Kehrtwende im Mainzer Stadtrat: Das Wäldchen „Am Heiligenhaus“ im Mainzer Stadtrat Hartenberg-Münchfeld soll nun doch erhalten bleiben. Im Mainzer Stadtrat brachten am Mittwoch fast alle Fraktionen Anträge zum Erhalt des Wäldchens, zur Aufhebung des Bebauungsplans und zur Suche nach einem anderen Standort für die dort geplante Kita ein. Streit gab es jedoch um die Frage, wer eigentlich für die Planung verantwortlich war – die CDU machte die Ampel-Koalition verantwortlich, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach daraufhin von einer „Räuberpistole“. Die Opposition argwöhnt zudem: Der Ampel ist es mit dem Erhalt des Wäldchens nicht ernst.
Die Stadt Mainz wollte auf einem 10.000 Quadratmeter großen Grundstück mitten im Mainzer Stadtgebiet Wohnbebauung realisieren und dazu eine dringend benötigte Kita, das Problem dabei: Auf dem Gelände hatte sich über die Jahre ein echtes Biotop entwickelt. Rund 100 wertvolle Bäume, dazu jede Menge Hecken und Totholz sollten weichen, Umweltschützer waren entsetzt. Der Naturschutzbund NABU startete unter dem Schlagwort #heilibleibt eine Petition zur Rettung des alten Baumbestandes und des Wäldchens, das zudem bei den Kindern und Anwohnern als Spielort und für die Naherholung große Beliebtheit hat.
„Ein über Generationen entstandenes Biotop mit über 55 alten Bäumen, Hecken und Totholz, wichtiger Lebensraum für Flora und Fauna soll verschwinden“, kritisierte der NABU und verwies die regierenden Fraktionen von Grünen, SPD und FDP auf ihren selbst beschlossenen Klimanotstand und ihre eigenen Aussagen, wie wichtig es angesichts des Klimawandels sei, jeden einzelnen Baum zu beschützen – am Mittwoch wurden dem Mainzer Stadtvorstand rund 8.000 Unterschriften von Mainzern zum Erhalt des Wäldchens übergeben. „Neben seiner vielfältigen ökologischen Funktionen hat das Wäldchen auch eine hohe emotionale Bedeutung für die Bewohner“ des Stadtteils, konstatierte der NABU: „Mainz will seinen Wald behalten – soviel zumindest wird deutlich.“
Das zeigte Wirkung: Im Mainzer Stadtrat kamen von allen Fraktionen bis auf die AfD Anträge zum Erhalt des Heiligenhaus-Wäldchens. ÖDP, Piraten & Volt sowie die CDU hatten als erste ihren gemeinsamen Antrag zum Erhalt des Wäldchens eingebracht – die ÖPD war von Anbeginn an gegen das Projekt und die Abholzung gewesen. Nun forderten die drei Oppositionsfraktionen, das Wäldchen zu erhalten, den Bebauungsplan H70 aufzuheben, eine Unterschutzstellung zu prüfen – und einen Alternativstandort für die dort geplante Kita zu suchen. „Es darf keine Bebauung des Wäldchens geben“, betonte ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf-Rammensee: „Warum die Verwaltung im Windschatten von Corona am Stadtrat vorbei eine Bebauung plant, ist uns unverständlich.“
Es sei 2018 gewesen, als Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) gemeinsam mit seinem Kitadezernenten Eckart Lensch (SPD), der Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) und dem damaligen Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte (FDP) gemeinsam beschlossen hätten, „das Wäldchen abzuholzen“, und das Grundstück zu verkaufen, um dort eine Kita finanzieren zu können, sagte Gerd Schreiner CDU-Stadtrat und Generalsekretär der Landespartei. Doch dann sei der Ampel-Koalition Ende 2018 ihr FDP-Wirtschaftsdezernent abhanden gekommen – erst seine Nachfolgerin von der CDU, Manuela Matz, habe den Verkauf gestoppt und ein Baumgutachten zu dem Biotop in Auftrag gegeben. „Bezahlt wurde dieses Gutachten nicht etwa vom Umweltamt, sondern vom Liegenschaftsamt“, betonte Schreiner: „Es war die CDU-Dezernentin, die ein großes Fragezeichen hinter das Projekt gemacht hat.“
Das inzwischen vorliegende Gutachten bescheinigt in der Tat dem Gebiet einen hohen biologischen und ökologischen Wert, auch der BUND sprach sich inzwischen nachdrücklich für den Erhalt aus, und wies darauf hin, man habe schon in den 1990er Jahren empfohlen, das Biotop langfristig planungsrechtlich und naturschutzrechtlich zu sichern. „Das wurde damals abgelehnt“, kritisierte der BUND im Vorfeld der Stadtratssitzung, und forderte mit Blick auf den im September 2019 ausgerufenen Klimanotstand: „Es wird Zeit, dass die Stadt ihren eigenen Vorgaben folgt.“
ins Wanken gerieten die Planungen nun aber erst durch öffentliche Berichterstattung sowie die Petition des NABU. Am Mittwoch brachten auch Grüne, SPD und FDP einen gemeinsamen Antrag zum Erhalt des Wäldchens im Stadtrat ein. „Es gibt zwei Betrachtungsweisen zu dem Wäldchen“, sagte Grünen-Stadträtin und HaMü-Ortsvorsteherin Christin Sauer. Wenn man auf das Heiligenhaus „mit den Augen eines Umweltliebhabers“ schaue, sehe man mehr als 100 schützenswerte Bäume sowie ein wertvolles Biotop, „mit den Augen eines Menschenfreundes“ einen wichtigen Baustein zum Schutz vor Klimawandel.
„HaMü braucht eine neue Kita“, betonte Sauer zugleich, die Themen Kinder und Klima dürften nicht gegeneinander ausgespielt, sondern müssten in Einklang gebracht werden. Sauer begründete damit, dass der Antrag der Ampel-Fraktionen vorsieht, zuerst einen Alternativstandort für eine neue Kita zu suchen – und erst danach den Bebauungsplan aufheben und das Wäldchen unter Schutz zu stellen. Bei der Opposition sorgte das indes für Misstrauen: „Warum ist die Unterschutzstellung des Gebietes an Bedingungen geknüpft?“, fragte Linken-Stadträtin Carmen Mauerer: „Es wird hier nicht offen gesagt, aber für mich wirkt das so: die Ampel will sich da ein Türchen offen halten.“
Die Linken hatten deshalb in einem Zusatzantrag gefordert, der Stadtrat solle einen Nicht-verkauf des Grundstücks verbindlich beschließen. „Das Biotop ist extrem wichtig, kein Baum darf gerodet, kein Quadratmeter verkauft werden“, betonte Mauerer: „HaMü braucht eine neue Kita, aber nicht am Heiligenhaus.“ Doch dieselbe „Hintertür“ sah auch CDU-Mann Schreiner: „Herr Lensch wird die Hände in den Schoß legen“, argwöhnte er, die Ampel finde lediglich „schöne Worte, mit denen Sie versuchen zu vertuschen, dass Ihr Dezernent andernorts kein Grundstück findet – und dass dort dann eben doch abgeholzt wird.“
Ebling sprach daraufhin von „Räuberpistolen“ und betonte, die Planungen für das gebiet hätten eine lange Geschichte – von generationengerechtem Wohnen bis hin zu neuen Wohnbauten. Der Rat habe 2018 fast einstimmig den Bau einer Kita dort beschlossen, erinnerte Ebling, „es gab damals praktisch keinen Widerspruch, das ist kein Vorwurf.“ Die Kitanutzung war mit dem Bebauungsplan H70 im Mainzer Stadtrat beschlossen worden, einzig die ÖDP hatte damals dagegen gestimmt – Bebauungspläne werden so gut wie nie im Mainzer Stadtrat abgelehnt, weil mit ihnen gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen geregelt wird.
Ebling betonte nun, Grundstücksverkäufe müssten vom Stadtrat beschlossen werden – und der Stadtrat habe bisher keinen Verkauf des Wäldchens am Heiligenhaus beschlossen. „Also kann es nicht verkauft werden, und es wird nicht verkauft, Punkt“, unterstrich Ebling. Mit der heutigen Stadtratssitzung sei die Frage bereits entschieden. „Sie sagen uns heute erkennbar sehr eindeutig, dass das nicht mehr der Fall sein soll“, sagte Ebling, eine Verwaltungsvorlage zum Verkauf des Grundstücks werde es deshalb nicht mehr geben. Die Verwaltung prüfe bereits andere Standorte für eine Kita, „die Aufgabe ist nur gelöst, wenn wir beides lösen“, fügte Ebling hinzu.
Info& auf Mainz&: Die Petition des NABU zum Erhalt des Wäldchens „Am Heiligenhaus“ findet Ihr hier im Netz, eine Pressemitteilung des Umweltverbandes dazu findet Ihr hier. Die Sitzung des Mainzer Stadtrats wird im Livestream übertragen, den Ihr auch im Nachhinein noch anschauen könnt – den Link dazu findet ihr hier.