Die Coronakrise reißt ein riesiges Loch in die Mainzer Stadtkasse: Binnen weniger Monate seien der Stadt 48,6 Millionen Euro weggebrochen, sagte Finanzdezernent und Bürgermeister Günter Beck (Grüne) am Mittwoch im Mainzer Stadtrat. Eine schnelle Erholung sei zwar nicht in Sicht, dennoch, trotzdem sei er guten Mutes, dass am Ende ein ausgeglichener Haushalt stehen könne. Mainz will denn auch weiter investieren: Im Doppelhaushalt 2021/22 sollen allein rund 100 Millionen Euro in Schulen und Kitas fließen, 16 Millionen Euro stehen allein für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur bereit.
Finanzdezernent Beck brachte am Mittwoch den Entwurf für den neuen Doppelhaushalt in den Stadtrat ein, das Zahlenwerk wird nun in den kommenden Wochen beraten und soll am 18. November im Stadtrat verabschiedete werden. Die ursprünglichen Planungen aber sind längst Makulatur: Ohne die Corona-Pandemie „hätten wir 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit einen zweistelligen Jahresüberschuss erwirtschaftet“, sagte Beck.
Denn die Auswirkungen durch den Shutdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie im März waren gravierend: 2005 Anträge auf Anpassung der Gewerbesteuer seien bei der Stadt eingegangen und bearbeitet worden, sagte Beck, allein dadurch brächen der Stadt innerhalb weniger Monate 48,6 Millionen Euro weg. Dazu gebe es noch 257 Anträge auf Stundungen, im Worst Case würden hier noch einmal 7,5 Millionen Euro wegbrechen. Da die Spielautomaten still stehen entgehen der Stadt zudem rund 1,2 Millionen Euro an Vergnügungssteuer, durch Steuern aus Veranstaltungen rund 88.000 Euro.
Die Stadt setzte zudem die Beiträge für Horte und Betreuung in den Kitas in der Krise aus, allein das sorge für 1,2 Millionen Euro Mindereinnahmen, rechnete Beck weiter vor. Der Verzicht auf Sondernutzungsgebühren, etwa für Außenbewirtschaftungsflächen, kostet 220.000 Euro, der Ausfall an Musikschulgebühren beim Peter Cornelius-Konservatorium 40.000 Euro. Auch die stadtnahen Gesellschaften wurden stark gebeutelt, die Parken in Mainz GmbH habe ebenso Kurzarbeit anmelden müssen wie die Mainzplus Citymarketing, berichtetet Beck.
„Mainzplus ist in die größte Krise ihrer Existenz hineingeraten und muss bereits jetzt mit etwa 5 Millionen Euro unterstützt werden“, warnte Beck: „Hier muss dringend über die strategische Ausrichtung der nächsten Jahre nachgedacht werden.“ Das Problem dabei: Wie sich die Veranstaltungsbranche weiter entwickeln kann, ist derzeit nicht vorhersehbar, die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie derzeit noch unwägbar.
Die Stadt Mainz bekam vom Land Rheinland-Pfalz als Ausgleich für die Corona-Pandemie insgesamt 5,4 Millionen Euro, wofür das Geld verwendet worden sei, wollte nun die SPD-Fraktion im Stadtrat wissen. Die Mittel würden „unter anderem für die Beschaffung von Schutzausrüstungen und Desinfektionsmitteln und zum Ausgleich von Einnahmeverlusten bei Gebühren und Stundungszinsen verwendet“, antwortete Beck in der schriftlichen Antwort.
Einen Teilbetrag von etwa einer Million Euro stellte die Stadt für das Programm „Mainz hilft sofort“ bereit, ausgegeben wurden davon bisher rund 631.000 Euro. Davon gingen rund 222.000 Euro an den Bereich Wirtschaft, knapp 140.000 Euro in den Bereich Ehrenamt und knapp 96.000 an Familien. Rund 108.000 Euro flossen in den Bereich Kultur, 65.000 Euro in den Bereich „Zusammenhalt“ – wofür genau die Mittel ausgegeben wurden, teilte der Finanzdezernent nicht mit. Die nicht nicht ausgeschöpften Mittel würden für weiter eingehende Einträge vorgehalten.
Von den Mitteln sei ja „doch noch recht viel übrig“, merkte denn auch SPD-Chef Johannes Klomann an und forderte die Stadt auf, die noch freien Mittel dort zügig einzusetzen, wo sie nötig seien. Das sei vor allem der Bereich der Gastronomie, „vor allem aber die Clubs, die es am härtesten getroffen hat“, betonte Klomann. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich mahnte zudem, nicht die Soloselbstständigen und die Künstler zu vergessen: „Es wäre schön, wenn da Gelder abgerufen werden könnten.“ Die Linke wiederum forderte, die Weichenstellung müsse eine Soziale sein – konkreter wurden die Vorschläge im Stadtrat aber nicht.
Finanzdezernent Beck kündigte an, die Verwaltung suche derzeit nach Konzepten, der Gastronomie im Herbst und Winter zu helfen. „Das Thema ist jetzt die Gastronomie, aber wir haben 800 Einheiten in Mainz, wir können da nicht mit der Gießkanne drübergehen“, sagte Beck. Es gelte jetzt, Modelle zur Förderung zu entwickeln, Ideen dafür seien etwa Pavillons für Außenflächen im einheitlichen Design, Decken mit Mainz-Logo oder Kirschkernkissen zum Wärmen bis hin zu Zuschüssen für bessere Belüftung.
„Ich kann nur jeden bitten: wenn er Ideen hat, tragt es an uns ran“, sagte Beck. Es gingen noch jeden Tag neue Anträge ein und würden auch genehmigt. Mainz sei in ganz Rheinland-Pfalz die erste Kommunen gewesen, die ein solches Hilfsprogramm aufgelegt habe, betonte Beck zudem – sein ausdrücklicher Dank dafür gehe an die Mitarbeiter in der Verwaltung.
Und auch im Doppelhaushalt 2021/2022 plant der Finanzdezernent trotz Krise und Finanzloch weitere Investitionen: Allein 78 Millionen Euro sollen in Investitionen wie Neubauten im Schulbereich investiert werden, 32 Millionen Euro in neue Kitas, 16 Millionen Euro in Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur. „Ich denke, es wird deutlich, dass wir dieser Krise trotzen wollen, dass wir uns ihr nicht ergeben“, betonte Beck: „Wir packen die Dinge an, dazu braucht es Personal und Geld.“
So sehe der Doppelhaushalt auch rund 58 Millionen Euro für Investitionen und Sanierungen in städtische Gebäude vor, damit nicht neue Sanierungsstaus entstünden, sagte Beck. Vorgesehen sind etwa Sanierungen der Zitadelle und des Rheinufers, die Bewerbung zur Landesgartenschau, aber auch die Sanierung des Mainzer Rathauses – mehr dazu morgen auf Mainz&. „Natürlich wird durch diesen Doppelhaushalt der Schuldenstand steigen“, räumte Beck ein, die Liquiditätskredite würden aber gleich bleiben, während die Investitionskredite wesentlich stiegen – „und da steckt das Vermögen der Stadt drinnen.“
Insgesamt rechnet der Finanzdezernent für das Jahr 2021 mit Ausgaben von rund 783, 4 Millionen Euro, dem stünden aber nur rund 741 Millionen Euro an Einnahmen gegenüber. Für 2022 sieht der Haushaltsentwurf Ausgaben von rund 798,4 Millionen Euro und Ausgaben von rund 754,8 Millionen Euro vor. Personalkosten für neue Stellen in Verwaltung und für die Kitas sind dabei allerdings noch nicht eingeplant. Der Plan sieht dabei Investitionen von rund 68 Millionen Euro in 2021 und von 72,4 Millionen Euro in 2022 vor.
Damit stehen fürs erste laut dem Plan 2021 Defizite in Höhe von 41,7 Millionen Euro zu Buche und von 43,5 Millionen Euro für 2022. Beck betonte zudem, nach der neuesten Steuerschätzung des Bundes werde erst im Jahr 2024 das Niveau von 2019 bei der Gewerbesteuer wieder erreicht. Der Haushaltsentwurf wird nun in den Fraktionen des Stadtrats und dann in den verschiedenen Gremien beraten, eine Erwiderung der Opposition ist im Mainzer Stadtrat bei der Einbringung nicht vorgesehen.
Info& auf Mainz&: Die gesamten Daten und Fakten zum Doppelhaushalt 2021/2022 könnt Ihr Euch selbst ansehen – die Unterlagen dazu findet Ihr hier in der Tagesordnung des Stadtrats im Internet. Zudem wurde die heutige Stadtratssitzung erstmals im Livestream übertragen, das Video davon soll im Anschluss auf dieser Internetseite zu finden sein. Der Livestream zeigte übrigens zeitweise ein Konzert mit einer tanzenden Frauenband – das war eine Fehlschaltung und hatte mit der Stadtratssitzung nichts zu tun, auch wenn die in der Halle 45 stattfand.