Wird das „Brauchtum Karneval“ – oder eben Fastnacht – durch überhöhte Sicherheitsauflagen des Landes Rheinland-Pfalz ruiniert? Die Sorge äußerte nun Hans Mayer, Präsident der Rheinischen Karnevals-Kooperationen (RKK), der Grund: Ein neues Polizeigesetz hat seit Anfang 2021 die Auflagen für Feste und Umzüge massiv verschärft. Die Konsequenz: Zahlreiche Städte in Rheinland-Pfalz haben in diesem Jahr ihre Fastnachtsumzüge abgesagt, weil die Kosten nicht mehr zu stemmen seien. Kritik kommt von CDU und Freien Wählern, Innenminister Michael Ebling (SPD) lehnt hingegen Änderungen am POG ab. In Mainz gibt es derweil mehr Geld – zumindest ein bisschen.

Kritisiert die Höhe der Unterstützung der Stadt Mainz für den Mainzer Rosenmontagszug: MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig. - Foto: gik
Kritisiert die Höhe der Unterstützung der Stadt Mainz für den Mainzer Rosenmontagszug: MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig. – Foto: gik

Vergangenen Sonntag hatte der Präsident des Mainzer Carneval-Vereins (MCV) im Rahmen des Neujahrsumzug der Mainzer Garden einen Weckruf an die Stadt Mainz losgelassen, am Dienstag erklärte Hannsgeorg Schönig im Interview mit Mainz&: Die Fastnacht brauche dringend mehr Unterstützung von Seiten der Stadt Mainz. Die Sicherheitsauflagen für den Rosenmontagszug seien in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, die Kosten hätten sich verdreifacht – auf mittlerweile rund 150.000 Euro.

Mainz ist beileibe nicht die einzige Stadt, in der es Fastnachtsvereinen so ergeht: Zum Jahresstart 2023 häufen sich nun die Absagen von Fastnachtsumzügen in diesem Jahr. Wie der SWR berichtet, sagten bereits die Gemeinden Frankenthal, Bellheim, Grünstadt, Bad Dürkheim und Weisenheim am Sand ihre Fastnachtsumzüge ab, bereits Ende 2022 hatte das die Stadt Ludwigshafen getan – und damit immerhin den großen Umzug gemeinsam mit der Nachbarstadt Mannheim gekippt.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

 

Extrem gestiegene Kosten für Sicherheit: Aus für Umzüge

Die Gründe sind überall dieselben: Die extrem gestiegenen Kosten für neue Sicherheitsanforderungen. Die seien „ein erneuter Schlag ins Gesicht der vielen ehrenamtlichen Karnevalisten“, schimpfte nun der Präsident der Rheinischen Karnevals-Kooperationen (RKK), Hans Mayer, und warnte: „Mit den teilweise völlig überzogenen Auflagen werden Karneval und Brauchtum mutwillig zerstört.“ Das Land sei „auf dem besten Weg, das langjährige Kulturgut Karneval und das Brauchtum endgültig zu ruinieren.“

Gedränge beim Festumzug - das verschärft nun die Sicherheitsauflagen massiv. - Foto: gik
Gedränge beim Festumzug – das verschärft nun die Sicherheitsauflagen massiv. – Foto: gik

Hintergrund der Schelte ist eine Neuauflage des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) vom Mai 2021, und hier vor allem der Paragraph 26, der die „Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr von Veranstaltungen unter freiem Himmel“ regelt. Danach kann nun auch für einen Veranstaltung mit weniger als 5.000 Besuchern von den Ordnungsbehörden ein Sicherheitskonzept verlangt werden – was offenbar viele Behörden jetzt auch tun, aus Angst, ansonsten belangt zu werden. Zumal es in der rechtlichen Auslegung des Landes heißt: Ein Konzept sei je nach „der von der Veranstaltung ausgehenden Gefahren“ nötig.

Sicherheitskonzepte aber kosten die Veranstalter viel Zeit und vor allem auch viel Geld, dazu schreibt das neue POG jetzt auch Sicherheitsdienste eines gewerblichen Anbieters bei Großveranstaltungen vor – der jetzt auch bei kleineren Events verlangt werden kann. Zur Identifizierung eines Gefahrenpotenzials reicht es zudem nun schon aus, wenn bei den Besuchern ein erhöhter Alkoholkonsum oder ein Gedränge auf dem Festgelände zu erwarten ist – das schließt im Prinzip jedes Fest vom Weinfest bis hin zur Fastnachtsveranstaltung ein.

 

Freie Wähler sehen Brauchtum und Weinfeste in Gefahr

Der Absatz mache mit seinen hohen Sicherheitsvorkehrungen „vielen Veranstaltern im Vorhinein den Garaus“, kritisieren nun die Freien Wähler im Mainzer Landtag. Vereine, Korporationen und Kommunen scheuten vor den hohen Auflagen zurück, deren Umsetzung viel Geld koste: Absperrzäune, Parkplätze und Straßensicherungen summierten sich für die Veranstalter schnell auf etliche tausend Euro, bei den Umzügen in den großen Karnevalshochburgen müsse gar von sechsstelligen Summen ausgegangen werden – vom erhöhten Personalaufwand ganz zu schweigen.

„Nach vielen traditionellen Sommerveranstaltungen wie etwa den zahlreichen Weinfesten oder Festumzügen laufen wir nun Gefahr, mit den Fastnachtsumzügen ein weiteres Stück unseres Brauchtums zu verlieren“, kritisierte Joachim Streit, Fraktionschef der Freien Wähler: „Die Kosten zur Umsetzung der erhöhten Sicherheitsauflagen lassen sich für die Vereine wirtschaftlich einfach nicht mehr erfüllen.“ Die Freien Wähler hatten das bereits im November im Mainzer Landtag zum Thema gemacht, man sei bei den Fraktionen der Ampel-Regierung jedoch „auf taube Ohren gestoßen“, klagte Streit.

Alkohol und Gedränge - das betrifft auch jedes Weinfest. - Foto: gik
Alkohol und Gedränge – das betrifft auch jedes Weinfest. – Foto: gik

Nun gebe es jeden Tag neue Absagen traditionsreicher Fastnachtsumzüge, kritisierte Streit, und fragte: „Wie soll unser Vereins- und Kulturleben zukünftig funktionieren und aussehen, wenn solche überhöhten Auflagen erfüllt werden müssen?“ Wenn die Landesregierung wirklich die Vereine und die ehrenamtliche Arbeit stärken wolle – warum mache sie dann solche Gesetze? „Sicherheit und Ordnung müssen zwar umfassend gewährleistet sein, jedoch in eine angemessene Relation zu Organisation und Durchführung gebracht werden, so dass diese nicht faktisch unmöglich werden“, betonte FW-Rechtsexperte Stephan Wefelscheid.

Auch die CDU-Landtagsfraktion zeigte sich besorgt über die zunehmende Zahl von Absagen: „Brauchtumsveranstaltung, insbesondere Fastnachtsumzüge, sind ein prägender Bestandteil der rheinland-pfälzischen Lebensart und Kultur“, sagte Innenpolitik-Experte Dirk Herber. Bei den Absagen spielten vor allem die aus den neuen Sicherheitsauflagen resultierenden Kosten – etwa für zusätzliches Sicherheitspersonal, Absperrgitter, Parkplätze, und Technik – eine Rolle: „Für viele Kommunen, aber auch für betroffene Vereine, sind die Kosten oft nicht tragbar“, kritisierte Herber.

Ebling lehnt POG-Änderung ab: „Vereine werden sich umstellen“

Die CDU will das Thema deshalb im nächsten Innenausschuss des Mainzer Landtags besprechen. „Es muss ein vernünftiger Ausgleich zwischen berechtigten Sicherheitsinteressen und dem Schutz von Brauchtumsveranstaltungen gefunden werden.“, forderte Herber: „Wir erwarten von der Landesregierung ganz konkrete Lösungsansätze.“

Innenminister Michael Ebling (SPD) im SWR-Interview zu den Absagen von Fastnachtsumzügen wegen extrem gestiegener Sicherheitskosten. - Screenshot: gik
Innenminister Michael Ebling (SPD) im SWR-Interview zu den Absagen von Fastnachtsumzügen wegen extrem gestiegener Sicherheitskosten. – Screenshot: gik

Innenminister Michael Ebling (SPD) hatte solche allerdings gerade erst vermissen lassen: Ja, die Sicherheitsauflagen hätten sich in den vergangenen Jahren „nach oben entwickelt“, sagte Ebling in einem Interview mit dem SWR, es habe dafür aber auch Anlässe gegeben, sagte Ebling – und verwies auf das Drama der Love Parade sowie auf Anschläge auf den Weihnachtsmarkt in Berlin oder den Rosenmontagszug im nordhessischen Volkmarsen. Es gehe um die Sicherheit der Bürger, „das ist wichtig, und am Ende des Tages auch teuer“, räumte der Minister ein.

„Die Vereine werden sich ein Stück weit umstellen“, sagte Ebling weiter – doch Moderator Sascha Becker hakte nach: Die Vereine würden nun ihre Veranstaltungen absagen, ob er denn in Kauf nehmen wolle, dass wichtige Brauchtumsveranstaltungen kaputt gingen? „Das POG schafft Rahmenbedingungen, aber Entscheidungen müssen am Ende immer von den örtlichen Ordnungsbehörden getroffen werden, wiegelte Ebling ab – und lehnte Änderungen am POG ab: Ein Landesgesetz müsse neue Entwicklungen in der Gefahrenlage berücksichtigen. „Wir müssen für sichere Rahmenbedingungen sorgen, alles andere wäre grob fahrlässig“, betonte Ebling.

 

Mainz: mehr Geld von der Stadt für Rosenmontag

Eine schnelle Lösung für die Vereine ist damit offenbar nicht in Sicht, in Mainz zeichnete sich am Freitag wenigstens eine kleine Hilfestellung ab: Bürgermeister Günter Beck (Grüne) kündigte an, den Zuschuss der Stadt Mainz nun doch auf 75.000 Euro erhöhen zu wollen – bislang hatte Beck den Zuschuss der Stadt zu den Sicherheitskosten des Rosenmontagszuges auf 50.000 Euro belassen wollen, trotz der enorm gestiegenen Kosten für den orqanisierenden MCV.

Der Aufwand für die Sicherheit an Rosenmontag in Mainz ist bereits enorm - die Kosten sind es auch. - Foto: gik
Der Aufwand für die Sicherheit an Rosenmontag in Mainz ist bereits enorm – die Kosten sind es auch. – Foto: gik

Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin und OB-Kandidatin der CDU, Manuela Matz, kündigte an, sie wolle als Oberbürgermeisterin für finanzielle Sicherheit des Mainzer Rosenmontagszuges sorgen. „Die Mainzer Fastnacht ist eines der wichtigsten Kulturgüter und ein großer Wirtschaftsfaktor für die Stadt“, betonte Matz.

Finanziert werde der Rosenmontagszug aber durch den Mainzer Carneval-Verein, der für die Durchführung Jahr für Jahr „von einer Einmal-Zuwendung des Oberbürgermeisters abhängig ist“, betonte die Dezernentin. Das wolle sie ändern: Sie werde sich für „eine vernünftige Unterstützungshöhe einsetzen, und eine langjährige Vereinbarung mit dem MCV schließen, und damit langfristig Planungssicherheit schaffen“, kündigte Matz an.

Bei einer Umfrage in einer auf Mainzer Fastnacht spezialisierten Facebook-Gruppe gaben übrigens 86 Prozent von 122 Teilnehmern an, die finanzielle Unterstützung der Stadt Mainz für die Fastnachtsumzüge sei nicht ausreichend. Nur 14 Prozent der Mitglieder der Gruppe „Mainzer Narren steh’n zusammen“ waren der Auffassung, die Stadt Mainz tue hier genug.

Info& auf Mainz&: Das ganze SWR-Interview mit Innenminister Ebling zum POG könnt Ihr Euch selbst ansehen – hier im Internet. Das Mainz&-Interview mit MCV-Präsident Schönig findet Ihr hier.

Anmerkung&: Wir hatten bei der Stadt Mainz auch ein Statement von Bürgermeister Beck sowie weitere Details zu den Kostend er Stadt für Rosenmontag angefragt – leider haben wir keine Antwort erhalten. An der Pressekonferenz der Stadt konnten wir am Freitag wegen einer Grippe-Erkrankung nicht teilnehmen – eine Pressemitteilung zu dem Thema oder etwa eine Antwort auf unsere Anfrage gab es indes nicht.