Pfingstmontag ist traditionell nicht nur der vierte Tag des Open Ohrs in Mainz, sondern auch der Deutsche Mühlentag. Der Aktionstag wurde 1994 von der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde ins Leben gerufen und soll an die große Bedeutung erinnern, die Mühlen einst für das Leben in Deutschland besaßen. Denn Mühlen mahlten nicht nur Getreide, sondern auch Pulver, Gewürze und Tabak. Sie gewannen Öl aus allerlei Früchten und stellten Papier her, schleiften Messer und Scheren, und sie sicherten die Ernährung. Das galt einst natürlich auch für Mainz – heute erinnern nur noch Straßennamen an Lindenmühle oder Regnersche Mühle. Mainz& erinnert an die einstige Mühlengeschichte von Mainz.

Wassermühle im Freilichtmuseum Bad Sobernheim – Foto: gik

Man glaubt es ja kaum, aber Mühlen prägten einmal das Landschaftsbild der Landeshauptstadt Mainz. „Überdurchschnittlich viele gab es hier davon“, erzählte im Sommer 2001 der damalige Obermuseumsrat Adolf Wild Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein. Die Mainzer Stadtbibliothek hatte damals eine Ausstellung zur Mühlengeschichte in Mainz aufgelegt, für die Nachrichtenagentur ddp berichtete Gisela Kirschstein damals von den historischen Spuren der Mühlen in Mainz – die Geschichte ist auch heute noch aktuell.

„Es galt, eine große Stadt zu ernähren, und es war ja auch immer Militär in Mainz“, erzählte uns Wild damals, der als Historiker die Ausstellung für die Mainzer Stadtbibliothek zusammengestellt hatte. Beinahe tragisch: Nicht eine Mühle hat den Sprung in unsere Zeit geschafft, die große Geschichte der zahlreichen Mühlen ist in Mainz fast in Vergessenheit geraten. Dabei machte die Stadt am Rhein ihre geographische Lage zu einem wahren Nest der Mahlstätten.

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Allein am Gonsbach gab es im 19. Jahrhundert zwischen Finthen und dem Rhein acht Mühlen. Am Zahlbach klapperten alten Karten zufolge zwischen Bretzenheim und Zahlbach mindestens vier mal Mühlräder. Die Regnersche Mühle war zu Zeiten der französischen Revolution regelmäßig Treffpunkt der Bretzenheimer Jakobiner. Die „Lindenmühle“ war über Jahrzehnte hinweg ein beliebtes Ausflugslokal. In der Innenstadt speiste der Umbach den Mühlenweiher beim Altmünsterkloster. Von dort wurden die große Brandmühle an der heutigen Hauptpost, die Ombach-, die Schloß- und die Petersmühle versorgt.

Auch Windmühlen drehten in Mainz ihre Räder: Im Mittelalter waren drei bis vier Türme der Stadtmauer mit Windrädern versehen – wenn der Feind vor der Stadt lag, waren die Mühlen an den Bachläufen von der Stadt abgeschnitten. Napoleons Truppen brachten dann die drehbaren Windmühlen mit an den Rhein. Nach einem Aufruf des französischen Präfekten 1802 wurden mindestens zwei der großen Gebäude errichtet, eine davon die große Hattenbergwindmühle, die 1805 eingeweiht wurde.

Schiffsmühlen auf dem Rhein prägten einst die Flusslandschaft vor Mainz. Hier die rekonstruierte Ginsheimer Schiffsmühle, die Ihr besichtigen könnt. – Foto: Marion Halft via Wikipedia

Eine unrühmliche Mühlengeschichte gibt es dagegen aus dem Mainzer Zuchthaus in der Weintorstraße zu berichten: Ab 1743 mussten dort „Züchtlinge beiderlei Geschlechts“ eine Tretmühle bewegen. Zwei Stunden pro Tag wurde jeder Insasse zur Arbeit in dem sechs Meter großen Laufrad verdonnert. Die Männer liefen innen, die Frauen außen auf den Speichen entlang. Man hoffte so, „unverbesserliche Müßiggänger am besten an die Arbeit gewöhnen zu können.“ 1786 wurde die Tretmühle als unmoralisches Instrument abgeschafft – die Züchtlinge erlitten nicht nur zu viele Schmerzen und Unfälle, sie flirteten auch heftig durch die Speichen hindurch miteinander.

Das Stadtbild prägten aber vor allen Dingen die großen Schiffsmühlen, deren Räder durch die Strömung des Rheins angetrieben wurden. Bis zu 17 Mühlen ankerten im vorigen Jahrhundert gleichzeitig nebeneinander vor der Stadt im Rhein. Festgemacht waren sie an den alten Pfeilerresten der römischen Brücke, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr zu einem Hindernis für die neu aufkommende Dampfschiffahrt wurden. So wurden ab 1861 keine neuen Schiffsmühlen mehr genehmigt, um die Jahrhundertwende verschwanden sie ganz vom Rhein.

Die spektakulären Geschichten um die Schiffsmühlen hielten sich dagegen noch lange. Da gab es das Dampfschiff Adler, das 1842 neun der siebzehn Rheinmühlen mit sich riss, als es steuerlos rheinabwärts trieb. Eine andere Quelle erzählt von Sicherheitsbestimmungen auf den Rheinmühlen. „Es gab dort unheimlich viele Diebstähle“, erläuterte Wild den Hintergrund. „Zum Teil steckten die Müllersburschen mit den Flößern unter einer Decke oder klauten einfach Sachen von der Nachbarsmühle.“

Die frühere Gewürzmühle Moguntia in Mainz-Zahlbach. – Foto: Kandschwar via Wikipedia

Überhaupt, die Müllerszunft: Als unehrlich und durchtrieben galt der Müller, als Dieb, der die rechtschaffenen Bauern um ihr hart erarbeitetes Mehl brachte. Ein „Betrugslexikon“ von 1730 erzählt von Nebenbeuteln, doppelten Böden in Mahlkästen und zweierlei Mess-Schaufeln. „Die abgelegene Lage der Mühlen machte sie zudem zu unheimlichen Orten, an denen sich allerlei Gelichter herumtrieb“, berichtete Wild, „auch Prostituierte, die den Bauern die Wartezeit verkürzten.“ Aus dem gleichen Grund betrieben viele Müller eine kleine Wirtsstube zusammen mit ihrer Mühle. Die Müllerstochter galt denn oft auch als loses Fräulein – erst im romantischen 19. Jahrhundert wurde sie zur schönen, tugendhaften Müllerin verklärt.

Den Garaus machte den Mühlen auf dem Wasser und zu Land schließlich der Siegeszug der großen Industriemühlen. Noch in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Stillegungsprämien gezahlt. „Deshalb gibt es heute keine einzige Mühle mehr in Mainz“, bedauerte Wild, von den Mainzer Mühlen sind nur noch alte Bilder und Geschichten geblieben. Das einzige Gebäude, das noch an diese Tradition erinnert, ist das Gonsenheimer Restaurant „Gonsbachmühle“. Ansonsten verweisen lediglich Straßennamen wie „An den Mühlwegen“ oder „Windmühlweg“ auf die alte Tradition. Oder Familiennamen: Alt eingesessene Gonsenheimer heißen bis heute mit Nachnamen Bäcker bzw. Becker oder Müller.

Die wohl letzte Mühle in Mainz war die Gewürzmühle der Firma Moguntia in Zahlbach. Sie wurde 2001 still gelegt, auf dem Gelände entstanden hochwertige Neubauwohnungen – erhalten blieb nur der unter Denkmalschutz stehende Mahlturm.

Info& auf Mainz&: Mühlen in Mainz gibt es tatsächlich keine mehr, die Ihr besichtigen könnt, aber in Ginsehim könnt Ihr seit 2015 die Ginsheimer Schiffsmühle besuchen, eine authentische Rekonstruktion der letzten produktiven Rheinschiffsmühle, die noch bis 1928 aktiv war. Die Ginsheimer Schiffsmühle macht natürlich auch beim Deutschen Mühlentag mit, alle Infos zu ihr findet Ihr hier im Internet. Informationen über die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und den Deutschen Mühlentag an Pfingstmontag findet Ihr hier im Internet.

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