Die Impfkampagne in Deutschland hat weiter mit Hindernissen zu kämpfen: Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech im Juli deutlich weniger Impfstoff liefern wird als im Juni – statt bisher bis zu drei Millionen Impfdosen pro Woche bekommt Deutschland im Juli deshalb nur knapp zwei Millionen Impfdosen insgesamt pro Woche. In Rheinland-Pfalz ist man sauer: Das Land habe pro Einwohner ohnehin schon weniger Impfstoff bekommen als andere Länder, jetzt habe der Bund mehr Impfstoff versprochen – dem müssten nun auch Taten folgen, heißt es aus dem Mainzer Gesundheitsministerium. Rheinland-Pfalz soll nun 20.000 zusätzliche Impfdosen erhalten – allerdings von AstraZeneca. Das Nachsehen haben erst einmal Kinder und Jugendliche.
Die Impfkampagne in Deutschland sollte im Sommer spürbar Fahrt aufnehmen, so das Versprechen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), und tatsächlich gab es vor allem im Juni deutlich mehr Impfstoff als in den Monaten zuvor: In der Woche ab dem 7. Juni stieg die Zahl der gelieferten Impfdosen deutschlandweit auf mehr als 2,9 Millionen, davon lieferte allein Biontech 1,6 Millionen Impfdosen, 739.200 kamen von AstraZeneca und weitere 583.000 vom US-Konzern Moderna. Auch in der zweiten Juni-Woche blieb die Zahl der Impfdosen mit rund 2,48 Millionen Dosen hoch, kommende Woche sollen noch einmal 3,061 Millionen Dosen oben drauf kommen.
In Rheinland-Pfalz gab das in den vergangenen zwei Wochen einen echten Schub, das Land konnte den Riesenrückstau in seinem Terminpool endlich abbauen – doch nun droht das gerade gewonnene Tempo schon wieder ins Stocken zu geraten: Im Juli rechnet das Bundesgesundheitsministerium mit deutlich weniger Impfdosen. Nach der neuesten Aufstellung der voraussichtlichen Liefermengen sinkt die Menge der Impfdosen schon Ende Juni wieder auf rund 2,17 Millionen Dosen, in den drei folgenden Wochen sollen gar nur noch rund 1,9 Millionen pro Woche eintreffen.
Vor allem die Liefermengen von Biontech sinken dabei aus 1,1 Millionen Impfdosen pro Woche, dazu kommt immer weniger Impfstoff von AstraZeneca: Die Mengen des ungeliebten britisch-schwedischen Impfstoffs sinken Ende Juni auf 340.000 Dosen pro Woche und danach sogar nur noch auf 60.000 Dosen und auf 26.400 Dosen Ende Juli. Das ist konsequent, denn AstraZeneca wird noch immer von vielen Menschen abgelehnt, seit den Irritationen um schwere Hirnvenenthrombosen in der Folge der Impfungen und dem Hin und Her der Ständigen Impfkommission bei ihren Empfehlungen leidet der Impfstoff unter einem erheblichen Imageproblem.
Beim Bundesgesundheitsministerium betont man derweil, Biontech habe vereinbarte Lieferungen auf den Juni vorgezogen gehabt und werde im Juli lediglich zu den vereinbarten Mengen zurückkehren. Trotzdem könnten die verringerten Biontech-Mengen eine spürbare Abbremsung des Impftempos bedeuten, schließlich sind noch immer 51 Prozent der Deutschen ungeimpft. Am Mittwoch hatten Deutschlandweit 48,9 Prozent der Menschen eine erste Corona-Impfung erhalten, 27,6 Prozent sind inzwischen vollständig geimpft. In Rheinland-Pfalz haben 48,6 Prozent ihre Erstimpfung erhalten, 26,8 Prozent sind vollständig geimpft, das entspricht fast exakt dem Bundesschnitt. Spitzenreiter der Flächenländer ist derzeit Schleswig-Holstein, hier sind bereits 52,1 Prozent der Menschen erstgeimpft.
Im Terminpool des Landes Rheinland-Pfalz warten derzeit noch immer rund 163.000 Personen der Priogruppe 3 auf einen Impftermin, dazu kommen weitere 1.000 Registrierte der Priogruppen 1 und 2 – diese Zahl ist im Vergleich zu den Vorwochen wieder angestiegen. „Dass diese Zahl ein wenig höher liegt als in der vergangenen Woche, liegt an der zunehmenden Zahl der Terminverschiebungen“, sagte Impfkoordinator Daniel Stich am Dienstag. Weitere gut 124.000 Personen der Priogruppe 3 haben inzwischen einen Termin für ihre Impfung im Impfzentrum, ihre Erstimpfung aber noch nicht erhalten.
Seit dem Ende der Impf-Priorisierung am 7. Juni haben sich inzwischen zusätzlich rund 100.000 Personen neu für einen Impftermin beim Land registriert, sie müssen auf ihre Termine noch so lange warten, bis die Priogruppe 3 versorgt ist – Minister Hoch hatte wiederholt versprochen, das Land werde die mit Priorisierung Registrierten zuerst mit Terminen versorgen. Verringerte Impfstoffmengen würden nun einen neuen Rückschlag beim Impftempo bedeuten, beim Land ist man verärgert: „Der Bund bleibt in der Pflicht, seinen Ankündigungen nach einem spürbaren Mehr an Impfstoff auch Taten folgen zu lassen“, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Mainz&-Anfrage mit.
Rheinland-Pfalz habe am Mittwoch in der Gesundheitsministerkonferenz erfahren, dass der Bund den Ländern im Juli „wohl spürbar weniger Impfstoff liefern kann als im Juni“, so das Ministerium weiter. Was das in konkreten Zahlen bedeute, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beziffern, man gehe aber von um die 10 Prozent weniger Impfstoffdosen für die Impfzentren sowie die Ärzte und andere impfende Stellen aus. Nach den Listen des Bundes soll Rheinland-Pfalz im Laufe des Juni insgesamt rund 660.000 Impfdosen bekommen, im Juli sollen es aber nur noch 360.000 – das ist fast eine Halbierung der Impfstoffmengen.
„Eine Verringerung der Lieferungen durch den Bund birgt die große Gefahr, dass die Erwartungen, die der Bund durch seine Vorgaben in Bezug auf den Fall der Priorisierung geweckt hat, enttäuscht werden“, kritisiert nun das Mainzer Gesundheitsministerium – das gelte gerade auch für die Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren. Besonders ärgerlich sei das, weil Rheinland-Pfalz bisher ohnehin weniger Impfstoff bezogen auf die Bevölkerung bekommen habe als andere Bundesländer, kritisierte das Ministerium weiter: Rheinland-Pfalz bekam bisher 78 Impfstoffdosen auf 100 Einwohner, das benachbarte NRW aber 81,4 Dosen pro 100 Einwohner und das kleine Saarland sogar 89,1 Dosen pro 100 Einwohner. Nur Sachsen-Anhalt (77,9), Baden-Württemberg (77,6) und Brandenburg (77,4) hätten anteilig noch weniger Impfstoff erhalten als Rheinland-Pfalz.
„Rheinland-Pfalz hat den Bund heute erneut aufgefordert, diesen Rückstand zeitnah auszugleichen“, teilte das Ministerium weiter mit. Der Bund habe nun Ausgleichslieferungen angekündigt, diese aber in Zeitpunkt und Umfang noch nicht genau festgelegt. Eine zusätzliche Charge soll nun aber in jedem Fall kommen: Rheinland-Pfalz solle spätestens in der kommenden Woche eine zusätzliche Impfstofflieferung von mehr als 20.000 Dosen erhalten, kündigte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) am Dienstag an – allerdings von AstraZeneca. „Dies wird die Impfkampagne bei den über 60-Jährigen weiter beschleunigen“, sagte Hoch.
Das Nachsehen könnten damit aber weiter jüngere Impfwillige und insbesondere Kinder und Jugendliche haben: Vergangene Woche hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung von Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren nur bei erheblichen Vorerkrankungen empfohlen – und das, obwohl die Europäische Arzneimittelagentur EMA den Biontech-Impfstoff als sicher für alle Kinder ab 12 Jahren zugelassen hat. Eine Konsequenz davon: In den Impfzentren des Landes werde es „künftig grundsätzlich keine Impfungen unter 18 Jahren geben“, bestätigte Impfkoordinator Daniel Stich am Dienstag noch einmal.
Ausgenommen seien 16- und 17-Jährige, die aus beruflichen Gründen für eine Impfung priorisiert seien, weil sie etwa im medizinischen Bereich oder in der Pflege arbeiten. Sie könnten auch künftig in den Impfzentren geimpft werden, eine entsprechende Option bei der Registrierung solle in den kommenden Tagen freigeschaltet werden, sagte Stich weiter. Auch würden bereits begonnene Impfserien in den Impfzentren auch abgeschlossen. Doch für alle anderen Kinder ab 12 Jahren, die keine Priorisierung haben, heißt das: Eine Impfung führt das Land für sie nicht durch, sie müssen sich an einen Arzt für eine Impfung wenden – doch auch viele Ärzte werden Impfungen bei Kindern nach der Stiko-Empfehlung nicht durchführen.
Aktuell seien beim Land rund 10.000 Personen unter 18 Jahren für eine Corona-Impfung registriert, räumte Stich weiter ein – nur rund 200 davon verfügen aber über eine nötige berufliche Priorisierung für eine Impfung im Impfzentrum. Alle anderen würden in den kommenden Tagen per E-Mail oder Post eine Information erhalten, dass ihre Impfung über die niedergelassenen Ärzte laufen müsse, sagte der Impfkoordinator des Landes weiter. „Dies muss für die Betroffenen nicht zwingend eine Verzögerung bedeuten“, sagte Stich. Von den insgesamt 1,5 Millionen Impfdosen im Juni gehe schließlich rund eine Million an niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte. Sinkt die Liefermenge der Impfdosen im Juli um die Hälfte, wird das aber vor allem Junge treffen: Für sie steht bisher nur der Biontech-Impfstoff zur Verfügung.
Derweil bittet das Impfzentrum des Landkreises Mainz-Bingen noch einmal eindringlich, möglicherweise doppelt vergebene Impftermine rechtzeitig abzusagen. Seitdem die Haus- und Betriebsärzte in die Impfaktion eingebunden seien, erschienen deutlich mehr Menschen nicht zu ihrem Impftermin, teilte die Kreisverwaltung Mainz-Bingen nun mit – immer mehr Impftermine würden einfach nicht wahrgenommen. Viele Menschen hätten sich bei Ärzten und in Impfzentren doppelt registriert. „Die Vermutung liegt nahe, dass nach der Impfung in den Praxen möglicherweise einige der bereits vorher vergebenen Termine in den Impfzentren nicht storniert werden“, heißt es weiter. Eine Stornierung beim Impfzentrum selbst ist nicht möglich, das müssen Registrierte über das Impfportal des Landes erledigen.
Info& auf Mainz&: Doppelte Impftermin bitte über das Internetportal www.impftermin.rlp.de stornieren, oder über die Telefonhotline unter 0800 / 57 58 100. Mehr zum Thema Impfungen bei Kindern lest Ihr hier auf Mainz&.