkeit zum Mit-Feiern geboten werden, deshalb ist der Eintritt frei, und das Essen auf Spendenbasis auch. Ein Teil des Essensangebots wird denn auch in Zusammenarbeit mit Michael Schieferstein und dem Verein „FoodFighters“ vor Ort angerichtet und angeboten. Auf dem Gutenbergplatz werden zudem die Einsatzfahrzeuge des Vereins präsentiert, dazu Infostände von diversen Gruppen und Institutionen wie etwa Mainz 05, Medinetz, dem Weltladen oder der Mainzer Suchthilfe.
Info& auf Mainz&: Jubiläumsfest „Solidarität blüht“ zum 20-jährigen Bestehen des Vereins Armut und Gesundheit am Samstag, 8. Juli 2017, von 11.00 Uhr bis 19.00 Uhr auf dem Gutenbergplatz vor dem Theater. Der Eintritt ist frei. Mehr Infos zum Fest und zum Verein findet Ihr hier im Internet. Mehr zu Trabert und der Sea Watch findet Ihr hier bei Mainz&, einen Erfahrungsbericht von dem Einsatz genau hier.