Er ist stolze zehn Meter lang und locker vier Meter hoch: Das neue Narrenschiff des Gonsenheimer Carnevals-Verein (GCV) ist ein imposantes Gefährt. Der frühere Fastnachtswagen der Gesangsgruppe „Konfettis“ steht in einer Halle in Mainz-Bretzenheim, ein ganzes Team freiwilliger Helfer steht mit Werkzeug, Pinsel, Messgerät und Farbeimer parat. In nur 13 Tagen soll aus dem Riesenschiff der neue Fastnachtswagen des GCV werden. „Die Lösung ist ideal“, schwärmt Wolfgang Becker – der Wagen ist Topp in Schuss. Vergangenen Freitag erreichte den GCV die Horrornachricht: Ihr viertes Gefährt für den Mainzer Rosenmontagszug war abgebrannt, zerstört bei einer Brandstiftung in Mainz-Bischofsheim. 24 später hatte der Verein Ersatz – Dank einer überwältigenden Welle der Hilfsbereitschaft. Nun legt eine Mannschaft Freiwilliger Hand an den „neuen“ Wagen.
„Das Gelb passt ja gar nicht“, sagt Wolfgang Becker Kopf schüttelnd. Normalerweise schleppt Becker abends bei den Sitzungen des GCV die Kulissen über die Bühne, sorgt mit seinen Kollegen dafür, dass Mikrofone, Requisiten und Redetexte am richtigen Ort sind. Nun steht der Rentner mit einer Malerrolle in der Hand in der Halle in Bretzenheim und hilft, den neuen Wagen wenigstens in Teilen weiß zu tünchen. Leuchtend gelb war der Wagen der „Konfettis“, „das passt nicht zu uns“, sagt Becker: „Da müssen noch die Fastnachtsfarben drauf, das GCV-Logo.“- „Für eine Notlösung geht’s“, sagt Peter Beckhaus.
Notlösung, das ist der gelbe Wagen in der Tat: Vergangenen Freitag wurde der Verein aus seiner vor-fastnachtlichen Einsatzroutine geschreckt. In der Nacht zum Freitag hatte vermutlich ein Brandstifter in Mainz-Bischofsheim gezündelt, eine Gartenhütte ging in Flammen auf, dazu eine frei stehende Scheune. Und ausgerechnet in dieser Scheune stand ein Fastnachtswagen des GCV, ein Wagen, auf dem für gewöhnlich im Rosenmontagszug die ehrenamtlichen Technikhelfer des Vereins mitfahren. Für den Verein hieß das: Mehrere Zehntausend Euro Schaden, aber vor allem der Frust für die Ehrenamtlichen.
Was folgte, war eine enorme Welle der Hilfsbereitschaft: Den GCV erreichten nicht nur jede Menge Unterstützernachrichten, sondern auch handfeste Angebote für Ersatzwagen. Der Verein entschied sich schnell für den Kauf des alten Konfetti-Wagens, wobei „alt“ relativ ist: „Der Wagen ist technisch einwandfrei, der TÜV war auch schon da“, freut sich Becker. Ein bisschen staunend steht die Werkscrew um das Riesengefährt, begutachtet Zustand, Ausstattung, Gegebenheiten. „Der Teppich muss runter“, sagt einer energisch, und werkelt an den Treppenstufen, „da kommt ein schöner neuer drauf.“
Oben auf dem Wagen begutachten Technik-Leiter Dieter Becker und seine Kollegen die großen Kästen fürs Wurfmaterial. „Toll“, strahlt einer, da können wir gleich die ganzen Sachen reinfüllen und die Verpackungen zu Hause entsorgen.“ Letztes Jahr, erzählen sie, seien sie beim Rosenmontag am Ende kniehoch durch den Verpackungsmüll gewatet, „wir dürfen ja nichts mehr auf die Straße schmeißen wie früher“, sagt einer.
Fünf, sechs Kisten Wurfmaterial pro Person rechnen sie für den sieben Kilometer langen Zugweg quer durch Mainz, etwa 25 Personen passen auf den Wagen. Rundum am Rande verlaufen tiefe, schmale Behälter für all die Süßigkeiten fürs Narrenvolk. Beim GCV werden das wohl in diesem Jahr Gummibärchen und Süßigkeitenriegel sein. „Bonbons werfen wir keine mehr“, sagt einer, „nach denen bückt sich doch keiner mehr.“
Weich muss das Wurfmaterial sein, Pralinenschachteln, Schokoladentafeln oder gar Glasfläschchen wie früher sind schon lange Tabu. „Die Verletzungsgefahr ist viel zu hoch“, erklärt einer, „wenn das einer an den Kopf kriegt…“ Auch die Verpflegung auf dem Wagen oben muss inzwischen komplett glasfrei sein, selbst den Wein gibt es deswegen inzwischen in Plastikflaschen. Und wenn einer mal müssen muss? Die Toilette ist unten auf dem Wagen eingebaut, ein kleines Kabuff, das sogar einen gefliesten Boden hat. Darin steht eine Chemietoilette, das ist fast schon Luxus. „Früher gab’s einen Riesentopf mit Sägespänen drin“, erzählt einer grinsend, „gar nicht geht auch nicht…“ Rund fünf Stunden sind die Narren im Rosenmontagszug auf dem Wagen unterwegs, Aussteigen sei schwierig, eine externe Toilette auf die Schnelle zu finden, fast unmöglich.
„Alles gut ausgestattet, aber noch nicht fertig“, brummt Dieter Becker derweil oben auf dem neuen Fastnachtswagen. Der Fußboden fehlt noch und vor allem die gesamte Technik: Ein Musikanlage muss für den richtigen Sound sorgen, „die Lautsprecher sind schon bestellt“, sagt einer. „Der Wagen hat eine Luftbremse wie ein Lkw“, erzählt Wolfgang Becker stolz – das heißt modernste Bremstechnik für das Narrenschiff. Die Bremsen seien besonders wichtig, weil immer wieder unaufmerksame Narren einfach vor die Wagen liefen, erzählen sie. Doch für die moderne Bremstechnik braucht es auch einen besonderen Traktor, wieder eine Aufgabe mehr.
Neben dem Wagen hat sich Grafik-Designer Beckhaus inzwischen daran gemacht, weitere Narrenköpfe für den Wagen zu bemalen. Die flachen Holzscheiben sollen noch in echte Schnorreswackler verwandelt werden, zwei für jede Wagenseite. Auch das GCV-Logo und der Schriftzug „Schnorreswackler“ müssen noch drauf. „Wir haben ja Gottseidank noch ein paar Tage“, sagt Wolfgang Becker. Bis Rosenmontag sei das alles zu schaffen – für die GCV-Crew ist das aber noch immer ein Provisorium. „Im Sommer“, sagt einer resolut, „wird der Wagen runderneuert.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Vorfall mit der Brandstiftung in Mainz-Bischofsheim lest Ihr hier bei Mainz&. Das neue GCV-Gefährt könnt Ihr am Rosenmontag unter der Zugnummer 107 bestaunen, unter dieser Nummer rollt der Verein mit insgesamt vier Wagen im großen Mainzer Fastnachtsumzug mit.