Zum 1. Januar 2025 gelten neue Grundsteuersätze, in Mainz ist schon jetzt klar: Die Kosten werden erheblich steigen – das 3-fache bis 17-fache ist möglich. Der Bund der Steuerzahler warnte bereits vor anderthalb Jahren vor „Abzocke “ bei der Grundsteuer, die vor allem auch das Wohnen in Miete deutlich teurer machen könnte. Versprochen wurde den Bürgern eine „aufkommensneutrale Reform“, die Stadt Mainz aber plant nun das glatte Gegenteil: Der Hebesatz für die Grundsteuer B soll in Mainz sogar weiter deutlich steigen. Die Mainzer FDP spricht von „einem massiven Wortbruch“, die Folge könnten mehr Versiegelung, weniger Grün und kräftig steigende Mieten sein.
Im April 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil die bisherige Berechnung der Grundsteuer in Deutschland für grundgesetzwidrig erklärt: Die jahrzehntealten Berechnungswerte seien veraltet, Wertverzerrungen führten zu Ungleichbehandlungen – die Richter sahen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, und gaben dem Gesetzgeber auf, Abhilfe zu schaffen: Die Grundsteuer sollte gerechter werden.
Nun steht die Umsetzung der Reform zum 1. Januar 2025 vor der Tür, und bislang steht vor allem fest: Die Reform wird für die Bürger vor allem teurer, und das zum Teil erheblich. Als im März 2023 die ersten Bescheide über die neuen Steuerhöhen bei den Hausbesitzern in Mainz eintrafen, war bei vielen der Schock groß: Die Beträge stiegen zum Teil um das 6-fache, mancherorts gleich um das 17-fache. Der Grund: Die Bodenrichtwerte, Grundlage der Bemessung, sind in den vergangenen 20 Jahren in Mainz geradezu explodiert.
Grundsteuer B in Mainz: Beträge explodieren durch Reform
Die Folge: Für ein ganz normales Einfamilienhaus aus den 1960er Jahren werden in Zukunft statt bisher knapp 150 Euro Grundsteuer im Jahr rund 860 Euro fällig – das berichtete Mainz&-Leser Hans Peter Czyrka im März 2023 unserer Zeitung. Czyrka ist kein Einzelfall, stadtweit gehen Experten davon aus, dass sich die Beträge bei der Grundsteuer B pro Haus um mindestens das Zweifache bis Dreifache erhöhen werden.
Dabei hatte die Politik explizit bei der Ankündigung der Reform versprochen, die Reform solle „aufkommensneutral“ werden: „Mit der Reform der Grundsteuer wird keine Veränderung des Grundsteueraufkommens verfolgt“, heißt es bis heute beim Bundesfinanzministerium, Städte und Gemeinden sollten „durch die Reform auch nicht mehr Grundsteuer einnehmen als zuvor.“ Das war das Versprechen, doch in Mainz scheint man sich daran nicht halten zu wollen.
Gleich zwei Fraktionen in Mainz stellten nämlich für den heutige Stadtratssitzung Fragen an die Finanzverwaltung der Stadt, wie es denn mit der Umsetzung der Reform und vor allem dem Versprechen der „Aufkommensneutralität“ aussehe. Die Antwort: Die Stadt Mainz wird durch die neue Grundsteuerreform deutliche Mehreinnahmen haben. Bei gleichbleibendem Hebesatz gegenüber 2024 erwarte man Mehreinnahmen bei der Grundsteuer B in Höhe von 8,063 Millionen Euro, antwortete Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) nun auf Anfrage der Mainzer FDP.
Mainz: deutliche Mehreinnahmen durch Reform, steigende Mieten
Grund sei, dass die Anzahl der bewerteten Grundstücke angestiegen und die Neubewertung zu höheren Messbeträgen geführt habe, so Beck weiter. Auf Anfrage der AfD teilte der Finanzdezernent weiter mit: Die Grundsteuer B in Mainz ist in den vergangenen zehn Jahren ohnehin schon gestiegen, und zwar von rund 33,89 Millionen Euro in 2014 auf zuletzt 42,32 Millionen Euro in 2023. Künftig rechne man bei der Grundsteuer B mit Einnahmen von etwa 49,963 Millionen Euro, heißt es in der Antwort an die FDP – das wären allein rund 7,6 Millionen Euro mehr.
Entscheidend dabei ist neben den Bodenrichtwerten der sogenannte Hebesatz, den eine Kommune in gewissen Grenzen selbst bestimmen kann. In Mainz liegt der Hebesatz derzeit bei 480 Prozent, die Landeshauptstadt sei damit die neuntteuerste Stadt in Rheinland-Pfalz, rechnete 2023 der Bund der Steuerzahler (BdSt) Rheinland-Pfalz vor. Der warnte just im August noch einmal explizit: „Die Grundsteuer droht in Rheinland-Pfalz für die Bürger extra teuer zu werden.“
Denn das auch in Rheinland-Pfalz umgesetzte Bundesmodell zur Grundsteuerreform bevorzuge gewerblich genutzte Grundstücke, während für Wohngrundstücke wohl bis zu 20 Prozent mehr bezahlt werden müsse, warnt auch Christoph Schöll, Landesvorsitzender von Haus & Grund. Das aber sei ein ein echtes Problem, denn die Grundsteuer kann auf die Mieten umgelegt werden – und damit würden neben den Hauseigentümern „auch Mieter ab 2025 kräftiger zur Kasse gebeten“, betont Schöll. Die ohnehin teuren Mieten in Mainz würden damit durch die Nebenkosten weiter steigen, und das zum Teil deutlich.
Mainz plant Anhebung des Grundsteuer-Hebesatzes auf 600 Prozent
Steuerzahlerbund und Hausbesitzerverband forderten denn auch schon seit 2023 vom Land Rheinland-Pfalz, die Hebesätze für die Kommunen zu senken oder zumindest zu flexibilisieren – doch geschehen seit bisher: nichts. „Andere Bundesländer haben bereits gegengesteuert, sei es mit angepassten Messzahlen oder gesplitteten Hebesätzen“, sagte Schöll, doch Rheinland-Pfalz „glänzt mit einer Vogel-Strauß-Politik.“ Diesen Stillstand müssten 2025 dann Eigentümer und Mieter ausbaden, klagte Schöll.
Stattdessen hatte Rheinland-Pfalz im September 2022 flugs noch den sogenannten Nivellierungssatz bei der Grundsteuer B um satte 100 Prozentpunkte auf 465 Prozent angehoben. Damit ist den Kommunen schon ohnehin ein hoher Standardhebesatz im Landesausgleichsgesetz vorgeschrieben, Kommunen mit Defizit im Haushalt werden damit gezwungen, hohe Steuersätze beizubehalten. Man dürfe „gespannt sein, ob in Mainz wenigstens das politische Versprechen der Aufkommensneutralität erfüllt, oder ob die Grundsteuerreform als neue Abzocke missbraucht wird“, argwöhnte BdSt-Geschäftsführer René Quante bereits 2023.
Im Finanzdezernat der Stadt Mainz fühlt man sich inzwischen offenbar an das Versprechen einer „aufkommensneutralen“ Reform in keinster Weise gebunden: Auf die Frage der FDP-Fraktion, welchen Vorschlag die Stadt für eine Neufestsetzung des Hebesatzes machen werde, um die Aufkommensneutralität umzusetzen, antwortet Finanzdezernent Beck: Man werde keinen solchen Vorschlag unterbreiten. Im Gegenteil: Angesichts der neuesten Finanzentwicklung mit einem Loch in der Kasse plane die Stadt die Anhebung des Hebesatzes – und zwar auf glatte 600 Punkte.
Bestraft Grundsteuerreform den heimischen Garten?
Damit würden die Einnahmen bei der Grundsteuer B im Jahr 2025 auf 62,453 Millionen Euro und für 2026 auf 63,265 Millionen Euro steigen, teilte Beck weiter mit – das sind satte 20 Millionen Euro mehr als bisher. Auf Anfrage der AfD teilte Beck zudem mit: Um Aufkommensneutralität gegenüber 2023 zu erreichen, müsste der Hebesatz auf etwa 400 Prozent gesenkt werden, bei Wohnimmobilien müsste er gar bei nur 334 Prozent liegen. Beck argumentiert mit der negativen Finanzentwicklung der Stadt, diese lasse keine andere Wahl – die Mainzer FDP lässt das nicht gelten.
„Wir sehen hier einen massiven Wortbruch“, reagierte FDP-Fraktionschefin Susanne Glahn gegenüber Mainz& auf die neuesten Zahlen: „Es kann überhaupt nicht angehen, dass ein solches Versprechen nicht eingehalten wird, das ist völlig untragbar.“ Die Intention der Reform sei gewesen, die Berechnung auf neue Grundsätze zustellen, das Versprechen sei gewesen, dass sich die Beträge ausbalancierten. Nun stelle sie fest: „Es ist erkennbar, dass in keinster Weise der Wunsch oder der Wille bei der Stadt Mainz da ist, das Versprechen einzuhalten“, kritisiert Glahn.
Stattdessen bringe das neue System „eine völlige Unbalance“ und neue Ungerechtigkeiten rein, schimpft Glahn weiter, denn das neue System bestrafe unbebauten Raum – und damit auch jeden Garten um ein Einfamilienhaus. „Das ist eher ein Signal für mehr Nachverdichtung als für mehr Grün“, befürchtet Glahn, schlimmer aber sei noch etwas anderes: „Ich bin zutiefst besorgt, welche Auswirkungen das im Ballungsraum Mainz gerade für die sozialen Wohnungsbauten haben wird.“
Denn mit einer solchen Grundsteuererhöhung „wird Wohnen in Mainz noch teurer, und für manche die Grenze des Bezahlbaren noch überschritten werden“, befürchtet Glahn, und droht gegebenenfalls auch mit einer Klage gegen die Stadt Mainz: „Wenn das so kommt, schließe ich eine rechtliche Überprüfung nicht aus.“
Info& auf Mainz&: Die Sitzung des Mainzer Stadtrats beginnt am 9. Oktober 2024 wie immer um 15.00 Uhr. Ihr könnt die Sitzung im Kurfürstlichen Schloss besuchen, oder auch per Internet im Livestream verfolgen. Unseren Bericht aus 2023 „Schock bei der Grundsteuer“ findet ihr hier bei Mainz&.