Heute ist der „International Noise Awareness Day“, oder etwas prosaischer auf Deutsch: Der Tag gegen Lärm. Wobei es der englische Titel deutlich besser trifft: Der 27. April soll darauf aufmerksam machen, wie laut unsere Umgebung geworden ist – oder vielleicht auch nicht – und welche Gefahren Lärm für die Gesundheit birgt. In Mainz ist das Thema vor allem mit Fluglärm verbunden, und hier klagen Bürgerinitiativen zunehmend: Der Kampf gegen Fluglärm werde von der Politik inzwischen „sträflich vernachlässigt“. Deutschland drohe auf das Lärmniveau von 2019 zurückzufallen – das dürfe nicht passieren.

Messgerät zum Dokumentieren von Fluglärm am Frankfurter Flughafen. - Foto: gik
Messgerät zum Dokumentieren von Fluglärm am Frankfurter Flughafen. – Foto: gik

Der „Tag gegen Lärm“ wurde von der Deutschen Gesellschaft für Akustik e.V. (DEGA) ins Leben gerufen, sie will damit über Ursachen, Wirkung und Bekämpfung von Lärm aufklären. Lärm, wissen Forscher inzwischen, kann eine hohe Belästigung darstellen, ja, sogar die Gesundheit gefährden: Lärm verursacht Stress im Körper, und das hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Zellen im Körper: Schon 2013 wies das Team um den Mainzer Chefkardiologen Professor Thomas Münzel nach, dass gerade nächtlicher Fluglärm das Stresshormon Adrenalin erhöht, die Schlafqualität vermindert und Gefäßschäden auslöst – sogar ein bestimmtes Enzym identifizierten die Forscher, das für die Gefäßschäden zuständig ist.

Die Erkenntnisse sorgten immerhin dafür, dass der Frankfurter Flughafen ein nachtflugverbot bekam, das allerdings nur zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens gilt – die Folge: Ab kurz vi 5.00 Uhr dröhnen regelmäßig die ersten Flieger über die noch nachtschlafenen Häuser in Mainz und Umgebung – oder eben über den Anfluggebieten im Osten des Flughafens. Dann kam die Corona-Pandemie, und das Einbrechen des internationalen Flugbetriebs bescherte den Bewohnern in Rhein-Main überhaupt nicht mehr bekannte Ruhephasen und wunderschöne Gartenerlebnisse.

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In den vergangenen zwei Jahren habe es in der Umgebung vieler Flughäfen deutlich „wahrnehmbare Lärmpausen“ gegeben, stellte Carl Ahlgrimm, Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V. (BVF), fest: „Plötzlich waren in den frühen Morgen- und späten Abendstunden wieder Vögel zu hören, anstatt vom Donnern der Triebwerke geweckt oder am Einschlafen gehindert zu werden.“ Forscher der Universität Kraklau stellten daraufhin fest: „Als während der Corona-Pandemie die Flugzeuge am Flughafen Krakau am Boden blieben, verbesserte sich bei den Anwohnern unerwartet die Gefäßgesundheit“, berichtet Ahlgrimm: „Die Anwohner fühlten sich nicht nur weniger durch den Lärm belastet, auch der Blutdruck und die Gefäßsteifigkeit nahmen ab.“

Geparkte Flugzeuge während der Corona-Pandemie auf der Nordwest-Landebahn in Frankfurt. - Foto: Fraport
Geparkte Flugzeuge während der Corona-Pandemie auf der Nordwest-Landebahn in Frankfurt. – Foto: Fraport

Doch damit ist es inzwischen vorbei: Gerade in den Osterzeit dröhnte es über den Köpfen der Mainzer bei Ostwind wieder in gar nicht mehr gekanntem Ausmaß – der Fluglärm ist zurück, und nimmt seit diesem Monat wegen des Kriegs in der Ukraine, aber auch wegen neuer Luftkontrollsysteme weiter zu. Die Initiative gegen Fluglärm in Rheinhessen klagt nun zum Tag gegen Lärm: Die Politik vernachlässige den Kampf gegen Fluglärm inzwischen sträflich.

„Die erwiesene Tatsache, dass Lärm krank macht, dass jedes Jahr Zehntausende schwer erkranken und Tausende wegen Lärm vorzeitig sterben müssen, hätte längst wirkungsvolle politische und gesetzliche Gegenmaßnahmen zur Folge haben müssen“, kritisierte Knut Dörfel, einer der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen (BBI), die sich vor allem seit dem Ausbau der Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughafen gegen den wachsenden Fluglärm in der Region stemmen.

 

„Die Gesundheitsbelastung und das Leid der Anrainer bis weit hinein nach Rheinhessen ist auch 10 Jahre nach Eröffnung der Landebahn Nordwest unerträglich“, kritisiert die rheinhessische BI weiter. Besonders in den Nachtrandstunden von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr und von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr sei die Gesundheitsbelastung durch zahlreiche Überflüge enorm. „Laut Gericht steht den Menschen unter den Flugrouten für die Randstunden An- und Abschwellen des Flugverkehrs zu“, betonte Dörfel, „aber seit Jahren wird das einfach nicht umgesetzt.“

Flieger über Raunheimer Häusern im Anflug auf Frankfurt: Dröhnen über dem Haus. - Foto: gik
Flieger über Raunheimer Häusern im Anflug auf Frankfurt: Dröhnen über dem Haus. – Foto: gik

Das Gegenteil sei der Fall: Immer mehr Überflüge würden genau in diese Randzeiten gelegt, oft komme auch genau dann das lauteste Fluggerät zum Einsatz. Das liegt auch daran, dass gerade Billigfluglinien diese Nachtrandstunden gerne nutzen, um Geld zu sparen, und das, obwohl gerade Frankfurt die Gebühren für diese Stunden deutlich erhöht hat. „Es ist Aufgabe der Politik, unseren Volksvertretern, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Gesundheit aller sowie das Klima zu schützen“, forderte deshalb Dörfel nun: „Die schädlichen Emissionen aus dem Luftverkehr müssen konsequent reduziert und gestoppt werden.“

Zum „Tag gegen Lärm“ fordert die BI gegen Fluglärm deshalb erneut ein konsequentes Nachtflugverbot von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens sowie ein Verbot von Kurzstreckenflügen. Zum 27. April schrieb die BI deshalb auch einen Offenen Brief an Vertreter der Politik mit ihren Forderungen. Auch die Bundesvereinigung gegen Fluglärm mahnt: Seit Wochen nähmen die Flugbewegungen in Deutschland wieder deutlich zu. Der Flugreiseverkehr in den Ostertagen habe sogar zu Belastungsspitzen geführt, die teilweise sogar die Werte aus 2019 übertrafen.

 

Plakat einer Fluglärm-Demo aus dem November 2014. - Foto: BI Fluglärm
Plakat einer Fluglärm-Demo aus dem November 2014. – Foto: BI Fluglärm

„Wer sich in seinen Lärmaktionsplänen für Lärmschutz nachts an der Straße einsetzt, der darf sich der gesetzlichen Nachtruhe zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr an den Flughäfen nicht verschließen“, forderte Ahlgrimm deshalb. In Deutschland litten rund 40 Prozent der Bevölkerung unter Fluglärm, Fluglärm stehe für ein hohes Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkte zu erleiden, erinnert Ahlgrimm – und bei Kindern im Umkreis von Flughäfen wurden Konzentrations- und Lernschwierigkeiten nachgewiesen.

 

„Wir müssen die Anzahl der Flugbewegungen deutlich reduzieren“, sagte der Lärmgegner, dabei müsse das Augenmerk besonders auf die Kurzstreckenflüge gerichtet werden. „Ohne Komfort- und Zeitverlust können diese bereits heute durch die Bahn ersetzt werden“, betonte Ahlgrimm, und forderte: Es liege auch an den Reisenden, ihren Beitrag zu leisten. „Jeder Flug, auf den verzichtet wird, erspart Lärm und schont das Klima“, resümiert Carl Ahlgrimm.

Info& auf Mainz&: Im Nachklapp zum internationalen Tag gegen Lärm lädt die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft am 04. Mai 2022 von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr Jugendliche in Mainz zum Aktionstag in Sachen Lärm am Arbeitsplatz ein, Infos dazu hier im Internet. Mehr zur Frage, wieso Rheinhessen in den kommenden Monaten deutlich mehr Fluglärm droht, lest Ihr hier auf Mainz&:

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