Die Sprengung der Salzbachtalbrücke am Samstag wird mit großer Spannung erwartet, doch bei den Anwohnern im Salzbachtal mischt sich die zunehmend mit einem mulmigen Gefühl: Die Anwohner befürchten, in der durch die Sprengung entstehenden Staubwolke könnten giftige Schadstoffe sein. „Wir wollen wissen ob da Asbest oder andere toxische Stäube drin sein können“, sagte Uli Brandner, Besitzer der Hammermühle im Wiesbadener Salzbachtal gegenüber Mainz&. Brandner forderte konkrete Luftmessungen vor, während  und nach der Sprengung – und zwar auf toxische Stoffe hin. Die Autobahn GmbH verspricht inzwischen zwar Messungen, aber nur auf Menge und Größe des Feinstaubs.

Das Hofgut Hammermühle liegt nur 250 Meter von der Salzbachtalbrücke entfernt. - Foto: Hammermühle via Facebook
Das Hofgut Hammermühle liegt nur 250 Meter von der Salzbachtalbrücke entfernt. – Foto: Hammermühle via Facebook

Brandner ist Eigentümer des großen Hofanwesens „Hammermühle“ – und die steht gerade einmal 60 Meter von der Strecke entfernt, wo am Samstag die Trümmer der Salzbachtalkbrücke niederdonnern werden. Das romantische Mühlenanwesen wurde in der heutigen Form 1690 errichtet, seine Ursprünge sind jedoch wesentlich älter: „Ich habe hier Bruchsteinmauern aus dem Mittelalter“, berichtet Brandner – der anstehenden Sprengung der Salzbachtalbrücke sieht er deshalb mit Bedenken entgegen: Erschütterungen für die historischen Mauern drohen – und nun kommen noch Sorgen wegen giftiger Baustäube hinzu.

Am Samstag, den 6. November, will die Autobahn GmbH West die gut 300 Meter lange Autobahnbrücke der A66 über das Salzbachtal mit einem großen Knall sprengen, gut 221 Kilogramm Sprengstoff sollen erst die Südhälfte der Brücke, und dann den Nordteil niederlegen. Es ist eine der größten Sprengungen eines Infrastrukturbaus in Deutschland überhaupt, entstehen werden durch den Crash nach Angaben der Autobahn GmbH rund 15.000 Tonnen an Trümmern aus Beton, Zement und – ja: genau das ist nämlich jetzt die Frage. Brandner, aber durchaus auch andere Anwohner im Salzbachtal stellen nun die Frage: welche Schadstoffe könnten sich in der Brücke aus den 1960er Jahren noch verbergen, die womöglich am Samstag beim großen Knall sich per Luftwolke im ganzen Tal verteilen?

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Die 300 Meter lange Salzbachtalbrücke soll am Samstag, den 6. November, gesprengt werden. - Foto: Autobahn GmbH
Die 300 Meter lange Salzbachtalbrücke soll am Samstag, den 6. November, gesprengt werden. – Foto: Autobahn GmbH

„Wir wollen wissen, ob da Asbest drin ist, PCB oder andere gesundheitsgefährdende Stoffe“, sagte Brandner nun gegenüber Mainz& – der Mühlenbesitzer hat sich in mehreren Schreiben an die Autobahn GmbH gewandt. Auf das Thema habe ihn eine seiner Mieterinnen gebracht, berichtet Brandner: Am 22.10. habe die Frau ihn angesprochen, ob denn wohl Schadstoffe in der Salzbachtalbrücke seien , schließlich sei früher im Straßenbau gerne und häufig auch der Krebsauslöser Asbest verwendet worden.  Auf der Informationsveranstaltung für Anwohner zur Brückensprengung am 25. Oktober habe er dann festgestellt: Seine Mieterin war nicht die einzige.

Mehrere besorgte Anwohner des Tals hätten die gleichen Bedenken vorgebracht, berichtet Brandner weiter, dabei gehe es auch um giftige Feinstäube – und die Thematik habe es möglicherweise in sich. Brandner verweist inzwischen auf einen Bericht des Frankfurter Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Goethe-Universität zum Thema „Feinstaubbelastung bei Gebäudesprengung in städtischer Umgebung.“ Anlass des Berichts: Die Sprengung des 116 Meter hohen AfE-Turms der Universität Frankfurt am 3. Februar 2014.

Sprengung des AfE-Turms in Frankfurt im Februar 2014. - Screenshot: Brandner
Sprengung des AfE-Turms in Frankfurt im Februar 2014. – Screenshot: Brandner

Bei der Sprengung seien 50.000 Tonnen Bauschutt entstanden – und eine gigantische Staubwolke, Fotos und Videos zeigen eindrucksvoll, wie sich diese Wolke in der Nachbarschaft des gestürzten Turms ausbreitet. Die Fotos wecken Erinnerunugne an 9/11, als durch den Einsturz des World Trade Centers in New York nach zwei Flugzeugattacken eine gigantische Staubwolke ganz Lower Manhattan einhüllte. Heute weiß man: Diese Staubwolke enthielt erhebliche Mengen hochtoxischer Feinstäube, an deren Folgen Schätzungen zufolge inzwischen fast genauso viele Menschen gestorben sind, wie bei den Anschlägen selbst. Inzwischen werden allein 68 verschiedene Krebsarten auf die „9/11“-Gifte zurückgeführt, berichtet unter anderem die Tagesschau.

Asbest, Glasfasern, Dioxine, Blei, Schwefelsäure – viele dieser Stoffe dürften damals in der Staubwolke enthalten gewesen sein, allerdings verbrannten damals auch zwei komplette Verkehrsflugzeuge samt Tonnenweise Kerosin und deutlich mehr Stoffe, als bei einer vergleichsweise einfachen Autobahnbrücke. Dennoch fragen sich nun auch die Anwohner im Salzbachtal: Was steckt an Stoffen in der alten Brücke? „Es gibt ein Materialgutachten über die Brücke, ich will das einsehen“, fordert Brandner, es gebe Quarzide in Zementen, die genauso toxisch seien wie Asbest oder PCB.

Auch bei der Sprengung der Talbrücke Eisern bei Siegen im Oktober 2020 entstand eine ordentliche Staubwolke. - Screenshot: Brandner
Auch bei der Sprengung der Talbrücke Eisern bei Siegen im Oktober 2020 entstand eine ordentliche Staubwolke. – Screenshot: Brandner

Die Autobahn GmbH reagierte Ende vergangener Woche mit einem Schreiben an die Anwohner: Die Brückenbestandteile und die Böden für die Stützwälle und Fallbetten seien im Labor untersucht wurden, „es wurden keine Schadstoffe gefunden“, betont die Geschäftsführung. Das Brücken-Bauwerk sei „frei von Asbest, PCB (Polychlorierte Biphenyle – synthetische Stoffgemische verwendet für Fugenmassen oder Anstriche) oder PAKs (Po-lyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe).“ Die Laboruntersuchungen könnten eingesehen werden, gegebenenfalls werde man sie zudem auf der Homepage veröffentlichen.

Brandner reicht das nicht aus: „Wir wollen wissen, wo die Proben entnommen wurden“, betont er, schließlich sei es doch ein entscheidender Unterschied, „ob man am Pfeiler kratzt oder eine Kernbohrung macht.“ Nur mit einer tiefen Kernbohrung könne man den Querschnitt des Baumaterials erkennen und eine vernünftige Analyse machen. „Beruhigung wird erst eintreten, wenn wir das Gutachten sehen und erkennen können, wo welche Proben genommen wurden“, sagt Brandner – reagiert worden sei darauf bisher aber nicht von der Autobahn GmbH.

Unmittelbar neben der Salzbachtalbrücke liegt eine Kläranlage, auf der anderen Seite in 250 Entfernung aber auch die Hammermühle, auf dem Foto ganz am rechten Rand. - Foto: Autobahn GmbH
Unmittelbar neben der Salzbachtalbrücke liegt eine Kläranlage, auf der anderen Seite in 250 Entfernung aber auch die Hammermühle, auf dem Foto ganz am rechten Rand. – Foto: Autobahn GmbH

Dort verspricht man: „Wir werden aber dennoch weitere technische und organisatorische Maßnahmen treffen, um die Staub-Immissionen zu vermindern.“ Derzeit würden die Einsatzmöglichkeiten von Staubbindungsmaschinen geprüft, diese Maschinen binden den Straub durch Wassernebel, so kann die entstehenden Masse sich möglichst schnell niederschlagen, und so die Ausbreitung minimiert werden.

Laut der Frankfurter Wissenschaftler wäre das wohl eine gute Idee: Bei der Sprengung eines 22 Stockwerke hohen Gebäudes in Baltimore seien in Abhängigkeit von Windrichtung und Entfernung vom Gebäude Spitzenkonzentrationen an Feinstaub der Größe PM10 von bis zu 54.000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen worden. „Es ist davon auszugehen, dass ähnliche Konzentrationen auch am 02.02.2014 in Frankfurt am Main erreicht wurden“, heißt es in dem Bericht weiter.

Feinstaub sind winzige Rußpartikel, die durch Verbrennungsprozesse, aber auch durch mechanischen Abrieb wie bei einer Sprengung entstehen. Feinstaub gilt als hochgiftig, die  winzigen Rußpartikel dringen tief in die Lunge vor, kleinere Partikel sogar bis in die Blutbahn und sogar ins Gehirn. Feinstaub, weiß die Wissenschaft inzwischen, löst im menschlichen Körper Atemwegserkrankungen aus und wirkt auf das zentrale Nervensystem sowie auf den Zuckerstoffwechsel. „Ein Grundmechanismus der Schädigung durch Feinstaub scheint, unabhängig vom betroffenen Organsystem, die Induktion oxidativen Stresses und damit die Entstehung chronischer Entzündungszustände zu sein“, schreiben die Medizinexperten in ihrem Gutachten: Akute Expositionen gegenüber größeren Mengen Feinstaubs könnten gar die Sterblichkeit erhöhen.

Staubwolke bei der Sprengung des AfE-Turms in Frankfurt im Februar 2014 von der Erde aus gesehen. - Screenshot Brandner
Staubwolke bei der Sprengung des AfE-Turms in Frankfurt im Februar 2014 von der Erde aus gesehen. – Screenshot Brandner

Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert deshalb in ihren Luftgüterichtlinien einen Grenzwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel für PM10 und von 10 Mikrogramm für PM 2,5 – die bei der Baltimorer Sprengung gemessenen 54.000 Mikrogramm entsprächen „in etwa dem 1000-fachen des erlaubten Tagesmittels“, warnen die Frankfurter Wissenschaftler weiter, und empfehlen: Weil es keine wissenschaftlich begründbaren Grenzwerte gebe, unterhalb derer mit gesundheitlichen Folgen durch Feinstaubexposition nicht mehr zu rechnen sei, „sollten Quellen gigantischer Feinstaubkonzentrationen wie Gebäudesprengungen in städtischer Umgebung nach Möglichkeit vermieden werden.“

Dass er die Sprengung noch verhindern kann, glaubt Brandner indes nicht, zu groß ist das Interesse der Autobahn GmbH an einem schnellen Aus für die Mitte Juni havarierte Brücke. Es hätte Alternativen gegeben, sagt Brandner: Die marode Brücke hätte stabilisiert und Stück für Stück abgetragen werden können – so, wie es ursprünglich auch vorgesehen war, sagt er. Bei der Sprengungswolke in Frankfurt seien Schadstoffe nicht gemessen worden, „und es fragt sich heute: warum nicht?“ Die Salzbachtalbrücke werde zwar deutlich weniger Volumen zu Boden bringen, „das Staubvolumen dürfte aber immer noch beträchtlich sein“, fürchtet er – der 6.,11. könnte „zu einem erheblichen Problem werden.“

Luftbild der Salzbachtalbrücke mit Umgebung: Gut 140 Anwohner werden evakuiert. Am linken Bildrand: die Hammermühle sowie weitere Wohnhäuser. - Foto: Autobahn GmbH
Luftbild der Salzbachtalbrücke mit Umgebung: Gut 140 Anwohner werden evakuiert. Am linken Bildrand: die Hammermühle sowie weitere Wohnhäuser. – Foto: Autobahn GmbH

In nur etwa 250 Metern Entfernung stünden Zuschauer, wie die Presse, Polizei und Sicherheitsdienste befänden sich sogar noch näher an der Brücke – und nach der Sprengung selbst kämen ja auch noch die Aufräumarbeiten, auch die würden wieder neu Staub aufwirbeln, befürchtet er. „Die Staubwolke wird die Hammermühle in jedem Fall voll treffen, aber je nach Windrichtung sind im Weiteren ganze Wohngebiete betroffen“, warnt er: „Ich denke, hier besteht eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit.“

Bei der Autobahn GmbH verspricht man nun, es werde eine Staubmessung in der Nähe der Hammermühle vorgenommen – allerdings nur „nach Staubgröße und -menge.“ Dabei werde eine Messung mit Kleinstaubfiltern durchgeführt sowie ein weiteres optisches Messverfahren, beide Verfahren zusammen „sollen sicherstellen, dass durch den Vorher-Nachher-Vergleich vor der Rückkehr in die Häuser und Wohnungen die gleiche Luftqualität festgestellt wird und keine Gesundheitsgefahr besteht.“ Diese „Freigabe-Messung“ werde vom TÜV Süd durchgeführt. „Eine chemische Analyse ist mit den eingesetzten Geräten nicht möglich und aus unserer Sicht auch nicht erforderlich“, heißt es in dem Schreiben aber auch.

Brandner begrüßt die Messungen durch den TÜV Süd, eine reine Masseanalyse reicht ihm aber nicht aus. „Ich will eine Messmethodik dabei haben, bei der auch toxische Stoffe untersucht werden“, fordert er: Die Luft müsse auf toxische Stoffe wie Asbest, PCB oder andere gesundheitsgefährdende Stoffe hin untersucht werden, und zwar per Einsendung ins Labor. „Das ist ganz wichtig“, betont Brandner, schließlich gehe es im Umfeld der Brücke auch um Schrebergärten mit Gemüseanbau, auf der Hammermühle selbst lebten allein 17 Kinder, die in Höfen und Gärten spielten. „Wenn das Zeug beprobt wird, und es kommt eine Woche später raus: oh, Gift“, sagte Brandner, „dann hat das ganze Tal ein Problem.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Sprengung der Salzbachtalbrücke lest Ihr hier auf Mainz&, das Hofgut Hammermühle findet Ihr hier im Internet. Die Fotos von den Spreng-Staubwolken in Frankfurt und Siegen wurden uns von Uli Brandner zur Verfügung gestellt. Über die Gefahren von Ultrafeinstaub für die menschliche Gesundheit hat Mainz& schon oft berichtet – im Zusammenhang mit dem Flugverkehr rund um den Frankfurter Flughafen. Einen Überblick über wissenschaftliche Studien zur Gesundheitsgefahr von Ultrafeinstaub findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel von 2018.

 

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