Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal forderte die CDU-Opposition einen grundlegenden Neustart beim Brand- und Katastrophenschutz im Rheinland-Pfalz. Die Landesregierung mache „ihre Hausaufgaben nicht“, dabei gebe es beim Katastrophenschutz „dringenden Handlungsbedarf“, kritisiert CDU-Landeschef Christian Baldauf am Mittwoch in Mainz. Die CDU-Landtagsfraktion hat nun 45 Vorschläge für Verbesserungen erarbeitet, darunter: Ein Landesamt für Bevölkerungsschutz, hauptamtliche Brandschutzmeister in den Kommunen und einen 660-Millionen-Masterplan für eine bessere Ausstattung.
Die Flutkatastrophe im Ahrtal vor einem Jahr hatte gezeigt: Der Katastrophenschutz in Deutschland ist schlecht aufgestellt. das liege ganz klar nicht an den vielen Ehrenamtlichen in den Feuerwehren oder anderen Rettungsdiensten, betonte CDU-Landes- und Fraktionschef Christian Baldauf am Mittwoch in Mainz: „Das Ehrenamt in diesem Bereich ist uns sehr wichtig.“ Doch das Land habe ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal noch immer keinerlei Konsequenzen für einen besseren Katastrophenschutz gezogen, kritisierte Baldauf: „Wir müssen feststellen, dass die Landesregierung von sich aus ihre Hausaufgaben nicht macht.“
Die CDU stellte deshalb am Mittwoch einen Katalog mit 45 Verbesserungsvorschlägen in Sachen Katastrophenschutz vor. „Es ist dringender Handlungsbedarf geboten“, betonte Baldauf, „denn was machen wir denn bei der nächsten Katastrophe?“ Waldbrand, Windhose oder eine neue Flut – im Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz seien bislang so gut wie keine Konsequenzen gezogen worden. Das gelte auch für das Ahrtal selbst, sagte Baldauf weiter: „Nach einem Jahr liegt im Ahrtal immer noch sehr vieles im Argen.“
„Wir müssen dafür sorgen, dass wir aus der nächsten Katastrophe mit geringeren Schäden herauskommen“, sagte der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner: „Glauben wir denn wirklich, dass sich irgendetwas geändert hätte?“ Die Verantwortung dafür liege beim Land, betonte Schreiner, es brauche mehr Personal für den Katastrophenschutz, eine bessere Ausstattung und viel mehr Übungen. „Die simple Erkenntnis, dass die nächste Katastrophe kommt, hat man in Rheinland-Pfalz beflissentlich verdrängt“, kritisierte Schreiner, das sei in anderen Bundesländern anders.
In Hessen etwa gebe es bereits Übungen für Katastrophenschützer, in denen Erkenntnisse aus der Ahrflut umgesetzt würden, berichtete Schreiner: „Das hätte ich hier auch gerne.“ Verantwortung dafür müsse endlich das Land übernehmen, forderte Schreiner: „Das Sicherheitsversprechen des Staates muss hinterlegt werden mit Personal, mit Gerät und mit Üben, Üben, Üben.“
Konkret fordert die CDU eine gründliche Bedarfsplanung des Katastrophenschutzes mittels Risikoanalysen, das Land müsse Alarm- und Einsatzpläne entwerfen, die dann in der Folge vor Ort individualisiert und unter Aufsicht des Landes – aufbauend auf den Risikoanalysen – in den Kommunen umgesetzt würden. Jeder Kreis müsse zudem ein eigenes Katastrophenschutzzentrum vorhalten, es brauche in allen Kreisen einen hauptamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI).
Erlebt habe er das bei seinen Besuchen vor Ort, berichtete Schreiner: Ein hauptamtlicher Wehrleiter habe einfach mehr Zeit, sich um Einsatzpläne und Übungen zu kümmern, auch könne es „Sinn machen in vielen Wehren, wenn der Gerätewart ein Hauptamtlicher ist“, sagte Schreiner im Gespräch mit Mainz& weiter. Dabei gehe es nicht darum, das ehrenamtliche Engagement in den Feuerwehren insgesamt abzuschaffen, betonte Baldauf zudem: „Am Ende des Tages muss es aber dazu führen, dass wir mehr Hauptamtliche haben, auch auf Ebenen unterhalb des BKI.“
Auch die Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher müssten mehr in die Gefahrenabwehr einbezogen werden, fordert die CDU – im Ahrtal hatten viele Ortsbürgermeister erleben müssen, dass sie entweder keine Kompetenzen besaßen, um Hilfe auf höherer Ebene anzufordern, oder auch ihren Wehrführern nicht wirklich helfen konnten, weil ihre Rolle im Katastrophenschutz nie eingeübt worden war. Es brauche deshalb auch eine Verpflichtung zur Aus- und Fortbildung für die Angehörigen der Krisenstäbe in den Kommunen, die zudem regelmäßig an Übungen teilnehmen müssten – das müsse auch gesetzlich geregelt werden.
Die CDU zieht damit auch die Konsequenz aus dem Agieren des Ahrweiler CDU-Landrats Jürgen Pföhler, der Aufgaben des Katastrophenschutzes einfach an seinen ehrenamtlichen BKI delegiert und nie an Übungen teilgenommen hatte – und sich im Übrigen in der Flutnacht im Krisenstab lediglich zweimal kurz hatte blicken lassen. Ferner fordert die Opposition, den Katastrophenschutz besser mit modernen Geräten auszustatten: So brauche es etwa Notstromaggregate, und zwar in jeder Kommune, forderte Schreiner, das Land müsse die anschaffen.
„Es fehlt an Fahrzeugen, Ausrüstung, Sirenen, Kommunikation außerhalb der Stromnetze“, zählte Baldauf auf. Der Fuhrpark für Feuerwehren im Katastrophenschutz sei bisher „nach extrem veralteten Förderrichtlinien bezuschusst“ worden, kritisierte er weiter: So habe etwa ein geländegängiges Löschfahrzeug gegen Waldbrände in Altenkirchen nicht angeschafft werden können, „weil es nicht in der Liste der förderfähigen Fahrzeuge steht“, berichtete er.
Dazu fordert die CDU, endlich auch den „Katastrophenfall“ im des Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetz (LBKG) des Landes zu verankern. Tatsächlich ist ein „Katastrophenfall“ im rheinland-pfälzischen Gesetz nicht vorgesehen, das Regelwerk legt lediglich fünf Warnstufen fest. Im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der politischen Verantwortung der Flutkatastrophe im Ahrtal hatten Vertreter von Feuerwehren, aber auch von den Regierungsfraktionen SPD, Grünen und FDP immer wieder darauf hingewiesen: Einen Katastrophenschutz habe man gar nicht ausrufen können, das gebe es so ja gar nicht.
„Es ist im wahrsten Sinne ein Stück aus dem Tollhaus, dass man in der Landesregierung sagt, es habe keinen Katastrophenfall gegeben – weil er nicht im Gesetz steht“, schimpfte Baldauf nun. Eine Änderung sei auch im Sinne einer klareren Kommunikation mit der Bevölkerung, betonte Schreiner: „Mit einer Alarmstufe 5 kann niemand in der Bevölkerung etwas anfangen“, sagte er. Bei der höchsten Stufe müsse aber den Menschen direkt klar sein: „Jetzt zählt es, jetzt muss ich das Haus verlassen“.
So will die CDU auch Medien dazu verpflichten, die Bevölkerung über das richtige Verhalten im Katastrophenfall zu informieren, für die Umsetzung soll die Landesmedienanstalt sorgen. „Uns ist wichtig, dass Medien breit informieren und etwa darüber berichten, welches Sirenensignal was bedeutet“, sagte Schreiner im Anschluss im Gespräch mit Mainz&. Es gehe auch darum, in der Bevölkerung ein besseres Bewusstsein für das Handeln im Katastrophenfall zu schaffen.
Für die Umsetzung der Neuerungen soll nach Vorstellung der CDU ein Landesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (LBK) sorgen, das analog zum bereits existierenden Bundesamt die Planungen und Kompetenzen in Sachen Katastrophenschutz im Land bündelt, ausbaut und professionalisiert. Damit nimmt die CDU den Vorschlag des Katastrophenschutzexperten Albrecht Broemme auf, der in einem Gutachten für das Land Rheinland-Pfalz genau eine solche Einrichtung vorgeschlagen hatte.
Der langjährige Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) war nach langem Hin und Her Anfang 2022 doch von der Landesregierung damit beauftragt worden, ein Gutachten zum Thema Verbesserungen im Katastrophenschutz zu erstellen. Broemme hatte zuvor ´den Zustand des Katastrophenschutzes in Rheinland-Pfalz deutlich kritisiert und von teils „absurden“ Zuständen gesprochen.
In seinem Gutachten listete Broemme dann zehn dringende verbesserungs-Punkte auf, darunter einsatzfähige Krisenstäbe in jedem Landkreis und jeder Stadt, Support-Teams, gezielte und breite Warnungen an die Bevölkerung, Katastrophen-Leuchttürme für den Ernstfall – sowie eben die Einrichtung eines Landesamtes für Katastrophenschutz. Ein solches Amt könne zahlreiche Aufgaben wie Planung, Schulungen sowie Management besonderer Schadenslagen bündeln, ein permanentes Lagebeobachtungszentrum unterhalten und vor allem auch der “Verantwortungsdiffusion” vorbeugen. Broemmes Gutachten im Detail könnt Ihr hier auf Mainz& nachlesen.
Finanziert werden soll die Neuaufstellung des Katastrophenschutzes in Rheinland-Pfalz nach Vorstellung der CDU mit einem Masterplan: „Dieser Masterplan sollte mindestens 660 Millionen Euro umfassen“, schreibt die CDU in ihrer Vorlage dazu. Das errechne sich aus 10 Millionen Euro pauschal für zusätzliche Fahrzeuge für jeden Landkreis beziehungsweise jede Kreisfreie Stadt. Dazu will die CDU 100 Millionen Euro für die Errichtung und Erstausstattung der Katastrophenschutzzentren in jedem Kreis, weitere 100 Millionen Euro für 2.000 große Notstromaggregate und 100 Millionen Euro für den Aufbau dezentraler Lebensmittel- und Hilfsmittellager.
Die Summe will die CDU noch im Laufe dieser Legislaturperiode ausgeben, man werde die Vorschläge in die anstehenden Haushaltsberatungen für den kommenden Doppelhaushalt einbringen, betonte Schreiner: „Wir müssen es jetzt angehen – wenn wir diese Investitionen jetzt versäumen, gehen wieder zwei Jahre ins Land.“ Grundsätzlich will die CDU, dass das Land die Kosten für den Katastrophenschutz trägt – bislang müssen die häufig hochverschuldeten Städte und Kreise selbst die Ausrüstung finanzieren.
Dazu fordert die CDU einen gesetzlicher Vorrang des Bevölkerungsschutzes: Es gebe Abwägungskonflikte wie beispielsweise bei der Frage von Totholz an Bächen, berichtete Schreiner. Der Umweltschutz sträube sich meist dagegen, „wenn aber Katastrophenschutzmaßnahmen es notwendig machen, Totholz herauszuräumen, muss das geschehen“, betonte er: „Der Katastrophenschutz muss Vorrang haben.“
An der Ahr hatten im Nachhinein gleich mehrere Bürgermeister berichtet, ihnen sei das Entfernen toter Bäume vor der Ahrflut immer wieder untersagt worden – genau diese Bäume hätten dann bei der Flutwelle am 14. Juli zu Verhauen und regelrechter Staudammbildung vor den Brücken im Ahrtal geführt. Die Flutwelle konnte sich so teilweise auf bis zu neun oder zehn Meter Höhe anstauen, als die Brücken einstürzten, ergoss sich ein verheerender Flut-Tsunami durch das Ahr, der alles mitriss und 134 Menschen das leben kostete.
Die CDU will ihre Vorschläge nun den anderen Fraktionen unterbreiten, man wolle nach einem gemeinsamen Konzept suchen, sagte Schreiner weiter. Die Liste ist auch eine Konsequenz aus der Enquete-Kommission des Mainzer Landtags, die nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im August 2021 eingesetzt wurde und seit Ende Oktober 2021 tagt: Die Enquete hat den Auftrag, Zukunftsstrategien in Sachen Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz zu erarbeiten, ihre Arbeit verrichtet sie allerdings meist im Schatten des Untersuchungsausschusses.
Währen der U-Ausschuss die politische Verantwortung für die Flutkatastrophe aufarbeitet, soll sich die Enquete-Kommission um die Sachfragen kümmern, ihr vollständiger Arbeitsauftrag lautet denn auch: „Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz: Erfolgreichen Katastrophenschutz gewährleisten, Klimawandel ernst nehmen und Vorsorgekonzepte weiterentwickeln“.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Enquete-Kommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“ findet Ihr hier im Internet. Die Sitzungen der Enquete sind öffentlich und werden jedes Mal live im Internet übertragen – die Videos kann man auch im Nachhinein ansehen, und zwar auf dem Youtube-Kanal des Landtags Rheinland-Pfalz. Den ganzen Bericht zum Gutachten von Alt-THW-Präsident Broemme zum Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz findet Ihr hier bei Mainz&: