Auch nach einem Krisentreffen im Mainzer Innenministerium gibt es weiter keine schnellen Erleichterungen für die Fastnachtsvereine bei den Sicherheitsauflagen für Umzüge und andere Veranstaltungen. Innenminister Michael Ebling (SPD) stellte nach dem Treffen lediglich Schulungen und Handreichungen für kommunale Ordnungsämter in Aussicht – Änderungen am Polizeigesetz oder gar Finanzhilfen für die ehrenamtlichen Vereine erteilte der Minister eine klare Absage. Die Fastnachter zeigten sich enttäuscht: Er habe konkretere Lösungen erwartet, denn die Regelungen zerstörten die Vereine, kritisierte RKK-Präsident Hans Mayer.
Am Montagnachmittag hatte Innenminister Michael Ebling (SPD) kurzfristig zu einem Krisentreffen ins Innenministerium nach Mainz geladen, denn die Wogen schlugen hoch in den vergangenen Wochen: Vor allem in der Pfalz und in anderen ländlichen Regionen hagelte es Beschwerden und sogar Absagen von Fastnachtsumzügen, weil den organisierenden Vereinen auf einmal Sicherheitsauflagen gemacht wurden, wie nie zuvor. Die Neuauflagen reichen dabei von professionellen Security-Firmen bis hin zu teuren Containern als Abschirmung für die Umzüge – gerade kleinere Vereine sagten daraufhin die Ausrichtung ihrer Umzüge aus Kostengründen ab.
Verbandsvertreter wie der Präsident der Rheinischen Karnevals-Kooperationen (RKK), Hans Mayer, warnten daraufhin, das Land sei „mit den teilweise völlig überzogenen Auflagen“ auf dem besten Weg, „das langjährige Kulturgut Karneval und das Brauchtum endgültig zu ruinieren.“ In Mainz forderte der Präsident des Mainzer Carneval Vereins (MCV), Hannsgeorg Schönig, wenn Kommunen und Land solch hohe Sicherh4eitsauflagen machten, dann müssten sie die Kosten dafür selbst übernehmen – oder zumindest den Vereinen Finanzhilfen zukommen lassen.
Hintergrund ist eine Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (POG) des Landes Rehinland-Pfalz vom Mai 2021, das die „Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr von Veranstaltungen unter freiem Himmel“ neu regelt. Und danach können Ordnungsbehörden nun auch für Veranstaltungen mit weniger als 5.000 Besuchern Sicherheitskonzepte verlangen – als „Gefahrenpotenzial“ reicht nun schon erhöhter Alkoholkonsum oder Gedränge auf dem Festgelände aus.
Auch schreibt das neue POG professionelle Sicherheitsdienste vor, gerade bei Fastnachtsumzügen wurde bisher aber vielfach die Sicherheit gerade rund um Wagen und Laufwege durch erfahrene ehrenamtliche Ordner gewährleistet. Die Neuregeln verursachen deshalb für viele Vereine völlig neue und hohe Kosten – gerade nach zwei Jahren Corona-Pandemie, und damit nach zwei Jahren weitgehend ohne Einnahmen durch Veranstaltungen, können viele Vereine das nicht leisten.
Am Montag waren nun nach Mainz&-Informationen rund 20 Vertreter von Karneval- und Fastnachtsvereinen ins Innenministerium zum Krisengespräch geladen, doch einen echten Durchbruch gab es dabei wohl nicht: „Wir können bei der Sicherheit keine Abstriche machen“, betonte Ebling, und verwies erneut auf den Vorfall 2020, als im nordhessischen Volkmarsen ein Auto in einen Fastnachtsumzug gefahren war. Es sei auch nicht das POG, das den Veranstaltern vorschreibe, welche konkreten Maßnahmen zu leisten seien, betonte Ebling zudem – die Sicherheitsmaßnahmen würden „nach wie vor vor Ort entschieden“.
Austausch, Schulungen und Fortbildungen für Ordnungsämter
Er habe aber festgestellt, dass es in den Kommunen „durchaus eine sehr unterschiedliche Praxis“ bei der Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen gebe, räumte Ebling ein. Er wolle deshalb „sehr kurzfristig die Kreis- und Ordnungsbehörden zu einem offenen Austausch einladen“. Das Ziel sei, „dass wir insgesamt zu verständlicheren Rahmenbedingungen kommen wollen“, betonte Ebling weiter: „Wir wollen in die Zukunft gerichtet, den Rahmen noch einmal deutlich vereinfachen und handhabbarer machen.“
Auch sollten für Ämter gerade aus kleineren Kommunen Schulungen und Fortbildungen angeboten werden, kündigte Ebling weiter an, und forderte: Vor Ort solle „angemessen, und mit Augenmaß und im Interesse des Brauchtums entschieden werden“, man wolle evaluieren, „was sich auch wirklich als geeignet erweist und auch wirklich als leistbar erweist.“
Vertreter von Karnevals- und Fastnachtsvereinen zeigten sich jedoch enttäuscht: „Sicherheit muss sein, aber das Konzept, das hier vorliegt, zerstört viele Vereine“, kritisierte RKK-Präsident Mayer nach dem Gespräch – das habe man durch „unzählige Zuschriften“ gerade aus dem ländlichen Raum, erfahren müssen. „Ich hätte heute gerne die Zusage des Ministers mitgenommen, dass man eine Lösung sucht, den Vereinen zu helfen“, kritisierte Mayer: „Wenigstens die Bereitschaft, Wege und Möglichkeiten zu suchen, die Vereine zu entlasten, das hätte ich heute erwartet.“
Mayer: „Irrsinnige“ Sicherheitsanforderungen, jenseits der Realität
Stattdessen würden auch in kleinsten Orten Sicherheitskonzepte präsentiert, „die völlig aus der Norm sind“, schimpfte Mayer. Wenn in einem kleinen Eifelort verlangt werde, 200 Schilder aufzustellen und Konzepte gegen einen Drohnenangriff vorzulegen, dann sei das doch „Irrsinn, das hat mit Realität, mit Verantwortung für das Ehrenamt überhaupt nichts mehr zu tun“, schimpfte er, und forderte: „Wir müssen erreichen, dass wenigstens für die Zukunft, unser Brauchtum nicht durch überzogenen Bürokratismus in Gefahr gerät.“
Auch MCV-Präsident Hannsgeorg Schönig zeigte sich nach dem Gespräch enttäuscht: „Ich begrüße, dass es Gespräche mit dem Ministerium gab, aber die Schlussfolgerungen sind mir viel zu dünn“, sagte Schönig gegenüber Mainz&: „Nur mit Beratung und Schulungen, das bringt mich in Mainz überhaupt nicht weiter.“ Die Kosten für die Sicherheitsauflagen hätten sich in den vergangenen fünf, sechs Jahren geradezu verdreifacht, hatte Schönig bereits zuvor vorgerechnet: Statt rund 50.000 Euro müsse der MCV inzwischen mehr als 150.000 Euro ansetzen.
„Wir wollen uns ja als Vereine darauf konzentrieren, interessante Veranstaltungen mit tollen Motivwagen und attraktivem Bühnenprogramm zu organisieren“, betonte Schönig im Gespräch mit Mainz& weiter: „Wir wollen ja nicht das Gros unserer Ausgaben in Sicherheitsmaßnahmen stecken.“ Durch die Vielzahl der Maßnahmen entstünden den Vereinen aber inzwischen Kosten in einem Maße, „das können wir nicht mehr stemmen“, betonte Schönig.
„Das Problem gibt es so derzeit nur in Rheinland-Pfalz“
Die Mehrheit der Umzüge sei ja nicht abgesagt, sondern finde statt, rechtfertigte Ebling die Sicherheitsauflagen, und lehnte auch auf Nachfrage Finanzhilfen oder die Übernahme für Sicherheitsmaßnahmen durch den Staat ab. „Es gibt einen klaren Schutzauftrag, den der Staat annimmt“, sagte Ebling, und verwies darauf, dass auch beim Mainzer Rosenmontagszug mehr als 1.000 Polizeibeamte im Einsatz seien. Eine Kostenübernahme sei aber „genausowenig wie eine Kostenübernahme bei einem Fußballverein“ angezeigt, ein Veranstalter müsse aber „auch immer seinen eigenen Beitrag leisten“, betonte er.
„Es ist doch ein Unterschied, ob ich ein Bundesligaverein mit großen Einnahmen habe – oder einen Karnevalsverein, der keine Einnahmen hat“, entgegnete daraufhin Mayer. Zudem betonten RKK und BDK: „Es ist in der Tat so, dass dieses Problem im Moment nur in Rheinland-Pfalz so vorherrscht“, sagte Fees. Sicherheitsauflagen gebe es natürlich auch woanders aber dort würden „diese Auflagen in dieser Schärfe nicht gemacht.“
Schönig argumentierte zudem gegenüber Mainz&, man müsse doch unterscheiden, was Maßnahmen von Seiten des Veranstalters seien – wie etwa Absperrgitter – oder was höhere Aufgaben seien: Der Schutz eines Umzuges gegen Angriffe mit Fahrzeugen, „das ist doch Terrorabwehr, das kann man doch nicht von einem ehrenamtlichen Verein verlangen“, kritisierte Schönig;: „Das muss die Aufgabe des Staates sein.“
„Terrorabwehr ist Aufgabe des Staates“
Die Freien Wähler kritisierten nach dem Gespräch die Haltung des Innenministers: „Es hat nichts mit Corona zu tun, dass nun Fastnachtsumzüge abgesagt werden müssen, sondern schlicht damit, dass das Innenministerium nicht gewillt war, die zahlreichen Eingaben und Hilferufe aus dem rheinland-pfälzischen Ehrenamt zu hören“, schimpfte der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, Stephan Wefelscheid: „Wo soll denn bei ehrenamtlichen Vereinen das Geld für die Beauftragung von Sicherheitsfirmen herkommen?“
Es sei das neue Polizei-Ordnungsbehörden-Gesetz (POG), das in der Praxis zu unbezahlbaren Sicherheitsauflagen führe, das sei „spätestens seit der Absage zahlreicher Wein- und Dorffeste aus dem Jahr 2022 bekannt“, betonte Wefelscheid. Doch auf eine Gesetzesinitiative der Freien Wähler habe das Land ebenso wenig reagiert wie auf die Hilferufe der Fastnachtsvereine jetzt. Ebling hätte sich „insofern das Treffen mit den Karnevalsverbänden auch sparen können“, fügte Wefelscheid hinzu.
Das Thema wird nun auch den Mainzer Landtag beschäftigen: Am Donnerstagvormittag haben CDU und AfD gleich zwei Aktuelle Stunden zu dem Thema beantragt. Die CDU-Opposition sieht „dringenden Handlungsbedarf, verunsicherte Kommunen und Veranstalter“, die AfD warnt gar vor einem Angriff auf Ehrenamt und Brauchtum in Rheinland-Pfalz. Die Debatte wird per Livestream übertragen, den Link zum Livestream findet Ihr an den Plenartagen hier auf der Interseite des Mainzer Landtags.
Info& auf Mainz&: Das gesamte Statement von Innenminister Ebling und Vertretern der Karnevals-Verbände könnt Ihr in voller Länge hier auf der Mainz&-Facebookseite ansehen. Ausführlich haben wir über die Problematik mit dem POG und den Sicherheitsauflagen hier bei Mainz& berichtet – bitte lest auch diesen Bericht für die Hintergrundinfos!