Können die neuen Auflagen für Fastnachtswagen den Mainzer Rosenmontagszug kippen? Genau damit drohte am Donnerstag der Präsident des Mainzer Carneval-Vereins (MCV): Am Wochenende stehe die TÜV-Prüfung für die Motiv- und Komiteewagen an, sagte MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig, und drohte: Sollte dabei die Hälfte der Wagen keinen TÜV erhalten, „dann werden wir im nächsten Jahr keinen Rosenmontagszug mehr veranstalten.“ Hintergrund sind neue Bestimmungen zur Genehmigung von Fastnachtswagen, und auch die Absagen wegen Sicherheitsauflagen gehen weiter. Die CDU forderte nun: Das Land müsse sich an den Kosten für die Sicherheit bei Umzügen und Festen beteiligen.

Fastnachtswagen an Rosenmontag in Mainz. - Foto: gik
Fastnachtswagen an Rosenmontag in Mainz. – Foto: gik

Es sind gleich zwei neue Richtlinien, die den Fastnachtsvereinen in diesem Jahr den Angstschweiß auf die Stirn treiben – und die bereits zu etwa einem Dutzend von Absagen von Fastnachtsumzügen geführt haben. Richtlinie Nummer eins ist das geänderte Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG), das im Mai 2021 geändert wurde, seither ächzen die Fastnachtsvereine unter erheblich erhöhten Sicherheitsauflagen.

Richtlinie Nummer zwei aber betrifft die Fastnachtswagen in den Umzügen: Hier greift in diesem Jahr erstmals ein Erlass aus dem Mainzer Verkehrsministerium, der schon aus dem Oktober 2018 stammt, nun aber auch wegen der Corona-Pandemie erstmals voll zur Anwendung kommt. Und dieser Erlass kippt die bisher üblichen „Brauchtumsgutachten“ für die Fastnachtswagen, und schreibt stattdessen eine amtliche TÜV-Untersuchung vor. Und genau deswegen schlägt nun der Mainzer MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig Alarm.

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Schaffen die Fastnachtswagen die TÜV-Prüfung?

„Wir haben am Samstag eine große Prüfung unserer MCV-Fastnachtswagen durch den TÜV“, sagte Schönig – ebenfalls CDU-Politiker in Mainz – am Donnerstag auf einer Anhörung der CDU-Landtagsfraktion in Mainz: „Dann werden wir feststellen, wie viele Wagen von den zukünftigen Anforderungen her noch genehmigungsfähig sind.“ Und Schönig hegt da große Zweifel: Die meisten der Motiv- und Komiteewagen des MCV seien bereits 20 Jahre alt, und auch wenn sie gut in Schuss seien – die Anforderungen einer modernen TÜV-Prüfung könnten sie gar nicht bestehen.

Fürchtet um die Fastnachtswagen an Rosenmontag: MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig. - Foto: gik
Fürchtet um die Fastnachtswagen an Rosenmontag: MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig. – Foto: gik

Er habe vergangene Woche deswegen einen Termin im Mainzer Verkehrsministerium gehabt, berichtete Schönig nun, dort habe man ihm versichert, „so schlimm ist das alles gar nicht.“ Doch das Ministerium habe in seinem Erlass vom Oktober 2018 klar geregelt, dass die bisherige Form eines Brauchtumsgutachtens in Zukunft nicht mehr ausreiche – und daran halte das Ministerium auch weiter fest, kritisierte Schönig: „Wir müssen künftig TÜV-Prüfungen absolvieren, aber es ist völlig klar, dass wir die TÜV-Prüfungen nicht bestehen.“

Die Prüfer seien schließlich an ihre Vorschriften gebunden, und dazu gehörten etwa auch Abgas- und Lichttest, sagte Schönig weiter, und nimmt als Beispiel den Lichttest: „Unsere Wagen sind nur an einem Tag unterwegs und werden von morgens bis etwa 15.00 Uhr bewegt – die haben überhaupt kein Licht“, erklärt Schönig: „Da ist die Frage, ob sie den Lichttest bestehen, schon beantwortet.“ Und der MCV-Präsident droht: „Wenn die Hälfte der Wagen jetzt nicht mehr genehmigt werden – dann werden wir im nächsten Jahr keinen Rosenmontagszug in Mainz veranstalten.“

Erlass wegen Weinbergsfahrten geändert

Was Schönig besonders ärgert: Der Erlass von 2018 sei eigentlich deswegen verschärft worden, um Weinbergs-Rundfahrten sicherer zu machen – tatsächlich hatte es kurz zuvor mehrere schwere Unfälle, zum Teil auch mit tödlichem Ausgang, gegeben. „Man hat hier zwei Dinge miteinander vermischt, man wirft Äpfel und Birnen in einen Topf“, kritisiert Schönig: „Mann hat da einfach nicht sauber gearbeitet.“

Fastnachtswagen des KCK am Rosenmontag auf der Kaiserstraße in Mainz. - Foto: gik
Fastnachtswagen des KCK am Rosenmontag auf der Kaiserstraße in Mainz. – Foto: gik

Beide Veranstaltungen seien doch gar nicht miteinander vergleichbar: Weinbergsfahrten fänden das gesamte Jahr über statt, Fastnachtswagen seien hingegen nur an maximal drei Tagen im Jahr unterwegs – und zwar meist in Städten. „Aber die Fahrzeuge müssen jetzt geeignet sein für eine Steigung von X-Prozent“, schimpfte Schönig, „Wir bewegen uns mit den Wagen im Schritttempo über eine dreispurige Kaiserstraße, und vorne dran laufen drei Sicherheitskräfte, hinten dran auch noch mal drei.“

Das Land argumentiere mit Sicherheit, aber von einem Fahrzeug, das im Schritttempo über eine flache Straße rolle, gehe doch keine so massive Gefahr aus, schimpfte Schönig: „Wenn der liegen bleibt, wird er auf die Seite geschoben – und der Zug rollt weiter.“ Tatsächlich hatte es vor vielen Jahren auch schon Unfälle mit Fastnachtswagen in Mainz gegeben, der wohl schlimmste geschah im Jahr 1988, als ein Kind von einem der schweren Wagen überrollt wurde. Seither werden alle Wagen im Umzug verpflichtend von mehreren Ordnern flankiert – schwere Unfälle gab es seither nicht mehr.

TÜV-Prüfung greift erstmals voll, Umzüge abgesagt

Der neue Erlass hatte bisher nicht gegriffen, weil in den vergangenen zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie keine Fastnachtsumzüge stattfanden. In der Saison 2018/2019 galt hingegen eine Ausnahmeregelung, in diesem Jahr greift die neue TÜV-Prüfung deshalb erstmals in vollem Umfang – und beschert den Vereinen neue Kosten. Die aber ächzen jetzt schon unter den neuen Vorschriften für Sicherheitsauflagen, die sich aus neuen Regelungen des Polizeigesetzes Rheinland-Pfalz für Brauchtumsveranstaltungen ergeben.

Steigende Sicherheitsauflagen bringen inzwischen viele kleine Umzüge zum Kippen. - Foto: gik
Steigende Sicherheitsauflagen bringen inzwischen viele kleine Umzüge zum Kippen. – Foto: gik

„Bei uns wurden bereits eine Menge kleinerer Straßenumzüge deswegen abgesagt“, berichtete nun Jürgen Lesmeister, Präsidenten der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine auf der CDU-Anhörung. Auch bei seinem Heimatverein habe der Umzug wegen neuer Sicherheitsauflagen auf der Kippe gestanden, berichtete er, und nannte ein Beispiel: „Bisher konnten man die Straßen mit PKWs absperren, das geht jetzt nicht mehr“, berichtete Lesmeister.

Durch die Auflagen des Ordnungsamtes müsse der verein nun neue, mit Wasser gefüllte Container, sogenannte „Indutainer“, aufstellen. „16.000 Euro würden die Indutainer kosten,  das könnten wir uns nicht leisten“, sagte Lesmeister. Die Kosten würden nun von der Stadt übernommen, in anderen Kommunen sei das aber nicht der Fall. „Die Kreisordnungsbehörden gehen da ganz unterschiedlich vor“, kritisierte er zudem, „das ist ein Riesenproblem.“ Und es sei ja nicht so, als hätten die Vereine bisher nicht auf die Sicherheit geachtet, betonte der Fastnachter: „Sicherheitskonzepte hatten wir all die Jahre zuvor auch schon.“

Professionelle Securitykräfte jetzt verpflichtend, Gefahr für Weinfeste

Doch nun müssten bei den Begleitpersonen des Umzugs auf einmal professionelle Security-Kräfte die bewährten Ehrenamtlichen ersetzen: „Jetzt soll eine Firma beauftragt werden – da kommen wieder Tausende von Euro an Kosten dazu“, seufzte Lesmeister. Eine Begründung dafür habe es von Seiten des Ordnungsamtes nicht gegeben: „Das wurde einfach so angeordnet.“ Hintergrund ist eine neue Vorschrift im Polizeigesetz, hier heißt es nun, Veranstalter hätten einen Ordnungsdienst „oder Wachpersonen eines gewerblichen Bewacherunternehmens“ vorzusehen – es wird also ein gewerblicher Profidienst vorgeschrieben. Das aber können sich viele kleinere Veranstalter oder ehrenamtlich arbeitende Vereine schlicht nicht leisten.

Polizei an Rosenmontag in Mainz. - Foto: Polizei RLP
Polizei an Rosenmontag in Mainz. – Foto: Polizei RLP

Anette Kloos, Vorsitzende des Vereins Loschter Handkeesfescht, fürchtet deshalb um die Zukunft nicht nur von Fastnachtsumzügen – sondern auch von zahlreichen Weinfesten. Denn die Änderungen des POG würden dazu führen, dass große Vereinsveranstaltungen nur noch mit hohen Kosten, steigenden Versicherungsprämien und zudem mit persönlichen Haftungsrisiken für die Vorstände verbunden seien, kritisierte Kloos: „Ich würde mich dann als Ehrenamtler nicht mehr zur Verfügung stellen, und den Kopf hinhalten.“ Das aber bedrohe auch die zahllosen Weinfeste etwa entlang der Deutschen Weinstraße, warnte sie.

Für die CDU liegt das Problem im Polizeigesetz des Landes: Die Aussagen im POG seien viel zu schwammig gehalten, kritisierte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf. Tatsächlich heißt es in den rechtlichen Auslegungen des Landes zum neu gefassten Paragraph 26 des POG, der die „Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr von Veranstaltungen unter freiem Himmel“ regelt: Ein Konzept sei je nach „der von der Veranstaltung ausgehenden Gefahren“ nötig. Zur Identifizierung eines Gefahrenpotenzials reicht es aber schon aus, wenn bei den Besuchern ein erhöhter Alkoholkonsum oder ein Gedränge auf dem Festgelände zu erwarten ist – das schließt im Prinzip jedes Fest vom Weinfest bis hin zur Fastnachtsveranstaltung ein.

„Unsicherheit für Vereine und Veranstalter geschaffen“

„Man hat Unsicherheit für die Vereine und die Veranstalter geschaffen – durch ein Gesetz, das eigentlich Klarheit schaffen sollte“, kritisierte CDU-Innenpolitikexperte Dirk Herber. Das Ergebnis sei nun: „Habe ich einen guten, mutigen Ordnungsamtsleiter, bekomme ich andere Veranstaltungen genehmigt, als wenn ich einen ängstlichen habe.“ Das Land habe aber alle Änderungsvorschläge im vergangenen November im Landtag strikt abgelehnt, kritisierte Herber: „Die Landesregierung lässt die Kommunen und die Vereine vor Ort im Stich.“

Wegen der hohen Sicherheitsauflagen wurden 2022 auch schon einige Weinfeste abgesagt., - Foto: gik
Wegen der hohen Sicherheitsauflagen wurden 2022 auch schon einige Weinfeste abgesagt., – Foto: gik

Die CDU ist zudem nicht die allein mit ihrer Kritik: Auch die Freien Wähler (FW) hatten bereits die explodierenden Sicherheitskosten für die Vereine und die neuen Auflagen im POG deutlich kritisiert, man sei aber bei den Fraktionen der Ampel-Regierung „auf taube Ohren gestoßen“, klagte FW-Fraktionschef Joachim Streit erst kürzlich wieder. Erst vergangene Woche hatte Innenminister Michael Ebling (SPD) Änderungen am POG im Interview mit dem SWR klar abgelehnt – obwohl Ebling EX-OB der Fastnachtshochburg Mainz ist.

Die CDU macht das POG nun im kommenden Innenausschuss Ende Januar zum Thema, bereits kommende Woche muss der Landtag aber über das Thema debattieren – auf Antrag der AfD. Schon 2022 sei es wegen des neuen POG zur Absage vieler kleinerer Veranstaltungen gekommen, betonte der Parlamentarische Geschäftsführer, Jan Bollinger: „Um bei Unfällen nicht in Regress genommen werden zu können, haben kommunale Verwaltungen verstärkt Gebrauch von der Möglichkeit im POG gemacht, Sicherheitskonzepte von Veranstaltern zu fordern, die viele finanziell nicht stemmen konnten.“

Schönig: Staat muss Kosten für Sicherheit übernehmen

Leider aber habe sich „die Landesregierung bisher einer konstruktiven Lösung im Sinne unserer Bürger verweigert, die Folgen sehen wir jetzt“, kritisierte Bollinger: „Viele Feste können zukünftig dem Paragraph 26 POG zum Opfer fallen, wenn sich nichts ändert.“ Die AfD habe vorgeschlagen, die Begründung einer konkreten Bedrohungslage auf der Basis der Erfahrungen der vergangenen Jahre oder aktueller Erkenntnisse zur Voraussetzung für ein Sicherheitskonzept zu machen. „So würde man die Absage vieler Veranstaltungen verhindern“, betonte Bollinger.

Der Staat soll die Kosten für Sicherheit an Fastnacht übernehmen, fordert MCV-Präsident Schönig. - Foto: gik
Der Staat soll die Kosten für Sicherheit an Fastnacht übernehmen, fordert MCV-Präsident Schönig. – Foto: gik

Schönig forderte nun die Übernahme der Sicherheitskosten durch die öffentliche Hand: „Die öffentliche Hand muss bei solchen Festen die Kosten für die Sicherheit übernehmen“, sagte der MCV-Präsident: „Alle Maßnahmen, die im Sicherheitskonzept gefordert sind, plus die Erstellung des Konzeptes selbst, sind Kosten der Sicherheit – und die müssen von der Kommune übernommen werden. Die Kommune müsse das sich dann mit dem Land teilen, „dann wäre, glaube ich, ganz vielen geholfen“, betonte Schönig.

Der MCV müsse in diesem Jahr allein für Security an den närrischen Tagen 110.000 Euro hinblättern, rechnete er weiter vor. Sicherheitskonzepte und -maßnahmen seien notwendig, „aber es kann nicht sein, dass das alles von Ehrenamtlichen getragen wird“, betonte Schönig, und fügte hinzu: „Wenn bei Mainz 05 ein Risikospiel ansteht, da werden dann besonders starke Sicherheitsmaßnahmen aufgefahren – da zahlt auch nicht Mainz 05 für.“

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