Vergangene Woche lehnte der Deutsche Bundestag die Einführung einer Impfpflicht gegen das Coronavirus ab – doch damit ist die Debatte mitnichten beendet: Der Mainzer FDP-Fraktionschef David Dietz warnt nun, die Entscheidung könne im Herbst bittere Konsequenzen haben- Deutschland müsse sich vorbereiten, sonst drohten neue Corona-Sanktionen im Herbst, sagte Dietz – und plädiert für eine Impfpflicht ab 50 Jahren. Die Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner argumentiert dagegen, bei der Impfung gehe es doch „eher um den Eigen- als um den Fremdschutz“. Eine neue Studie zeigt jedoch: Das stimmt so nicht – Geimpfte sind deutlich weniger ansteckend.
Die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht war lang und quälend, versprochen hatte sie vor allem die SPD: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Herbst 2021 angekündigt, spätestens im Februar oder März 2022 werde es eine allgemeine Impfpflicht geben. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb dafür, die Grünen sprachen sich mit großer Mehrheit ebenfalls dafür aus. Eine Impfplicht solle der nahezu zum Stillstand gekommenen deutschen Impfkampagne wieder Schwung verleihen und helfen, endlich die immer noch große Impflücke zu schließen, so das Kalkül.
Tatsächlich sind in Deutschland weiterhin erst 76,1 Prozent der Bevölkerung grundimmunisiert, haben also zwei Corona-Impfungen erhalten, weitere 59 Prozent haben auch eine Auffrischungsimpfung erhalten – dabei ergaben die Studien inzwischen: Erst die dritte Impfung, der sogenannte Booster, liefert einen vollständigen Schutz vor schweren Erkrankungen oder gar dem Tod in folge einer Covid-19-Erkrankung. Schlimmer noch: Noch immer sind rund drei Millionen Menschen über 60 Jahren ungeimpft, genau die Gruppe, aus der die meisten der inzwischen rund 130.000 Corona-Toten kamen.
„Die Entscheidung des Bundestags bereitet mir die Sorge, dass wir auch im dritten Pandemiejahr ohne ein wirkliches Konzept in den Herbst und Winter gehen“, sagte nun der Mainzer FDP-Fraktionschef David Dietz jetzt gegenüber Mainz& und BYC-News. Dietz ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Lebenshilfe Mainz-Bingen, die auch in Mainz Einrichtungen für behinderte Menschen wie Wohngruppen, integrative Kindergärten und Seniorenangebote betreibt. „Im nunmehr zweijährigen Pandemiegeschehen haben wir gelernt, dass es Personengruppen gibt, die im Falle einer Infektion einer grundsätzlich höheren Gefahr ausgesetzt sind, einen schweren Verlauf der Infektion bis hin zum Tod zu erleiden“, sagte Dietz nun.
Völlig zu Recht habe der Fokus der Bemühungen deshalb darauf gelegen, „diese sogenannten vulnerablen Gruppen, also die besonders gefährdeten Menschen, auch besonders zu schützen“, betonte der FDP-Politiker weiter. Dabei spielten Vorerkrankungen, aber eben auch das Alter eine signifikante Rolle. „Leider sind aber auch in diesem Alterssegment die Impflücken noch relevant“, warnte Dietz weiter. Das Scheitern jeglicher Regelungen zur Impfplicht sieht er deshalb mit Unbehagen.
Im Bundestag war vergangene Woche der in letzter Minute ausgehandelte Kompromissantrag für eine Impfpflicht ab 60 Jahren ebenso durchgefallen, wie der Antrag der Unionsfraktionen auf ein Impfregister mit Option auf eine spätere Einführung möglicher Impfpflichten. Eine Impfpflicht ab 18 Jahren war hingegen gar nicht erst zur Abstimmung gekommen. „Die Debatte und das Agieren im Vorfeld mag jeder für sich selbst bewerten“, sagte Dietz, klar sei aber auch: Die Impfpflicht hätte „die Möglichkeit geboten, Voraussetzungen für ein mögliches Ende der immer wieder ausgeuferten ‚Corona-Regeln‘ zu schaffen.“
Dietz plädiert für Impfpflicht ab 50 Jahren
Ja, eine gesetzliche Regelung über verpflichtende Impfungen hätten „einen massiven Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt“, betonte Dietz weiter. Er selbst halte deshalb eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren für einen „unverhältnismäßig tiefen Eingriff in die Grundrechte“. Es war vor allem Dietz Partei, die FDP, die in der Ampel-Koalition in Berlin die allgemeine Impfpflicht blockiert, und auch alle Kompromisslösungen rigoros abgelehnt hatte – ihr eigener Antrag, der Bundestag solle sich gegen jede Impfpflicht aussprechen, scheiterte jedoch ebenfalls.
Dietz betonte nun während er eine Impfpflicht ab 18 Jahren ablehne, halte er andere Lösungen aber für wichtig: „Eine Impfpflicht ab 50 Jahren hingegen stellt aus meiner Sicht ein sehr viel milderes Mittel dar, um künftig auf weitergehende Grundrechtseingriffe im Zuge der Corona-Politik verzichten zu können“, betonte Dietz: Ein solche Impfpflicht könne „meines Erachtens verhältnismäßig sein, um die vulnerablen Personengruppe grundsätzlich zu schützen.“
Rößner: Viele Ängste, gerade auch wegen Impfnebenwirkungen
Doch das sehen nicht alle so: Die Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner hatte für Aufsehen gesorgt, weil sie im Bundestag eine engagierte Rede hielt – gegen die Impfpflicht. Rößner stellte sich damit gegen die Linie ihrer Partei, und bekam viel Beifall aus dem FDP-Lager. „Die Aufgabe des Staates ist nicht, die Menschen vor sich selbst zu schützen, sondern das Gesundheitssystem am Laufen zu halten“, sagte Rößner unter dem Beifall der Liberalen, es brauche „weniger Alarmismus und mehr Sachlichkeit.“
„Uns eint das Ziel, die Pandemie zu bewältigen und die Überlastung des Gesundheitswesens abzuwenden“, sagte Rößner in ihrer Rede weiter, ein guter Immunstatus trage dazu wesentlich bei. Doch viele Menschen wollten die Impfentscheidung selbst treffen, „viele haben auch Ängste“, betonte Rößner. Impfnebenwirkungen würden bislang nur in geringem Ausmaß dem zuständigen Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. „Wie hoch die Dunkelziffer ist, wissen wir nicht“, sagte Rößner, und forderte, Fälle von starken Impfnebenwirkungen systematisch zu erfassen. „Damit würden wir die Bedenken ernst nehmen, das schafft Vertrauen“, betonte sie.
Zudem wisse man noch gar nicht, welchen Schutz die Impfung bei neuen Varianten des Virus biete, argumentierte Rößner weiter, und behauptete: „Nach heutigem Stand geht es bei der Impfung eher um den Eigen- als um den Fremdschutz. Daher ist eine Impfpflicht noch schwieriger zu rechtfertigen.“
Studie: Geboosterte fünfmal weniger ansteckend als Ungeimpfte
Das aber stimmt nicht: Neueste Studien belegen klar, dass Corona-Geimpfte nicht nur sehr gut vor schweren Erkrankungen geschützt sind, sie sind auch weniger ansteckend als Ungeimpfte. Das Robert-Koch-Institut hatte schon vergangenes Jahr betont: Menschen, die sich trotz einer Impfung mit dem SARS-CoV-2-Virus infizieren, scheiden viel kleinere Virusmengen aus als Ungeimpfte – und sind deshalb auch weniger ansteckend.
Das belegt nun nachdrücklich eine neue Studie der Universität Genf: „Unsere Ergebnisse unterstreichen den Nutzen der Impfung für die Verringerung der Sars-CoV-2-Zirkulation über den individuellen Schutz vor schwerer Krankheit hinaus“, sagte die Schweizer Forscherin Isabelle Eckerle gegenüber ZDF heute, im Klartext: Menschen mit einer Booster-Impfung tragen der Studie zufolge fünfmal weniger infektiöses Virus in sich als ungeimpfte Menschen.
Das Forschungsteam hatte dem Bericht zufolge zwischen April 2020 und Februar 2022 bei insgesamt 565 Corona-infizierten Menschen innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn Abstriche von der Nasen-Rachen-Schleimhaut genommen. Die Untersuchung deckt damit also nahezu den gesamten bisherigen Pandemie-Verlauf ab: Infektionen mit der ursprünglich zirkulierenden Variante wurden ebenso erfasst wie mit der Delta- und der Omikron-Variante BA.1 erfasst.
Die Auswertung ergab, dass bei einer Delta-Infektion schon Zweifach-Geimpfte deutlich weniger infektiöse Partikel in den oberen Atemwegen hatten als Ungeimpfte, nämlich knapp ein Fünftel weniger. Bei einer Omikron-Durchbruchsinfektionen war die Menge infektiöser Viruspartikel nach einer doppelten Impfung hingegen genauso hoch wie bei Ungeimpften. Eine dritte Booster-Impfung drückte den Wert aber deutlich nach unten, auf etwa ein Fünftel. Damit bestätigt die Studie die bisherigen Forschungsergebnisse, dass Geimpfte bei der Omikron-Variante erst nach drei Impfungen vollständig geschützt sind – und offenbar das Virus auch deutlich weniger weiterverbreiten.
Dietz: Im Herbst drohen gefährlichere Corona-Mutanten
Dietz fordert nun, Deutschland müsse sich auf die möglichen Konsequenzen der gescheiterten Impfpflicht vorbereiten – sonst drohten im Herbst wieder neue Corona-Beschränkungen. Denn im Herbst drohten neue Mutationen des SARS-CoV2-Virus, „die nicht nur in der Übertragungsfreude so aggressiv sind wie die derzeit dominante Omikron-Variante, sondern im Verlauf potentiell gefährlicher“, warnte Dietz. Tatsächlich berichten Virologen schon jetzt von neuen Mutationen des Virus mit immer neuen Auswirkungen – darunter Varianten wie Deltakron oder Omikron XE.
Wenn im Herbst die Ansteckungsraten und Krankenhauseinweisungen ähnlich hoch seien wie jetzt, „kann es tatsächlich schwierig werden“, betonte Dietz, „dann würden wir wieder über Maßnahmen diskutieren müssen, die wir hinter uns geglaubt haben.“ Die einrichtungsbezogene Impflicht im Gesundheitswesen sei deshalb „ein konsequenter und richtiger Schritt“ gewesen, sagte Dietz weiter: „Die Menschen, die uns in diesem Rahmen anvertraut sind, müssen die Gewissheit haben, dass die sie Betreuenden und Pflegenden ebenfalls bestmöglich geschützt sind, um diese lebenswichtige Arbeit ausüben zu können.“
Info& auf Mainz&: Mehr über die Studie, wann die Corona-Impfung auch vor Ansteckungen schützt, lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zum Aus für die allgemeine Impfpflicht lest Ihr hier bei Mainz&: