Die jüngste Steuerschätzung für Bund und Länder brachte wenig Gutes: Rund drei Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen bundesweit allein in diesem Jahr, rund 50 Millionen Euro weniger in Rheinland-Pfalz – und auch in den Kommunen sprudeln weniger Einnahmen. Sind also die öffentlichen Kassen klamm und leer? Nicht ganz: Während die Kommunen in Rheinland-Pfalz, wie etwa in Mainz, gerade Klimmzüge für ausgeglichene haushalte vollbringen müssen, und die Dienstaufsicht ADD Steuererhöhungen fordert, sitzt das Land auf Milliarden an Rücklagen: Allein 3,9 Milliarden Euro liegen in einem Reservetopf. Die CDU spricht von einer „Kriegskasse“ für den anstehenden Wahlkampf – eine Mainz&-Analyse&.

Die "zerplatzten Träume" des Mainzer Finanzdezernenten Günter Beck (Grüne) angesichts der jüngsten Absturzes der Mainzer Finanzen: So sahen es die Mainzer Narren auf einem Motivwagen 2025. - Foto: gik
Die „zerplatzten Träume“ des Mainzer Finanzdezernenten Günter Beck (Grüne) angesichts der jüngsten Absturzes der Mainzer Finanzen: So sahen es die Mainzer Narren auf einem Motivwagen 2025. – Foto: gik

Seit Jahren ist es dieselbe wiederkehrende Klage. Die öffentlichen Kassen seien leer, man habe einfach nicht genügend Geld für Entlastungen und schon gar nicht für Investitionen. In schöner Regelmäßigkeit wird dann auf den Bund verweisen, der mit Finanzspritzen den klammen Kommunen und Ländern helfen soll, auch in Rheinland-Pfalz ist das die beständige Tonlage der Landesregierung. „Die öffentlichen Haushalte sind insgesamt in einer schwierigen Situation, umso wichtiger sind jetzt die von der Bundesregierung bereits angekündigten Maßnahmen, um Investitionen zu ermöglichen und Wachstumsimpulse zu setzen“, teilte jüngst Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) in Mainz mit.

Anlass: die neueste Steuerschätzung für Bund und Länder, die erwartungsgemäß wenig Gutes brachte. Demnach rechnet der Arbeitskreis Steuerschätzungen – ein Expertengremium des Bundes – nun bundesweit mit drei Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen, im Herbst 2024 geschätzt, 2026 könnten es sogar rund 20 Milliarden Euro weniger werden. Rheinland-Pfalz muss demnach voraussichtlich mit 47 Millionen Euro weniger in 2025 auskommen, für das kommende Jahr werden jetzt 209 Millionen Euro weniger erwartet als ursprünglich angenommen.

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Land RLP: Rücklage von 3,9 Milliarden, niedrigste Investitionsquote

Sind die öffentlichen Kassen also tatsächlich leer? Kann Rheinland-Pfalz Investitionen in Straßen und Brücken also gar nicht stemmen, und auch nicht seine Kommunen auskömmlich finanzieren? Mitnichten, sagt die CDU-Opposition: „Kein Bundesland investiert so wenig wie Rheinland-Pfalz! Straßen, Brücken, Unis – das Geld wäre da, um dort längst überfällig zu sanieren“, schimpfte im Februar CDU-Generalsekretär Jo Steiniger, und warf der Ampel-Regierung in Mainz vor: „Statt zu investieren oder Schulden zu tilgen, hortet die Regierung Milliarden – nur um im bevorstehenden Wahlkampf wieder großzügig die Gießkanne übers Land zu bringen, wirkungsvolle Bilder von den Scheckübergaben inklusive.“ Reine Wahlkampfpolemik?

Bekam scharfe Kritik vom Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz für ihre Finanzplanung: Finanzministerin Doris Ahnen (SPD). - Foto: Staatskanzlei RLP/ Dinges
Bekam scharfe Kritik vom Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz für ihre Finanzplanung: Finanzministerin Doris Ahnen (SPD). – Foto: Staatskanzlei RLP/ Dinges

Nicht ganz: Am 18. Februar 2025 stellte der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz turnusgemäß seinen Jahresbericht zu den Landesfinanzen des Vorjahres vor, und Rechnungshofpräsident Marcel Hürter – selbst jahrelang als SPD-Politiker aktiv – garnierte das mit unerwartet heftiger Kritik. Denn die Landesregierung mache zwar weiter hohe Schulden, sitze aber weiter auf einer Haushaltsrücklage von mittlerweile 3,9 Milliarden Euro, kritisierte Hürter – und das, während Rheinland-Pfalz im Ländervergleich unterdurchschnittlich wenig investiere.

Konkret rechnete Hürter folgende Zahlen als Bilanz der vergangenen beiden Haushaltsjahre in Rheinland-Pfalz vor, von einem Haushaltsloch war dabei keine Rede. Denn 2023 schloss der Landeshaushalt mit einem Finanzierungsüberschuss von 1 Milliarde Euro ab, 2024 waren es sogar dem vorläufigen Rechnungsergebnis zufolge 1,1 Milliarden Euro. „Bei diesen Ergebnissen muss jedoch beachtet werden, dass die Investitionen im Ländervergleich unterdurchschnittlich, und die Pro-Kopf-Verschuldung überdurchschnittlich sind“, kommentierte Präsident Hürter dabei. Schlimmer noch: Mit dem Überschuss investierte das Land nicht etwa oder half seinen Kommunen, die Überschüsse flossen vielmehr in eine Rücklage im Haushalt.

 

Land RLP: Finanzüberschüsse & Ausgabereste von 4,3 Milliarden

So wurde 2023 der Finanzierungsüberschuss von 990 Millionen Euro „weit überwiegend zur Aufstockung von Rücklagen um 790 Millionen Euro verwendet“, rechnet die Prüfbehörde vor, am Kreditmarkt wurden hingegen nur Schulden von 200 Millionen Euro getilgt. Zwar habe das Land rund 1,1 Milliarden Euro investiert, der Anteil der Investitionen an den Ausgaben des Kernhaushalts sei aber mit 5,3 Prozent um 5,7 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der anderen Flächenländer geblieben – das sei die niedrigste Investitionsquote aller Flächenländer in Deutschland.

Während die Kommunen in Rheinland-Pfalz mit Haushaltsdefiziten kämpfen, hier der Mainzer OB Nino Haase (parteilos), sitzt das Land Rheinland-Pfalz auf Rücklagen von 3,9 Milliarden Euro. - Foto: gik
Während die Kommunen in Rheinland-Pfalz mit Haushaltsdefiziten kämpfen, hier der Mainzer OB Nino Haase (parteilos), sitzt das Land Rheinland-Pfalz auf Rücklagen von 3,9 Milliarden Euro. – Foto: gik

2024 habe dann erneut ein Finanzierungsüberschuss von 1,1 Milliarden Euro zu Buche gestanden, damit seien dann die Rücklagen um weitere 317 Millionen Euro aufgestockt worden, während am Kreditmarkt Schulden in Höhe von netto 791 Millionen Euro getilgt wurden. „Der Großteil der Tilgungen erfolgte aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben“, betont der Rechnungshof in seiner Jahresbilanz weiter, und kritisiert: „Der verfügbare Teil des Überschusses wurde weit überwiegend zur Rücklagenbildung genutzt. Die freiwillige, strukturelle Netto-Tilgung betrug 22 Millionen Euro.“

Das Ergebnis der Fiskalpolitik: „Die Haushaltssicherungsrücklage hat mittlerweile einen Stand von 3,9 Milliarden Euro erreicht“, kritisierte Hürter im Februar wörtlich, und forderte, die Landesregierung müsse deutlich mehr Schulden tilgen und mehr für seine Kommunen tun: „Mit dem Rücklagenbestand könnten die gesamten von den Kommunen übernommenen Kredite sofort getilgt werden“, betonte er. Das ist politischer Sprengstoff, klagen die Kommunen in Rheinland-Pfalz doch bereits seit Jahren über eine strukturelle Unterfinanzierung von Seiten des Landes – erst kürzlich machte auch der Mainzer OB Nino Haase (parteilos) diesen Punkt.

Steiniger: Ampel-Regierung füllt „Kriegskasse“ für Wahlkampf

Denn gerade in diesem Jahr kämpft ein Großteil der Kommunen im Land damit, ihre Haushalte ausgleichen zu können, und müssen sich drastischen Forderungen der landeseigenen Dienstaufsichtsbehörde ADD zur Erhöhung von Steuern und Abgaben stellen. In Mainz forderte die ADD etwa, die Grundsteuer B deutlich anzuheben – und das, obwohl die Grundsteuerabgaben durch die seit Januar 2025 greifenden Grundsteuerreform gerade erst deutlich gestiegen sind. Entgegen des Versprechens zur Aufkommensneutralität nimmt die Stadt Mainz auch ohne Anhebung bereits 8 Millionen Euro mehr ein – eine weitere Steigerung lehnte vor allem die CDU ab.

Die Hochbrücke zwischen Innenstadt und Mainz-Mombach: Marode, abrissreif - und gesperrt. - Foto: gik
Die Hochbrücke zwischen Innenstadt und Mainz-Mombach: Marode, abrissreif – und gesperrt. – Foto: gik

Die CDU-Landtagsfraktion schimpfte denn auch im Februar, der Regierung fehle „jeder Plan für die Zukunft“: „Schlaglöcher, marode Brücken, Straßensperrungen – es wird von Jahr zu Jahr schlimmer – und der Investitionsstau wird immer größer“, kritisierte CDU-Haushaltsexperte Christof Reichert. Jedes Jahr kritisiere der Rechnungshof erneut, dass die Landesregierung zu wenig in die Zukunft des Landes investiere. Und die Landesregierung habe nicht nur eine Reserve von 3,9 Milliarden Euro, sondern auch noch nicht benötigte Haushaltsausgabereste in Höhe von 4,3 Milliarden Euro – also Überreste von nicht ausgegebenen Mitteln. Investiert würden diese Milliarden aber nicht.

Generalsekretär Steiniger wurde noch deutlicher: „Da ist unverantwortlich“, schimpfte er: „Die Verantwortlichen kalkulieren eiskalt mit der eigenen Macht statt mit Zukunftsinvestitionen.“ Denn statt geplante Investitionen umzusetzen oder Schulden zu tilgen, „hortet die Regierung Milliarden, nur um im bevorstehenden Wahlkampf wieder großzügig die Gießkanne übers Land zu bringen“, schimpfte Steiniger: „Das muss man sich mal vorstellen: Der eigens von Ministerpräsident Schweitzer vorgeschlagene Rechnungshofpräsident mit langer politischer Karriere in Rheinland-Pfalz bescheinigt dem Land eine ‚Kriegskasse‘. Das ist so ziemlich das Bitterste, das ich über die SPD in Rheinland-Pfalz in letzter Zeit lesen musste.“

Kommunen: 80 Prozent können Haushalt nicht ausgleichen

Das erklärt auch, warum Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) auf die jüngste Steuerschätzung ausgesprochen gelassen reagierte: Der Rückgang sei erwartet worden, die Schätzabweichungen zu den Ansätzen im Doppelhaushalt beliefen sich mit minus 70 Millionen Euro bzw. minus 248 Millionen Euro auf insgesamt -0,8 Prozent der veranschlagten Steuereinnahmen, teilte Ahnen mit. Nach der aktuellen Schätzung könne Rheinland-Pfalz in diesem Jahr mit Steuereinnahmen in Höhe von 19,102 Milliarden Euro rechnen, und für 2026 mit 19,607 Milliarden Euro.

Das Nachsehen dürften die Kommunen haben: Sie können für 2025 mit Steuereinnahmen in Höhe von 6,344 Milliarden Euro rechnen, das sind 2 Millionen Euro weniger als prognostiziert. Für 2026 ergäben sich mit 6,588 Milliarden Euro Minderschätzungen in Höhe von 64 Millionen Euro, teilte die Finanzministerin weiter mit. Der Landesrechnungshof warnte derweil bereits in seinem Kommunalbericht 2024: 61 Prozent der Landkreise sowie der kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte gingen für 2024 davon aus, keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können – für 2025 rechneten sogar fast 80 Prozent damit.

Info& auf Mainz&: Den ganzen Jahresbericht 2025 des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz mit allen Anmerkungen und Zahlen findet ihr hier im Internet.