Genau vier Wochen nach der Kommunalwahl hat sich am Dienstag der neue Mainzer Stadtrat konstituiert. Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) begrüßte im Kurfürstlichen Schloss zu Mainz 25 neue Stadträte und verabschiedete ebenso viele Ehemalige. Haase plädierte in seiner Eröffnungsrede vor allem für eines: “Haben Sie Mut, Neues zu probieren”, bat der OB. Der Stadtrat konstituiert sich in einer Zeit des Übergangs: Eine neue Koalition im Stadtrat gibt es bislang nicht, die Parteien sondieren weiter – womöglich gibt es noch diese Woche eine Vorentscheidung.

Die Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat. - Grafik: Stadt Mainz
Die Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat. – Grafik: Stadt Mainz

Am 9. Juni hatten die Mainzer bei der Kommunalwahl die Weichen für den Stadtrat neu gestellt. Dabei wurden die Grünen zwar mit 24,8 Prozent und 15 Sitzen erneut stärkste Kraft im Rat, die bisherige Ampel-Koalition aber verlor ihre Mehrheit, weil vor allem Grüne und FDP verloren. Die Liberalen mussten mit 5,3 Prozent leicht Federn lassen und halten jetzt statt vier Sitze drei im Rat.

Die SPD wiederum konnte mit 19,3 Prozent trotz Stimmverlusten ihre Sitzanzahl von 12 halten. Zusammen aber ergab das für die alte Ampel keine Mehrheit mehr, die beträgt im 60 Sitze fassenden Stadtrat mindestens 31 Sitze – seither stellt sich die spannende Frage: Wer koaliert künftig mit wem im Mainzer Stadtrat und stellt so die Weichen für die Zukunft? Nach Mainz&-Informationen laufen seit dem 9. Juni intensive Gespräche, sie könnten kurz vor dem Abschluss stehen.

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Sondierungen laufen: Wer mit wem im neuen Mainzer Stadtrat?

Die Mehrheitsbildung ist schwierig, denn eine stabile Mehrheit im Rat bräuchte wohl mehr als 31 Sitze – die Fraktionen argumentieren, man müsse für den Fall vorsorgen, dass der eine oder andere Stadtrat mal nicht da sei. Das trifft vor allem die SPD: In den Reihen der SPD nahm am Dienstag nicht nur Innenminister Michael Ebling Platz, dessen Kandidatur für den Stadtrat höchst umstritten war, sondern auch der SPD-Bundestagsabgeordnete für Mainz, Daniel Baldy. Beide sind Kandidaten dafür, Sitzungen wegen anderweitiger Termine verpassen zu müssen, eine zu knappe Mehrheit wäre dann futsch.

Kommt die ganz große Koalition im Mainzer Stadtrat? Von links: CDU-Fraktionschef Ludwig Holle, SPD-Fraktionschefin Jana Schmöller und Grünen-Kreischefin Christin Sauer. - Fotos: gik
Kommt die ganz große Koalition im Mainzer Stadtrat? Von links: CDU-Fraktionschef Ludwig Holle, SPD-Fraktionschefin Jana Schmöller und Grünen-Kreischefin Christin Sauer. – Fotos: gik

Die einzige Konstellation mit einer wirklich breiten Mehrheit wäre nur einer Koalition aus Grünen, SPD und CDU – sie hätten gemeinsam 41 Sitze, das wäre eine satte Mehrheit von mehr als zwei Drittel der Ratssitze. Nach Mainz&-Informationen sondieren die drei Parteien tatsächlich derzeit intensiv ein Miteinander, doch die Gespräche gestalten sich offenbar nicht einfach: der Graben vor allem zwischen Grünen und CDU ist enorm, ganz besonders im Bereich Verkehrspolitik.

Blieben noch Koalitionen, in denen sich vier oder mehr Partner zusammenfinden – gerade bei ehrenamtlichen Politikern ist aber auch das keine einfache Sache. Im Gespräch ist dabei nach Mainz&-Informationen weiter eine Ampel, verstärkt durch die Europapartei Volt, die drei Sitze hält. Doch auch andere Konstellationen sind wohl denkbar – etwa ein Bündnis der CDU mit SPD und FDP. Die bräuchten allerdings zu ihren 29 Sitzen mindestens einen weiteren, eher zwei weitere Partner, dafür böten sich dann die Freien Wähler und die ÖDP an, die jeweils zwei Sitze halten.

Koalitionsoptionen in der Mache: “Es ist alles im Fluss”

Äußern wollen sich die Parteien bisher öffentlich nicht: “Es ist alles im Fluss”, heißt es von der SPD, “die Gespräche laufen noch” von Seiten der CDU. Bei den Grünen wird man schon etwas konkreter, zumindest was den Zeitplan angeht: Man wolle am Donnerstag um 19.30 Uhr einer Mitgliederversammlung einen Vorschlag zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen unterbreiten, sagte Kreischef Jonas König gegenüber Mainz&: “Unsere Losung gilt weiterhin, wir sind auf der Suche nach Partnern  für ein stabiles Bündnis”, betonte König: “Wir reden mit allen relevanten Fraktionen.”

Konstituierung des neuen Mainzer Stadtrats am Dienstagabend im Kurfürstlichen Schloss in Mainz. - Foto: gik
Konstituierung des neuen Mainzer Stadtrats am Dienstagabend im Kurfürstlichen Schloss in Mainz. – Foto: gik

Die Grünen wollten als stärkste Kraft ihre Positionen umsetzen, das gehe nur in einer stabilen Koalition, sagte König weiter. Das gelte ganz besonders für die kommenden fünf Jahre – denn in dieser Zeit werden voraussichtlich alle Dezernentenposten in Mainz neu gewählt. “Es ist unser Anspruch, weiter im Stadtvorstand vertreten zu sein”, unterstrich König. “In Mainz geht glücklicherweise sehr viel”, sagte er noch, die Mainzer erwarteten aber auch, “dass wir ins Doing kommen.”

Bereits am Donnerstagabend wollen die Grünen ihren Mitgliedern einen Vorschlag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vorlegen – eine Entscheidung könnte also noch diese Woche fallen. Damit könnte zumindest eine Weichenstellung noch kurz vor Beginn der Sommerferien fallen – die Verhandlungen selbst würden sich dann wohl bis zum Herbst hinziehen.

Haase appelliert an Stadtrat: “Haben Sie Mut, Neues zu probieren”

Da passte es gut, dass Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) den neuen Stadtrat dazu aufrief, “den Mut zu haben, Neues zu probieren.” Angesichts vieler Krisen und unsicherer Zeiten sei “die Versuchung ist groß, alte Rezepte wieder zu nutzen und diese mit Klauen und Zähnen zu verteidigen”, sagte Haase in seiner Rede zu Beginn der Sitzung. “Nur d4en Status Quo zu erhalten”, werde in Zeiten dynamischen Wandels nicht genügen, mahnte der OB: “Die Menschen in dieser Stadt erwarten Lösungen für eine gute Zukunft der Landeshauptstadt Mainz.”

Abschied vom Stadtrat: OB Nino Haase (parteilos, Mitte) verabschiedete 25 ausgeschiedene Stadträte. - Foto: gik
Abschied vom Stadtrat: OB Nino Haase (parteilos, Mitte) verabschiedete 25 ausgeschiedene Stadträte. – Foto: gik

Und dafür forderte der OB die Stadtratsmitglieder eindringlich auf, weniger in Ideologien zu verharren und mehr pragmatisch und an der Sache entlang für die Stadt zu agieren. “Seien Sie offen für Vorschläge, auch wenn er vielleicht nicht Teil der Koalition ist”, sagte Haase, “überlegen Sie: können wir dem zustimmen – das würde uns gut tun.” Haase erinnerte dabei auch an die “Ruckrede” von Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem Ausscheiden der Nationalmannschaft, Nagelsmann hatte mehr Optimismus und Zusammenhalt gefordert und das Einstehen füreinander.

“Wir sind hier nicht der Bundestag, und auch nicht der Landtag, wir treffen Entscheidungen für Mainz”, mahnte Haase. Der Stadtrat könne “Keimzelle für Versuche” sein, wenn die Politik mehr auf die Bürger höre, Prozesse besser erkläre und Entscheidungen im Respekt voreinander treffe, könne man die Stadt besser machen und den Menschen wieder mehr Optimismus zurückgeben. “Wir sind hier alle Überzeugungstäter, wir machen das, weil uns etwas an den Menschen liegt”, fügte Haase hinzu.

Schönig: Abschied nach 35 Jahren Zugehörigkeit zum Stadtrat

Im Anschluss begrüßte der OB dann alle Stadträte per Handschlag und vereidigte die 60 Ratsmitglieder – und ehrte dann genau solche Überzeugungstäter, die sich im Mainzer Stadtrat für die Menschen der Stadt engagiert hatten: 25 Ex-Stadträte verabschiedete der OB, manche, die nur kurz dabei waren, andere wie EX-FDP-Fraktionschefin Cornelia Wilius-Senzer, die gleich 15 Jahre im Rat saßen. Einer aber übertraf alle: Ex-CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig schied nach sage und schreibe 35 Jahren Zugehörigkeit aus dem Mainzer Stadtrat aus – ohne Unterbrechung.

Hannsgeorg Schönig im Juni 2022 mit seiner Haushaltsrede für den Mainzer Stadtrat. - Foto: gik
Hannsgeorg Schönig im Juni 2022 mit seiner Haushaltsrede für den Mainzer Stadtrat. – Foto: gik

Mit 25 Jahren war Schönig erstmals in den Mainzer Stadtrat eingezogen, das war im Jahr 1989, im vergangenen Jahr wurde Schönig zum Präsidenten des Mainzer Carneval Vereins (MCV) gewählt, seither widmet er sich dem Großgeschäft Fastnacht. Und auch der langjährige CDU-Politiker mahnte die neuen Räte: “Sie sind zum Wohle der Stadt gewählt, und nicht zum Wohle einer einzelnen Partei, seien Sie sich bewusst, dass sie gewählt wurden, um zum Wohle aller zu arbeiten.”

Der Mainzer Stadtrat nämlich “ist der Souverän dieser Stadt”, unterstrich Schönig, das dürften die Räte durchaus auch mit Selbstbewusstsein wahrnehmen. “Nicken Sie nicht nur Vorlagen aus der Verwaltung ab”, riet Schönig, denn es habe in den vergangene Jahren “eine gewisse Verschiebung zugunsten der Verwaltung gegeben.” das sei für die Verwaltung vielleicht bequem, “aber das ist so von den Gründern nicht gewollt”, mahnte Schönig, und fügte hinzu: “Ich sage das, weil mir eines am Herzen liegt: die Weiterentwicklung dieser tollen Stadt, einer so wunderschönen Stadt mit reicher Geschichte – aber die könnte mit etwas Anstrengung noch viel schöner und reicher sein.”

Info& auf Mainz&: Die Mainz&-Analyse zum Ausgang der Stadtratswahl könnt Ihr noch einmal hier nachlesen. Den Livestream der Stadtratssitzung mit allen Reden könnt Ihr ab morgen hier bei der Stadt Mainz im Internet nachhören.