Die Affäre um Einladungen, Vergünstigungen und bezahlte Reisen des Wiesbadener Oberbürgermeisters Sven Gerich (SPD) ist offenbar noch lange nicht zuende – und nun schwappt das Ganze auch noch über den Rhein nach Mainz: Gerich nämlich lud kurz vor Weihnachten 2017 seinen Mainzer Amtskollegen Michael Ebling (SPD) samt Ehepartnern zu einem fürstlichen Weihnachtsessen, man tafelte üppig, genehmigte sich den teuersten Wein – am Ende beglich Gerich die Rechnung von 1.019 Euro mit der städtischen Kreditkarte. „Jahresabschlussessen“ stand auf der Abrechnung des üppigen Diners, das nun der „Wiesbadener Kurier“ öffentlich machte. Ebling beteuert, er sei von einem privaten Essen ausgegangen, Gerich jedoch betont, es habe „auch dienstliche Bestandteile des Essens“ gegeben. Nach bisherigem Stand will Gerich trotz allen Ärgers am Freitag zur Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ kommen.
Die beiden Oberbürgermeister Gerich und Ebling pflegen seit langem eine enge Freundschaft. Praktisch seit Amtsantritts Gerichs 2014 besuchte man sich viel, Gerich war gerne auf Festen in Mainz unterwegs – Johannisnacht, Weinfeste, so viel Besuch zwischen beiden Seiten war nie. Auch zur Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ kam Gerich jedes Jahr und amüsierte sich sichtlich – trotz der vielen Witze auf Wiesbadener Kosten. Für ein bundesweites Raunen sorgten die beiden Stadtchefs, als sie sich 2014 bei „Mainz bleibt Mainz“ vor laufenden Kameras gar über den Tisch hinweg umarmten und küssten – beide OBs sind homosexuell und stehen auch offen dazu. Beide sind zudem mit Ehepartnern liiert.
Doch was am Dienstag der „Wiesbadener Kurier“ veröffentlichte, sorgt für heftiges Kopfschütteln in Mainz: Für ein „Jahresabschlussessen“ lud Gerich kurz vor Weihnachten 2017 den Kollegen Ebling samt der jeweiligen Partner zum „Dinner für Vier“ in die edle „Villa im Tal“, eine historische Fachwerkvilla im Adamstal bei Wiesbaden, einst eine Sommerresidenz von Kaiser Wilhelm II..
Dem Zeitungsbericht zufolge, ließ man es sich gut gehen: ein dreigängiges Festmenü nebst Aperitif und Verdauungsschnäpsen, dazu vier Flaschen Wein und eine Flasche Champagner. Der teuerste Rotwein des Hauses kam auf den Tisch, zwei Flaschen zu je 158,- Euro das Stück. „Die Rechnung für die oberbürgermeisterliche Sause betrug 1019,70 Euro – bezahlt mit der Kreditkarte der Stadt Wiesbaden“, schreibt der „Kurier“.
Gerich selbst dementierte das auch gar nicht, das gemeinsame Tafeln der beiden Stadtchefs hat Tradition: Schon seit 2014 laden die beiden Oberbürgermeister sich regelmäßig zu Jahresabschlussessen ein, die jeweils im Wechsel bezahlt wurden. In den Jahren 2014 und 2016 habe er Sven Gerich samt dessen Ehemann eingeladen, auch sein eigener Partner sei dabei gewesen, teilte Ebling auf Anfrage von Mainz& mit.
Ebling betont zugleich, die jeweiligen Mainzer Rechnungen habe er privat bezahlt und nicht über die Stadt Mainz abgerechnet. 2015 und 2017 sei Gerich der Gastgeber gewesen, 2018 habe aus terminlichen Gründen kein Jahresabschlussessen stattgefunden. Dass Gerich das 2017er-Essen über die Stadt Wiesbaden abgerechnet habe, „war mir nicht bekannt“, betonte Ebling weiter: „Die Höhe der Rechnung war mir nicht bekannt, der Rechnungsbetrag ist nicht angemessen.“ Weil es sich aber „aus meiner Sicht um eine private Einladung gehandelt hat, habe ich, den üblichen Gepflogenheiten entsprechend, auch nicht nach den Kosten für das Essen gefragt.“
Essenseinladungen und dienstlich veranlasste Bewirtungen seien bei Oberbürgermeistern durchaus üblich, heißt es derweil in beiden Pressestellen in Mainz und Wiesbaden. In Mainz gibt es dafür gar entsprechende „Verfügungsmittel“ im Haushalt der Stadt, das entspreche im Übrigen den Vorgaben der Gemeindehaushaltsverordnung Rheinland-Pfalz, betont ein Sprecher. Ebling selbst sagte, er habe in den vergangenen Jahren „durchschnittlich 3.750 Euro pro Jahr für dienstlich veranlasste Bewirtungen abgerechnet.“
Gerich habe in den sechs Jahren seiner Amtszeit im Schnitt 3.900 Euro pro Jahr für Geschäftsessen ausgegeben, sagte eine Sprecherin in Wiesbaden auf Anfrage. Die städtische Kreditkarte sei im Übrigen auf Ausgaben von 2.500 Euro pro Monat gedeckelt. Gerich selbst beglich zwei Tage nach Bekanntwerden der Weihnachtssause die 1.019 Euro aus seiner Privatkasse, dazu zwei weitere gemeinsame Essen zu 310,- Euro und 275,- Euro. Er habe das Geld beglichen, „obwohl es auch dienstliche Themen als Bestandteil des Gesprächs gegeben habe“, zitiert ihn der Wiesbadener Kurier weiter: um die Citybahn sei es dabei unter anderem gegangen.
Vor vier Wochen hatte Gerich völlig überraschend verkündet, sich nicht Ende Mai zur Wiederwahl als Oberbürgermeister zu stellen, nachdem massive Vorwürfe wegen diverser Einladungen, auch zu Urlauben, bekannt geworden waren. Gerich hatte im Januar gesagt, er sei zu Beginn seiner Amtszeit zu „blauäugig“ gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Vorteilsnahme im Amt. In der Mainzer Fastnacht haben Wiesbadener Witze derweil Hochkonjunktur, die Narren lästern mit Wonne über den feierfreudigen OB aus „Filzbaden“. Nach bisherigem Stadt wollte Gerich trotz der Affären am Freitag zur Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ kommen – auf Einladung des Mainzer OB Ebling.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Rückzug Gerichs vom Oberbürgermeisteramt und der gesamten Affäre lest Ihr hier bei Mainz&.