Die Debatte um die Zukunft der Steinhalle des Mainzer Landesmuseums tobt weiter, Ende vergangener Woche hatte der rheinland-pfälzische Landtag nach einem Krisentreffen mit zwei Archäologenverbänden von einer „Einigung“ pro Verbleib des alten Plenarsaals gesprochen – doch dem widersprechen nun die Archäologen: Man habe ein „ergebnisoffene“ Beteiligung an dem weiteren Planungsprozess vereinbart, sagte der Mainzer Archäologe Patrick Schollmeyer gegenüber der Internetzeitung Mainz& – man behalte sich auch vor, das Ergebnis nicht mitzutragen. Derweil kritisiert auch die Mainzer FDP die Landtags-Pläne scharf als nicht nachvollziehbarer und nicht durchdacht: „Diese ad-hoc-Entscheidung erscheint ein bisschen arg provinzpossenhaft“, sagte FDP-Chef David Dietz.
Die Kritik richtet sich gegen Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD), der mit dem alten Plenarrund des früheren rheinland-pfälzischen Landtags nicht, wie eigentlich vor sechs Jahren versprochen, nach dem Ende der Bauarbeiten im Deutschhaus wieder ausziehen will. Stattdessen will Hering nun das alte Parlamentsgestühl in der Steinhalle des Landesmuseums eingebaut lassen, der Bereich solle ein „Reallabor Demokratie“ werden, das „die moderne parlamentarische Demokratie für alle Altersgruppen erfahr- und begreifbar macht, sowie die Möglichkeiten bietet, diese weiterzuentwickeln.“ Der Bereich solle für Besuchergruppen und Veranstaltungen zur Verfügung stehen und biete „zusätzlich zum sanierten Deutschhaus Räume und Möglichkeiten für eine breitere demokratische, politische und kulturelle Bildung“, schwärmte Hering.
Doch der alte Plenarsaal würde eine dauerhafte Zweiteilung der Steinhalle mit sich bringen, die ursprünglich eine 1.200 Quadratmeter große Ausstellungshalle für die römischen Steindenkmäler war, von denen die Stadt Mainz eine der bedeutendste Sammlungen nördlich der Alpen besitzt. Der Landtag war eigentlich vor fünf Jahren nur als Zwischen-Provisorium in die Steinhalle eingezogen, um die Zeit bis zur Sanierung des Deutschhauses, dem eigentlichen Sitz des Parlamentes zu überbrücken. Nun aber will der Landtag bleiben, gegen die dauerhafte Umwidmung der Steinhalle regt sich derzeit massiver Protest.
Vorige Woche schlug der Freundeskreis des Mainzer Landesmuseums Alarm und kritisierte vehement, der wertvollen Mainzer Antikensammlung gingen wesentliche Flächen verloren, die römische Vergangenheit drohe im Archiv zu verschwinden – Freundeskreis-Vorsitzende Elisabeth Kolz warf Hering gar „Wortbruch“ vor. Seit dem Wochenende sammelt eine Online-Petition Unterschriften für den Erhalt der Steinhalle, diese Woche protestierte nun der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands in einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und appellierte „mit Nachdruck“, die Entscheidung zu überdenken. Es drohe, eine der wichtigsten Sammlungen lateinischer Inschriften aus der Antike in ganz Europa einfach im Depot zu verschwinden, befürchten die Kritiker – Ähnliches hatten bereits im Februar gleich zwei renommierte Archäologenverbände kritisiert.
Vergangene Woche traf sich Landtagspräsident Hering mit dem Deutschen Verband für Archäologie (DVA) sowie dem Deutschen Archäologen-Verband (DArV) zum Gespräch – danach hieß es in einer vom Landtag veröffentlichten Pressemitteilung, man sei sich über eine gemeinschaftliche Nutzung der Steinhalle durch das Demokratielabor und die musealen Steindenkmäler „einig“ – der 1. Vorsitzende des Deutschen Archäologen-Verbandes (DArV), Patrick Schollmeyer, wollte das aber so nicht stehen lassen.
Archäologen: „Wir haben nicht ohne Widerspruch zugestimmt“
Eine abschließende Zustimmung zu dem Konzept des Landtags sei das nicht gewesen, betonte Schollmayer nun im Gespräch mit Mainz&: „Es ist nicht Aufgabe und das Recht der Fachverbände, eine solche Zustimmung zu erteilen. Ich würde es nicht so verstanden wissen wollen, als hätten wir dem ohne jeglichen Widerspruch zugestimmt“, betonte Schollmeyer. Aus Sicht der Archäologen gehe es nun darum, „ergebnisoffen zu sehen, was das Beste ist, das wir für das römische Erbe herausholen können.“
„Wir begrüßen das Demokratielabor an sich“, betonte der Mainzer Archäologe weiter, „die Frage bleibt aber: ist das Labor in der Steinhalle unter allen Umständen richtig angesiedelt.“ DAV und DArV hätten „die große Hoffnung, dass es uns gelungen ist, eine inhaltliche Diskussion in Gang zu setzen“, sagte er weiter, es gehe nun darum, „die Option zu diskutieren“, ob bei der Symbiose beider Elemente ein vernünftiges Gesamtkonzept herauskommen könne.
Dabei müsse das Landesmuseum gestärkt werden und eine „gute inhaltliche Verschränkung von Demokratielabor und Beständen des Landesmuseums“ entstehen, man werde das neue Konzept „an der Messlatte der alten Steinhalle“ messen, warnte Schollmeyer. Dazu gehörten für ihn in den Prozess zwingend auch die Beteiligung engagierter Bürger, der entsprechenden Verbände, der Stiftung Haus des Erinnerns sowie des Freundeskreises und des Altertumsvereins, „die gehören auf alle Fälle an den Tisch“, betonte Schollmeyer.
„Uns ist zugesagt worden, dass unsere schweren Bedenken mitgedacht werden und wir mit am Tisch sitzen“, unterstrich der Verbandsvorsitzende weiter: „Wir beraten jetzt inhaltlich, wie wir möglicherweise einen tragfähigen Kompromiss bekommen.“ Einen „faulen Kompromiss“ dürfe es dabei aber nicht geben, betonte Schollmeyer weiter: „Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, werden wir eventuell auch sagen müssen: Wir können das im Endergebnis nicht mittragen.“
Ampel-Koalition: Umwidmung der Steinhalle im Koalitionsvertrag
Derweil aber scheint die neue Ampel-Koalition Fakten zu schaffen: Im neuen Koalitionsvertrag für die Fortsetzung des Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP heißt es auf Seite 181 unter der Überschrift „Landtag als Ort der gelebten Demokratie weiter stärken“: „Mit einer Reihe von Initiativen wollen wir unsere demokratische Kultur im gesellschaftlichen Alltag erlebbarer machen“, vereinbaren die Koalitionäre, und dazu gehöre auch dies: „Wir wollen die Steinhalle des Landesmuseums zu einem Ort der Demokratie und der politischen Bildung machen.“ Diesen Prozess „werden wir in geeigneter Weise parlamentarisch begleiten und dabei auch modellhaft neue Beteiligungsformate testen wie beispielsweise Bürgerräte oder andere deliberative Ansätze“, heißt es in dem Absatz abschließend.
Die Mainzer FDP kritisierte nun aber ebenfalls die Pläne als unausgegoren: „Das Landesmuseum hat ein klares Profil, das nicht zuletzt durch die Steindenkmäler definiert ist“, sagte FDP-Kreischef David Dietz: „Warum jetzt plötzlich dieses Profil mit einem völlig neuen Themenfeld verwässert werden soll, ist nicht nachvollziehbar.“ Die Debatte um den Erhalt der Steinhalle als Ort römischer Denkmäler finde zu recht statt, die Aufregung darum sei „absolut nachvollziehbar“, sagte Dietz, und kritisierte: „Diese ad-hoc-Entscheidung erscheint ein bisschen arg provinzpossenhaft.“ Das zumal, weil nicht „ersichtlich sei, wie das römische Erbe mit dem eher schnörkellosen Abgeordnetengestühl verbunden werden solle.“
Es sei „begrüßenswert“, wenn der Landtag „Demokratielabore“ einrichten wolle, sagte Dietz weiter, dies gelinge aber doch „am besten dort, wo parlamentarische Demokratie gelebt wird: im echten, neuen Landtag!“ Gleichzeitig kündigte der Vorsitzende de rFDP-Stadtratsfraktion an, die FDP werde sich innerhalb der Koalition für eine „römische Initiative“ stark machen: „Das römische Mainz können und müssen wir noch besser zur Geltung bringen“, betonte Dietz. Gemeinsam mit den vielfältigen ehrenamtlichen Akteuren könne man dazu auch die Bewerbung zur Landesgartenschau nutzen.
Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Ärger um die Steinhalle lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zu den Plänen des Landtags haben wir hier aufgeschrieben – die Darstellung des Landtags zu dem Treffen mit den Archäologenverbänden könnt Ihr ausführlich hier noch einmal nachlesen, ebenso den offenen Brief an Ministerpräsidentin Dreyer und weitere Stimmen. Die Online-Petition zum Erhalt der Steinhalle als Präsentationsortes des Römischen Erbes findet Ihr hier bei Openpetition.de. Den Offenen Brief des Historikerverbandes könnt Ihr in voller Länge hier nachlesen.