Die Coronakrise sorgt offenbar doch für bessere Luft – zumindest in einem Punkt: Rund um den Frankfurter Flughafen wurde in diesem Frühjahr deutlich weniger Ultrafeinstaub in der Luft gemessen als sonst. Zwischen Ende März und Ende Juni sank die Konzentration der winzigen giftigen Rußpartikel an den Messstationen des Hessischen Landesamtes für Umwelt (HLNUG) um bis zu 68 Prozent. „Wenn weniger oder kaum noch geflogen wird, gehen die Werte zurück“, bilanzierte HLNUG-Präsident Thomas Schmid. Wegen der Corona-Pandemie war der Flugverkehr am Frankfurter Flughafen zeitweise um bis zu 90 Prozent zurückgegangen – die Messungen belegen nun: Die Konzentration von Ultrafeinstaub sank parallel dazu praktisch im gleichen Maße.

Abgase eines startenden Flugzeugs im Jahr 1961 - heute sind die Flieger deutlich sauberer geworden. - Foto: Schwämmlein/Alt
Abgase eines startenden Flugzeugs im Jahr 1961 – heute sind die Flieger deutlich sauberer geworden. – Foto: Schwämmlein/Alt

Damit bestätigt das Hessische Landesamt nun offiziell, was man lange nicht so offen sagen wollte: Es sind die Flugzeuge selbst, die für einen erheblichen Ausstoß von Ultrafeinstaub verantwortlich sind. Die winzigen Rußpartikel im Nanobereich entstehen bei Verbrennungsprozessen in Motoren, Industrieanlagen, aber auch in Kaminen. Beim Land Hessen sah man bis vor gut einem Jahr aber vor allem das Flughafengelände selbst als Ursache, erst im Sommer 2019 räumte man ein: Es seien wohl auch die Flugzeuge selbst, die für die giftigen Partikel in der Luft sorgen.

Diese Erkenntnis wird nun durch den dritten Zwischenbericht des Hessischen Landesamtes zu den Ultrafeinstaubmessungen untermauert: Bei der Auswertung der UFP-Daten wurden für den vom 23. März bis 30. Juni an den Messstationen des HLNUG teilweise 44 bis 68 Prozent weniger UFP-Partikel gemessen als zuvor. Für die Auswertung wurden die Messwerte der Stationen Raunheim, Frankfurt-Schwanheim, Frankfurt-Sachsenhausen und Frankfurt-Oberrad betrachtet. Vor der COVID-19-Pandemie hätten die mittleren UFP-Konzentrationen dort zwischen etwa 8.000 und 11.000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft gelegen, so der Bericht weiter – die höchsten Werte seine dabei in Frankfurt-Schwanheim und die niedrigsten Werte in Raunheim gemessen worden.

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Der unglaublich blaue Himmel ohne Trübung und ohne Kondensstreifen war ein Effekt ds Corona-Lockdowns im Frühjahr. - Foto: gik
Der unglaublich blaue Himmel ohne Trübung und ohne Kondensstreifen war ein Effekt ds Corona-Lockdowns im Frühjahr. – Foto: gik

Während des Lockdowns im Frühjahr gingen dann den Angaben zufolge die mittleren UFP-Konzentrationen in Frankfurt-Sachsenhausen um 18 Prozent zurück, heißt es in dem Bericht, in Frankfurt-Schwanheim sogar um 44 Prozent. „In Frankfurt-Oberrad und Raunheim belief sich die Reduktion der UFP-Konzentration jedoch nur auf etwa sechs bis sieben Prozent“, so der Bericht weiter – die Werte sind allerdings in dieser Absolutheit irreführend. Denn zeitweise wurde auch ein deutlich stärkeres Absinken der UFP-Konzentrationen festgestellt: Die Konzentrationen seien dann besonders stark gesunken, wenn der Wind aus Richtung des Flughafens wehe, heißt es weiter.

Das HLNUG hält damit weiter an der Theorie fest, die giftigen Rußpartikel würden aus Richtung des Flughafens zu den Messstationen „hinüberwehen“, Experten halten diesen Einfluss allerdings im Vergleich zu den direkten Einträgen von Flughäfen aus der Luft für zweitrangig. Im neuen Zwischenbericht heißt es jedoch: Bei Wind aus Richtung Flughafen habe sich die Belastung in Frankfurt-Oberrad um 25 Prozent und in Frankfurt-Sachsenhausen um 37 Prozent verringert. In Raunheim sei bei Wind aus Richtung Flughafen die UFP-Konzentration um 42 Prozent geringer ausgefallen als vor der Pandemie. Den größten Rückgang von 58 Prozent habe man aber an der dem Flughafen nächstgelegenen Station in Frankfurt-Schwanheim gemessen.

Standorte der Messstellen des Hessischen Landesamtes für Umwelt rund um den Frankfurter Flughafen. - Foto: HLNUG
Standorte der Messstellen des Hessischen Landesamtes für Umwelt rund um den Frankfurter Flughafen. – Foto: HLNUG

Doch gleichzeitig räumt der Bericht auch ein: In Raunheim habe „der zusätzliche Beitrag des Flugbetriebs vor der Pandemie und bei den entsprechenden Windverhältnissen zu einer mittleren Erhöhung von etwa 7000 Partikeln pro Kubikzentimeter“ geführt. Während der Pandemie dann seien die Konzentrationen immer dann gesunken, wenn der Wind aus Norden kam – also genau aus der Richtung der Nordwestlandebahn. Die Nordwestlandebahn war während des Lockdowns aber genau für den ausgewerteten Zeitraum komplett für den Luftverkehr geschlossen, die Messergebnisse jetzt bestätigten deshalb die Ergebnisse des zweiten Zwischenberichts, räumt das HLNUG ein: Danach könnten „Landeanflüge bei niedrigen Flughöhen bis etwa 400 Metern einen Beitrag zur Gesamtkonzentration ultrafeiner Partikel leisten.“

Besonders deutlich war der Zusammenhang mit den landenden Flugzeugen denn auch in Frankfurt-Schwanheim: Hier erhöhte sich die Konzentration der UFP-Partikel bei Wind aus Richtung Flughafen vor der Pandemie um durchschnittlich 13.000 Partikel pro Kubikzentimeter, so der HLNUG-Bericht weiter. Während der Pandemie sei dieser „zusätzliche Beitrag“ durch den Flugverkehr deutlich um etwa 75 bis 80 Prozent gesunken, „und ist damit ähnlich stark zurückgegangen wie die durchschnittliche Anzahl der Flugbewegungen“, der rund 80 Prozent betraf. Während des Corona-Lockdowns im März war der Flugverkehr am Frankfurter Flughafen um rund 80 Prozent eingebrochen, für den Oktober meldete Flughafenbetreiber Fraport gerade lediglich 62 Prozent der Flugbewegungen von vor einem Jahr.

Ultrafeinstaubbelastung in Raunheim im Jahr 2016 in Relation zum Flugbetrieb, Auszug aus einer Messreihe von Alt und Schwämmlein. - Grafi: Schwämmlein/Alt
Ultrafeinstaubbelastung in Raunheim im Jahr 2016 in Relation zum Flugbetrieb, Auszug aus einer Messreihe von Alt und Schwämmlein. – Grafi: Schwämmlein/Alt

„Der Luftverkehr hat einen erheblichen Anteil an der Ultrafeinstaub-Belastung in der Umgebung des Frankfurter Flughafens“, betonte denn nun auch HLNUG-Präsident Schmid in aller Deutlichkeit. Die hessische Landesregierung hatte einen Zusammenhang zwischen Flugzeugen und der UFP-Konzentration in der Luft lange heruntergespielt, die Mainzer Ingenieure Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein wiesen indes bereits seit 2015 mit eigenen Messungen rund um den Frankfurter Flughafen nach: Es sind die Überflüge durch die Flugzeuge selbst, die den UFP-Ausstoß maßgeblich verursachen.

Alt und Schwämmlein maßen bei Flugzeug-Überflügen einen Anstieg auf UFP-Konzentrationen von 100.000 bis 200.000 Partikel und mehr, und das regelmäßig und über Tage hinweg. Zum Vergleich: Übliche Silvesterwerte nach dem Feuerwerk zu Jahresbeginn liegen um die 46.000 Partikel, und schon diese gelten als gesundheitsschädlich. Gerade die winzigen ultrafeinen Partikel im Nanobereich stehen im Verdacht, über die Lunge sofort in die Blutbahn und in die Gefäße hineinzugelangen und dort unmittelbar zu Entzündungen führen – mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.

Während des Corona-Shutdowns wurde die Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughafen zum Parkplatz für Lufthansa-Flieger. - Foto: Fraport AG
Während des Corona-Shutdowns wurde die Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughafen zum Parkplatz für Lufthansa-Flieger. – Foto: Fraport AG

Die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden sinkenden Flugzahlen hätten dazu geführt, dass die Belastung durch Ultrafeinstaub deutlich zurückgegangen sei, konstatierte auch die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne): Durch diesen „unfreiwilligen Feldversuch“ seien die bisherigen Erkenntnisse zum Einfluss des Flugbetriebs auf die Konzentration ultrafeiner Partikel des HLNUG bestätigt worden. Hinz forderte erneut eine Reduzierung des Schwefelanteils im Kerosin als schnell wirkende Möglichkeit, den Schadstoffausstoß zu reduzieren, dazu brauche es aber europaweite Vorgaben. „Außerdem müssen die Verbrennungsprozesse von Flugzeugen auf dem Flughafengelände so weit wie möglich vermieden werden“, betonte Hinz. Dafür sei der stärkere Einsatz elektrobetriebener Fahrzeuge unumgänglich.

Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) kündigte an, das Forum Flughafen und Region (FFR) solle nun aufbauend auf den Ergebnissen eine umfassende Untersuchung der Belastung durch Ultrafeinstaub und seiner potenziell gesundheitlichen Wirkung in der Rhein-Main-Region durchführen, der erste Ausschreibungsschritt solle noch in diesem Jahr erfolgen. In Mainz fordern Fluglärmgegner seit Langem, dass auch hier die Belastung durch Ultrafeinstaub gemessen wird – Mainz liegt genau in der Frankfurter Anflugschneise bei Ostwind. Die Mainzer Bürgerinitiative IKUL hatte deshalb vor einem Jahr eine Untätigkeitsbeschwerde gegen Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) eingereicht – geschehen ist seither nichts.

Wieviel Schadstoffe stoßen landende Flieger in Frankfurt aus - und bis zu welcher Höhe? - Foto: Fraport
Wieviel Schadstoffe stoßen landende Flieger in Frankfurt aus – und bis zu welcher Höhe? – Foto: Fraport

Erst im April hatte die Mainzer ÖDP die Aufnahme von Mainz und rheinland-pfälzischer Messstationen in das Ultrafeinstaubmessnetz gefordert. Die Stilllegung des regulären Flugbetriebs biete die Chance, nun genaue Messungen von Luftbelastungen wie etwa dem Ultrafeinstaub vorzunehmen, betonte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der ÖDP-Stadtratsfraktion, Dagmar Wolf-Rammensee. Damit könnte ein Vergleich zu den Messungen während des normalen Flugbetriebs gezogen werden.

Es brauche auch Messstationen auf rheinland-pfälzischer Seite, um die Belastungen für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet überwachen zu können, argumentierte Wolf-Rammensee – bisher hat Umweltministerin Höfken die Forderung nach eigenen Messungen auf Mainzer Seite aber abgelehnt, obwohl auch die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) solche Messungen fordert. Im Juni hatte die ÖDP dann in einem Stadtratsantrag vorgeschlagen, einen temporären Unter-Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe des Umweltausschusses zum Thema Ultrafeinstaub zu bilden, um Maßnahmen der Stadt zur Reduzierung des Ultrafeinstaubs in der Luft voranzutreiben. Der Antrag fand im Plenum keine Mehrheit.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Zusammenhang zwischen Flugzeugen und dem Ausstoß von Ultrafeinstaub haben wir ausführlich hier aufgeschrieben. Mehr zu den Mainzer Forderungen nach UFP-Messungen und der Ablehnung durch das Land lest Ihr hier bei Mainz&. Den 3. Zwischenbericht des HLNUG zu den Ultrafeinstaubmessungen könnt Ihr Euch hier selbst als pdf herunterladen.

 

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